Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Notare durch die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griss als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Notarenrichter Dr. Hauser und Dr. Zeger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin, in der Disziplinarsache gegen den Notariatskandidaten Dr. E***** über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Disziplinargericht für Notare vom 4. Mai 2010, GZ Ds 100/10 5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gründe:
Das Oberlandesgericht Wien als Disziplinargericht für Notare hat mit dem angefochtenen Beschluss die durch die Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien mit Bescheid vom 23. April 2010, Zl Pers 4 P 57, verfügte provisorische Suspension bestätigt. Die provisorische Suspension wurde verfügt, weil gegen den Disziplinarbeschuldigten ein Disziplinarverfahren anhängig ist und die Notariatskammer am 21. 4. 2010 auch Anzeige wegen Verdachts der Untreue nach § 153 StGB erstattet hat.
Das Disziplinargericht hat in seinem Beschluss darauf verwiesen, dass sich aus den bisherigen Erhebungsergebnissen der dringende Verdacht ergibt, der Disziplinarbeschuldigte habe durch Veräußerung nachlasszugehörigen Vermögens in seiner Eigenschaft als Kurator an ihn persönlich bekannte Personen oder an juristische Personen, an denen ihm persönlich bekannte Personen maßgeblich beteiligt sind, entgegen dem Gebot der bestmöglichen Verwertung des Vermögens besonders schutzwürdige Personen unter Ausnutzung seiner besonderen Befugnis als Kurator in Verlassenschaften zu einem Kaufpreis übertragen, von dem er wissen musste, dass dadurch den von ihm Vertretenen beträchtlicher, vermögensrechtlicher Schaden zugefügt wurde, der mutmaßlich die Wertqualifikation des § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB übersteigt.
Nach dem vom Disziplinargericht festgestellten Sachverhalt hat der Disziplinarbeschuldigte als Verlassenschaftskurator in drei Fällen Liegenschaftsvermögen an ihm nahestehende Personen verkauft. Es handelt sich dabei um folgende Fälle:
Veräußerung einer Eigentumswohnung in W *****
Der Disziplinarbeschuldigte hat die Wohnung am 31. 8. 2007 um 115.000 EUR an Mag. M***** verkauft; Mag. M***** hat die Wohnung am 12. 11. 2007 um 120.000 EUR an die D***** GmbH weiterveräußert. Dieses Unternehmen hat die Wohnung am 30. 4. 2008 um 225.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer verkauft.
Veräußerung eines Objekts in W *****
Der Disziplinarbeschuldigte hat das Objekt am 31. 8. 2007 um 75.000 EUR an P***** verkauft. P***** steht in Nahebeziehung zu Dr. W***** und/oder der D***** GmbH.
Veräußerung eines Objekts in W *****
Der Disziplinarbeschuldigte hat das Objekt am 7. 10. 2008 um 25.000 EUR an den ihm nahestehenden DI C***** verkauft.
Im Verlassenschaftsverfahren nach Mag. Dr. M***** war der Disziplinarbeschuldigte als Kollisionskurator für den minderjährigen Sohn des Verstorbenen eingesetzt. Er hat eine „Honorarvereinbarung“ vorgelegt, die auf einen wesentlich höheren Betrag lautete als ihm schließlich zuerkannt wurde. Obwohl er nur als Kollisionskurator eingesetzt war, hat er mehrere Verkäufe „faktisch getätigt“:
Verkauf des Objekts in W***** , mit Kaufvertrag vom 21. 9. 2007 um 200.000 EUR an die Gattin seines Freundes Dr. W*****. Mag. H***** hat das Objekt am 14. 11. 2007 an Mag. B***** um 220.000 EUR weiterveräußert.
Verkauf des Objekts in W***** , mit Kaufvertrag vom 26. 11. 2007 um 100.000 EUR an Mag. H*****. Mag. H***** hat das Objekt am 4. 2. 2008 um 105.000 EUR an die D***** GmbH weiterveräußert; diese wiederum hat das Objekt in unverändertem Zustand am 31. 3. 2008 um 135.000 EUR an I***** verkauft.
Verkauf des Objekts W ***** , mit Kaufvertrag vom 4. 12. 2007 um 355.000 EUR an die im Alleineigentum des ihm nahestehenden DI C***** stehende Ö***** GmbH.
Verkauf der Objekte W*****, mit Kaufvertrag vom 4. 12. 2007 um 45.000 EUR zuzüglich Übernahme einer Leibrentenschuld an den ihm nahestehenden DI C*****.
Das Disziplinargericht hat den festgestellten Sachverhalt dahin beurteilt, dass sich angesichts der Vielzahl der Fälle, der besonderen Verantwortung und der Garantenstellung der Kuratoren bei der Verfügung über fremdes Vermögen und der Hinweise auf organisiertes Zusammenwirken massive Bedenken gegen die Fortsetzung der Tätigkeit des Disziplinarbeschuldigten ergäben. Die Suspension sei wegen der Dichte des Tatverdachts einer groben Standespflichtverletzung, der Bedeutung der Sache und der Schwere der dem Disziplinarbeschuldigten im Falle eines Schuldspruchs drohenden Sanktion nicht unverhältnismäßig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Notars .
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Amtsführung durch ihn nicht bedenklich sei. Die rechtssuchende Bevölkerung könne durch seine Amtsführung kaum geschädigt werden, weil ein Notarsubstitut oder kandidat der Aufsicht durch den Ausbildungsnotar und auch der Aufsicht des Verlassenschafts oder Pflegschaftsgerichts unterliege. In allen vom Disziplinargericht angeführten Fällen seien die Verkäufe verlassenschafts- bzw pflegschaftsbehördlich genehmigt worden. Die Kaufpreise hätten über den Beträgen gelegen, mit denen der Verkehrswert in den Gutachten gerichtlich beeideter Sachverständiger festgelegt worden sei. Es habe sich auch keiner der Verfahrensbeteiligten, insbesondere keiner der Erben, wegen seiner Tätigkeit beschwert.
In der Verlassenschaft nach Mag. Dr. M***** habe er lediglich Kaufinteressenten namhaft gemacht; die Kaufverträge hätten die anwaltlich vertretene Witwe und er als Kollisionskurator abgeschlossen. Er sei als Kollisionskuratur umfangreich und intensiv tätig geworden. Sein Honorar habe er nach mehreren Varianten berechnet und sich schließlich mit einem wesentlich geringeren Betrag zufrieden gegeben. Er habe sich in sämtlichen Fällen, in denen er als Kurator bestellt gewesen sei, entheben lassen. Die vorläufige Suspension zum Schutz der Verfahrensbeteiligten sei daher auch aus diesem Grund nicht notwendig.
Die Generalprokuratur beantragt, der Beschwerde nicht Folge zu geben.
Die Beschwerde ist nicht berechtigt.
Nach § 180 Abs 1 lit b NO ist die Suspension als mittlerweilige Vorkehrung zu verhängen, wenn die Fortsetzung der Amtsführung durch den Notar während einer Disziplinaruntersuchung oder eines Strafverfahrens nach der StPO bedenklich erscheint.
An den vom Disziplinargericht geäußerten Bedenken ist entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers festzuhalten:
Der festgestellte Sachverhalt zeigt, dass weder die Aufsicht durch den Ausbildungsnotar noch die Genehmigungspflicht für Rechtsgeschäfte geeignet waren, Vermögensnachteile für besonders schutzwürdige Personen zu verhindern. Die Vermögensnachteile sind ungeachtet dessen eingetreten, dass die Verkaufspreise über den Schätzwerten lagen. Denn die Tatsache, dass der Beschwerdeführer ausschließlich an ihm nahestehende Personen verkauft hat und es in einigen Fällen zu Weiterveräußerungen zu deutlich höheren Preisen gekommen ist, beweist, dass die vom Beschwerdeführer vereinbarten Preise nicht den tatsächlich erzielbaren entsprochen haben. Der Verdacht, dass der Beschwerdeführer seiner Verantwortung bei der Verwaltung fremden Vermögens nicht gerecht geworden ist, hat sich erst erhärtet, nachdem mehrere der von ihm abgewickelten Fälle überprüft worden waren. Es kann den Beschwerdeführer daher nicht entlasten, dass die Veräußerungen genehmigt wurden und dass sich Erben nicht beschwert haben.
Was seine Rolle bei der Abwicklung der Verlassenschaft nach Mag. Dr. M***** betrifft, so stützt sich die Feststellung, dass der Beschwerdeführer die Verkäufe „faktisch getätigt“ habe, auf die Aussage des Rechtsanwalts, der die Witwe vertreten hat. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, Kaufinteressenten namhaft gemacht zu haben. Dass die Witwe naturgemäß am Vertragsabschluss beteiligt war, ändert nichts an seinem maßgebenden Einfluss auf die Auswahl der Käufer aus dem Kreis ihm nahestehender Personen.
Die Suspension des Beschwerdeführers ist bereits aufgrund seines Verhaltens bei der Veräußerung von Nachlassvermögen berechtigt. Es muss daher nicht weiter erörtert werden, dass er als Kollisionskurator eine wesentlich überhöhte Honorarnote gelegt hat.
Die Suspension erübrigt sich nicht deshalb, weil sich der Beschwerdeführer als Kurator hat entheben lassen. Die Enthebung schließt die Bestellung in weiteren Fällen nicht aus; die Fortsetzung der Amtsführung durch den Beschwerdeführer erscheint aber jedenfalls bedenklich.
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