JudikaturOGH

12Os122/10y – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Reich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jochen G***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Jochen G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 10. Mai 2010, GZ 20 Hv 219/09f 25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur Staatsanwältin MMag. Sauter, des Angeklagten Jochen G***** sowie seines Verteidigers Dr. Stranzinger, zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Denis D***** wird für das ihm zur Last liegende Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB unter Anwendung des § 5 Z 5 JGG nach § 126 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme iSd §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 23. Juni 2010, GZ 24 U 52/10f 7, zu einer zusätzlichen Geldstrafe von 60 Tagessätzen à vier Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, und

Jochen G***** wird für das ihm zur Last liegenden Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB unter Anwendung des § 5 Z 5 JGG nach § 126 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen à vier Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu 40 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 1 StGB wird ein Teil der über Jochen G***** verhängten Geldstrafe im Ausmaß von 40 Tagessätzen (20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte Jochen G***** auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten Jochen G***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Denis D***** und Jochen G***** abweichend von der in Richtung § 169 Abs 1 StGB erhobenen Anklage (ON 3) jeweils des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 8. Dezember 2009 in D***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) an einer fremden Sache einen 3.000 Euro übersteigenden Schaden vorsätzlich herbeigeführt, indem sie bei einem im Eigentum der Stadt D***** stehenden Wartehäuschen des Stadtbusverkehrs mit einem Feuerzeug bzw Sturmfeuerzeug Löcher in die Plexiglasverkleidung brannten, wodurch für die Angeklagten wahrnehmbare Flammen an der Verkleidung entstanden, die schließlich zum Vollbrand des gesamten Wartehäuschens führten, wobei ein Schaden in der Höhe von ca 12.000 Euro entstand.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jochen G*****, der teilweise Berechtigung zukommt.

In seiner Verfahrensrüge (Z 4) erachtet der Beschwerdeführer seine Verfahrensrechte verletzt, weil das erkennende Gericht seinem in der Hauptverhandlung vom 10. Mai 2010 gestellten Antrag auf Ergänzung des Gutachtens des Sachverständigen für Brand und Explosionsursachenermittlung zum Beweis dafür, dass unter Berücksichtigung der Angaben der Angeklagten und der bisherigen Ausführungen des Sachverständigen von einem brandursächlichen Tatbeitrag des Beschwerdeführers nicht ausgegangen werden könne (S 10 in ON 24), keine Folge gab.

Die Abweisung erfolgt jedoch zu Recht, weil das Erstgericht ohnedies davon ausging, dass der Angeklagte Denis D***** das Wartehaus in Brand gesteckt hatte (US 6; § 55 Abs 2 Z 3 StPO), dem Nichtigkeitswerber allerdings „Mittäterschaft“ (richtig: Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB) durch Bestärkung des Täterwillens anlastete.

Die Mängelrüge geht mit der Behauptung undeutlicher (Z 5 erster Fall) und (gegenüber dem Referat der entscheidenden Tatsachen § 260 Abs 1 Z 1 StPO) widersprüchlicher Feststellungen (Z 5 dritter Fall) zur Beteiligungsform des Rechtsmittelwerbers nicht von einer Gesamtsicht der Entscheidungsgründe aus (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 394):

Denn nach den wenn auch teilweise dislozierten Urteilskonstatierungen (vgl US 6, US 8 und US 10) animierte der Beschwerdeführer durch die mit seinem Feuerzeug begonnene Beschädigung des Wartehäuschens den Mitangeklagten Denis D***** zur gleichen Vorgangsweise und unterstützte solcherart psychisch dessen Vorhaben. Ein innerer Widerspruch (in Ansehung des Erkenntnisses) oder eine Undeutlichkeit der Begründung liegt somit nicht vor. Im Übrigen kommt einer unrichtigen Beurteilung eines mängelfrei festgestellten Verhaltens in Bezug auf die Täterschaftsformen angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der in § 12 StGB angeführten Tatbegehungsvarianten keine aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO relevierbare Bedeutung zu (vgl Lendl , WK StPO § 260 Rz 17; Ratz , WK StPO § 281 Rz 398; RIS Justiz RS0090648).

Weshalb undeutlich sein soll, was mit dem Wort „vorerst“ zum Ausdruck gebracht werden sollte und „wovon das Erstgericht auf der subjektiven Tatseite … ausgeht“ (vgl demgegenüber US 7 und US 8 f), bleibt unerfindlich.

Die behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt nicht vor, gingen doch die Tatrichter sowohl auf die Angaben des Rechtsmittelwerbers als auch jene des Mitangeklagten sowie auf deren Verhalten nach der Tat ein (US 8 f). Durch eigene Beweiswerterwägungen in diesem Zusammenhang versucht der Beschwerdeführer lediglich, in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Kollegialgerichts zu bekämpfen.

Soweit der Nichtigkeitswerber eine Begründung für den vom Vorsatz der Angeklagten umfassten Schadenseintritt vermisst (Z 5 vierter Fall), ist er auf die darauf abstellenden Urteilsausführungen (US 9) zu verweisen.

Die Mängel an Feststellungen behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht sowohl die entsprechenden Konstatierungen zu den Tatbeitragshandlungen des Beschwerdeführers (US 6 f und US 8) als auch jene zur subjektiven Tatseite (US 7 und US 10).

Insoweit war daher die Nichtigkeitbeschwerde zu verwerfen.

Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) zeigt zutreffend eine Überschreitung der Strafbefugnis des Schöffengerichts auf. Dieses verhängte über die im Tatzeitpunkt jugendlichen Angeklagten jeweils „unter Anwendung des § 5 JGG nach § 126 Abs 1 StGB“ Geldstrafen, nämlich über Denis D***** 180 Tagessätze und über Jochen G***** 150 Tagessätze (US 3). In den Urteilsgründen ging das erkennende Gericht trotz des Zitats von § 5 JGG im Urteilstenor (vgl US 3) von einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen aus (US 11). Dies entspricht zwar der Strafdrohung des § 126 Abs 1 StGB, doch ließ das Schöffengericht insoweit außer Acht, dass bei Jugendstraftaten (§ 1 Z 3 JGG) das Höchstmaß der angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen (außer in den Fällen des § 5 Z 2 JGG) und das nach Tagessätzen bestimmte Höchstmaß von Geldstrafen jeweils auf die Hälfte herabgesetzt wird (§ 5 Z 4 und Z 5 JGG). Im konkreten Fall wäre daher die Strafe innerhalb eines Strafrahmens von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder bis zu 180 Tagessätzen Geldstrafe auszumessen gewesen. Die Anwendung eines nicht dem Gesetz entsprechenden Strafrahmens begründet auch dann Nichtigkeit, wenn die Strafe - wie hier innerhalb des nach § 5 Z 5 JGG zu bildenden Strafrahmens ausgemessen wurde (vgl Schroll in WK² JGG § 5 Rz 26; Ratz , WK StPO § 281 Rz 668c).

Dieser nichtigkeitsbegründende Mangel war gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen auch zugunsten des Angeklagten Denis D***** wahrzunehmen, welcher das Urteil unbekämpft ließ.

Das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher im Strafausspruch aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht zu erkennen und unter jeweiliger Anwendung des § 5 JGG mit Strafneubemessung nach § 126 Abs 1 StGB vorzugehen.

Dabei war hinsichtlich Denis D***** als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe sowie (im Hinblick auf die Verurteilung durch das Bezirksgericht Dornbirn) das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, als mildernd hingegen sein Beitrag zur Wahrheitsfindung zu werten. Hinsichtlich Jochen G***** war als erschwerend kein Umstand, als mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel und sein Beitrag zur Wahrheitsfindung zu berücksichtigen. Ausgehend vom durch § 5 Z 5 JGG vorgegebenen Strafrahmen war in Anbetracht des Unrechtsgehalts der Tat und der Schuld der beiden Angeklagten über Denis D***** unter Bedachtnahme iSd §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 23. Juni 2010, GZ 24 U 52/10f 7, eine zusätzliche Geldstrafe im Ausmaß von 60 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen, und über Jochen G***** eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen zu verhängen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes war - wie im angefochtenen Urteil jeweils mit vier Euro zu bemessen.

Schon im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot war ein Teil der über Jochen G***** verhängten Geldstrafe von 40 Tagessätzen (20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 43a Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen. Eine teilbedingte Nachsicht der über Denis D***** verhängten Geldstrafe war hingegen unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorverurteilung aus spezialpräventiven Gründen nicht möglich.

Mangels Beschlussfassung nach § 494a StPO und infolge fehlender Anfechtung konnte hinsichtlich der bedingten Strafnachsicht im Denis D***** betreffenden Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 5. März 2008, AZ 24 U 15/08m, kein Entscheidung getroffen werden.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Angeklagte Jochen G***** auf die Strafneubemessung zu verweisen.

In der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche bringt der Rechtsmittelwerber zunächst eine fehlende Befragung des Angeklagten zu den geltend gemachten zivilrechtlichen Ansprüchen vor. Insoweit übergeht er allerdings, dass sich sein Verteidiger im Schlussvortrag zum Privatbeteiligtenanspruch geäußert (S 11 in ON 24) und der Angeklagte dieser Prozesserklärung nicht widersprochen hatte und eine weitere Aufklärung über anspruchsbegründende Umstände (welche im Übrigen auch in der Berufung nicht geltend gemacht wurden) nicht geboten war (vgl Kirchbacher , WK StPO § 245 Rz 23; RIS-Justiz RS0112354, RS0106252).

Die weiteren, ein kausales Verhalten für den Schadenseintritt in Frage stellenden Einwände gehen hingegen nicht von den dazu getroffenen Urteilsfeststellungen aus.

Soweit die Höhe des Zuspruchs bestritten wird, ist der Berufung entgegenzuhalten, dass die beiden Angeklagten nur zu einer „symbolischen“ Ersatzleistung von 500 Euro verpflichtet wurden. Weswegen dieser Betrag in dem die einzelnen Schadensbeträge auflistenden Privatbeteiligtenanschluss über 29.750 Euro (vgl ON 21, wobei allein schon die Aufräumarbeiten und Entsorgungskosten vom Berufungswerber nicht in Frage gestellt und durch die Schadensdokumentation [S 40 und S 43 ff in ON 2] belegt mit 1.500 Euro beziffert wurden) keine Deckung finden sollte, lässt sich nicht nachvollziehen.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche war somit nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise