JudikaturOGH

12Os92/10m – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. November 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Irfan P***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 24. März 2010, GZ 142 Hv 18/10y 24, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Irfan P***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 15. Februar 2009 in Wien Julia F***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, indem er sie wiederholt zum Geschlechtsverkehr aufforderte, sie in ihr Wohnhaus verfolgte, in eine Ecke drängte und ihr mit seinem Körper die Fluchtmöglichkeit verstellte, ihr sodann gegen ihren Widerstand unter ihrem T Shirt auf die Brust griff sowie mit seiner Hand in ihre Hose fuhr, sie an der Vagina berührte und ihr eine heftige Ohrfeige versetzte, als sie ihn schließlich zurückstoßen konnte, wodurch die Vollendung unterblieb (vgl US 4).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 sowie 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge (Z 5), welche Aussagepassagen der Zeugin Julia F***** im Ermittlungsverfahren (ON 11, 13) sowie in der Hauptverhandlung vom 24. März 2010 (ON 23/S 19 ff) wiedergibt und deren Würdigung durch die Erkenntnisrichter in Zweifel zieht, zeigt eine unvollständige oder offenbar unzureichende Begründung (Z 5 zweiter und vierter Fall) nicht auf. Das Schöffengericht hat in Entsprechung des Gebots zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die entscheidenden Tatsachen logisch und empirisch einwandfrei auf die Ergebnisse der Rufdatenrückerfassung des vom Angeklagten verwendeten Mobiltelefons (ON 11) sowie die als glaubwürdig erachteten Schilderungen des Opfers Julia F***** (ON 11, ON 13, ON 23/S 19 ff [vgl insbes S 27]) gestützt, ohne die in der Beschwerde mehrfach hervorgehobenen geringfügigen Divergenzen in deren Aussage, den Umstand, dass sie bei einer Befragung zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen der Tat und dem 10. März 2009 über Vorhalt eines einzelnen Fotos des Mehmet B***** diesen mit 90 % Sicherheit als den Täter zu erkennen glaubte, sowie die gänzlich leugnende Verantwortung des Angeklagten außer Acht zu lassen (US 4 ff). Dass die zur Überzeugung von der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin führenden Erwägungen dem Nichtigkeitswerber nicht hinreichend erscheinen, vermag dem Einwand der Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) zuwider keinen Begründungsmangel aufzuzeigen, sondern läuft auf die bloße Bekämpfung der Glaubwürdigkeitsbeurteilung einer Zeugin durch die Tatrichter hinaus, welche als kritisch psychologischer Vorgang der Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 431).

Ob die Zeugin F***** von ihrer Großmutter zur Anzeigeerstattung gedrängt wurde, betrifft keinen entscheidenden Umstand und war daher nicht erörterungsbedürftig.

Die behauptete Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) der Konstatierung, dass der Angeklagte im Stiegenhaus des Tatopfers kundgab, er wolle sie „ficken“ und „brauche das jetzt“ (US 4), liegt schon deshalb nicht vor, weil ein derartiger Vorwurf gegen eine Urteilsfeststellung gar nicht erhoben werden kann (RIS Justiz RS0099492, RS0099431, RS0099524). Im Übrigen kommt dem konkreten Ort dieser Äußerung keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Weshalb es von Relevanz sein sollte, ob die Identität des Zeugen „Erkan“ bekannt ist, legt die Rüge nicht dar.

Soweit die Beschwerde zur Frage der Glaubwürdigkeit des Tatopfers die (unterlassene) amtswegige Ausschöpfung möglicher Kontrollbeweise, nämlich die Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen und die Vernehmung eines Vertreters des Netzbetreibers O*****, vermisst (der Sache nach Z 5a), verabsäumt sie die gebotene Darlegung, wodurch der Nichtigkeitswerber an der Ausübung seines Rechts, in der Hauptverhandlung entsprechende Beweisaufnahmen sachgerecht zu beantragen, gehindert gewesen wäre ( Ratz , WK StPO Rz 480).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht hätte auf Basis der Beweisergebnisse einen anderen Geschehensablauf annehmen und solcherart zu einer anderen rechtlichen Beurteilung nämlich zur Verneinung des Vorliegens eines strafbaren Versuchs der inkriminierten Vergewaltigung gelangen müssen, entbehrt mangels Vergleiches des gesamten festgestellten Urteilssachverhalts (US 3 f) mit dem zur Anwendung gebrachten materiellen Recht und der Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, einer gesetzmäßigen Ausführung ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 581; RIS Justiz RS0099810). Dass das hier konstatierte Abdrängen des Tatopfers in eine Ecke des Stiegenhauses, Öffnen der eigenen Hose, Berühren des eigenen Penis sowie der Brust und des Genitalbereichs des Opfers, Zuhalten ihres Mundes unter der Ankündigung, sie „ficken“ zu wollen (US 4), nicht zumindest eine ausführungsnahe Handlung (§ 15 Abs 2 StGB), sondern bloß eine straflose Vorbereitungshandlung des willentlich handelnden Angeklagten darstellen sollte, behauptet nicht einmal die Beschwerde.

Mit der Reklamation eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) geht die Rüge (Z 9 lit b) erneut nicht von den Konstatierungen des Erstgerichts (US 4) aus, sondern strebt unter eigenen Beweiswerterwägungen andere, für den Nichtigkeitswerber günstigere Feststellungen an. Auch in diesem Umfang verfehlt sie daher den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über Berufungen und Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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