JudikaturOGH

14Os124/10g – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichly als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sidia D***** wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Juli 2010, GZ 9 Hv 79/10d-37, sowie dessen Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sidia D***** jeweils mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (1) und Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz vorschriftswidrig Suchtgift

(1) von Herbst 2009 bis 15. März 2010 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er 245,6 Gramm Heroin (mit einer Reinsubstanz von 12,28 Gramm Diacetylmorphin; US 7) und 15 Gramm Cannabiskraut (mit einer Reinsubstanz von 0,75 Gramm Delta-9-THC; US 7) an drei im Urteilsspruch namentlich genannte Abnehmer gewinnbringend verkaufte, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist, und

(2) von April 2009 bis 15. März 2010 unbekannte Mengen Heroin, Kokain, Cannabiskraut und Substitolkapseln erworben und konsumiert sowie 0,4 Gramm Cannabiskraut, 1,3 Gramm Heroin, 22,9 Gramm Cannabiskraut und 2 Substitolkapseln á 200 mg bis zu deren Sicherstellung besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus dem Grund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, mit der er der Sache nach das Fehlen von Feststellungen zu den privilegierenden Tatbestandsmerkmalen des § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG iVm § 27 Abs 5 SMG und damit die rechtliche Unterstellung des vom Schuldspruch 1 umfassten Täterverhaltens (auch) unter § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG reklamiert, verfehlt ihr Ziel.

Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 600; RIS-Justiz RS0118580).

Indem die Beschwerde zudem ohne Nennung der Fundstelle im Akt (vgl dazu RIS-Justiz RS0124172) (neben einer zusammenfassenden Schilderung der eigenständig interpretierten Situation des Angeklagten nach seiner letzten Haftentlassung) ausschließlich auf dessen Aussage in der Hauptverhandlung verweist, wonach er „eigentlich kein Suchtgift mehr nehmen wollte“, jedoch täglich 2 Kugeln Heroin benötige, spricht sie bloß Anhaltspunkte für seine vom Erstgericht ohnehin bejahte (US 4) Gewöhnung an Suchtmittel an. Damit unterlässt sie den gebotenen Hinweis auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Tatsachensubstrat, welches die gewünschte und für die Annahme der Privilegierung nach § 28a Abs 3 SMG zusätzlich erforderliche Konstatierung, dass der Beschwerdeführer die Tat vorwiegend (also in Bezug auf mehr als die Hälfte des erzielten Verdienstes; vgl 15 Os 75/08f) deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren persönlichen Erwerb zu verschaffen, indizieren würde und bringt solcherart den materiellen Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig zur Darstellung (RIS Justiz RS0118580; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 602).

Was mit den unsubstantiierten Behauptungen, es sei notwendig, dem Angeklagten die Möglichkeit einer „ambulanten bzw wohl eher stationären Therapie“ einzuräumen, er zeige sich „therapiewillig und therapiewürdig“ und sei „im Tatzeitraum aufgrund des Suchtmittelkonsums sowohl in seiner Dispositions- als auch Diskretionsfähigkeit nicht unwesentlich eingeschränkt“ gewesen, gesagt werden soll, erklärt die Beschwerde nicht und ist solcherart einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

Soweit sie in diesem Zusammenhang nominell ebenfalls aus Z 10, inhaltlich als Aufklärungsrüge (Z 5a) unterlassene Einholung eines „entsprechenden, notwendigen Gutachtens“ moniert, lässt sie eine Darlegung vermissen, wodurch der Beschwerdeführer an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (RIS-Justiz RS0114036).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Bleibt anzumerken, dass der Angeklagte den Konstatierungen zum Schuldspruch 2 zufolge nach seiner bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe im April 2009 von verschiedenen Dealern Heroin, Cannabiskraut, Kokain und Substitolkapseln gekauft und konsumiert (US 4), somit ausschließlich für den persönlichen Gebrauch erworben und besessen hat. Obwohl ihm bei dieser Feststellungsbasis die (auch gegenüber der Bestimmung des § 27 Abs 1 SMG aF günstigere; RIS-Justiz RS0124177) Privilegierung des § 27 Abs 2 SMG hätte zugute kommen müssen, erfolgte die Verurteilung nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (idgF). Hinsichtlich des ebenfalls vom Schuldspruch 2 umfassten Suchtgifts, welches am 21. September 2009 anlässlich einer Personendurchsuchung und bei seiner Verhaftung am 15. März 2009 sowie im Zuge einer im Anschluss daran durchgeführten Hausdurchsuchung bei ihm sichergestellt wurde (0,4 Gramm Cannabiskraut, 1,3 Gramm Heroin, 22,9 Gramm Cannabiskraut und 2 Stück Substitoltabletten á 200 mg; US 6 f), fehlen hinwieder Feststellungen zu einer Tatbegehung ausschließlich zum persönlichen Gebrauch, obwohl solche nach der Verantwortung des Angeklagten, wonach er die angeführten Suchtgifte erworben, besessen und konsumiert habe und suchtgiftabhängig sei (ON 36 S 5), indiziert sind.

In Ansehung der richtig nach § 28a Abs 2 SMG vorgenommenen Strafzumessung blieb dies aber ohne nachteilige Auswirkung für den Angeklagten, sodass es keines Vorgehens nach § 290 Abs 1 StPO bedarf ( Ratz , WK-StPO § 290 Rz 22 f), zumal er gegen das Urteil Berufung erhoben hat und keine dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende Bindung des Oberlandesgerichts an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO besteht (RIS Justiz RS0118870; insbesonders 15 Os 14/10p).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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