12Os131/10x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 142 Hv 83/10g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Miguel ***** O***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 20. Juli 2010, AZ 21 Bs 211/10y (ON 87 der Hv Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Miguel ***** O***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe :
In dem seit 9. April 2010 gegen zahlreiche Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahren wurde über den am 9. September 1994 geborenen Miguel ***** O***** mit Beschluss vom 22. April 2010 die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a und lit b StPO verhängt (ON 14) und mit Beschlüssen vom 6. Mai (ON 22) und 30. Juni 2010 (ON 55) aus dem bisher angenommenen Haftgrund fortgesetzt.
Mit dem zuletzt genannten Beschluss wurde die Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer unbefristet (§ 175 Abs 5 StPO) fortgesetzt, weil die Staatsanwaltschaft Wien am 22. Juni 2010 die Anklageschrift (siehe Eingangsvermerk S 33 in ON 1) gegen den Beschwerdeführer sowie zehn weitere Angeklagte eingebracht hatte.
In dieser wurden Miguel ***** O***** die Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und die Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB angelastet.
Danach hat er (zusammengefasst) im März und April 2010 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit den übrigen Angeklagten in wechselseitiger Beteiligung mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz mit Gewalt (ua durch Umstoßen und Versetzen von Schlägen) bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben in drei Fällen Personen fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Mobiltelefon, ein geringwertiges Lebensmittel sowie einen Bargeldbetrag von zwei Euro, weggenommen bzw abgenötigt und in zwei weiteren Fällen Personen Wertgegenstände wegzunehmen bzw abzunötigen versucht, wobei er eine der Raubtaten unter Verwendung eines Messers beging.
Der gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. Juni 2010, GZ 142 Hv 83/10g 55, gerichteten Beschwerde des Angeklagten ***** O***** gab das Oberlandesgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. Juli 2010 nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund des § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit a und lit b StPO iVm § 35 Abs 1 JGG fort.
In der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde behauptet der Angeklagte einen Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) durch Untätigkeit der Staatsanwaltschaft, zumal seit der letzten ihn betreffenden Vernehmung bis zur Zustellung der Anklageschrift an seine Rechtsvertreterin zwei Monate vergangen seien, ohne dass eine entsprechende Beschleunigungsmaßnahme durch die Anklagebehörde gesetzt worden wäre (obwohl die zuständige Staatsanwältin im Zuge telefonischer Kontaktaufnahme seitens der Verteidigerin die frühere Einbringung der Anklage signalisiert hätte).
Rechtliche Beurteilung
Eine grundrechtsrelevante Verfahrensverzögerung liegt nicht vor.
Wie das Oberlandesgericht Wien zutreffend ausführte, langte der Abschlussbericht der Kriminalpolizei vom 11. Mai 2010 (ON 25), der eine ein Anklagefaktum betreffende Niederschrift mit einem Zeugen vom 29. April 2010 enthielt, am 18. Mai 2010 bei der Staatsanwaltschaft Wien ein. Weshalb diese bereits zuvor zu verfahrensbeschleunigenden Maßnahmen verhalten gewesen sein sollte, wird in der Beschwerde nicht dargelegt. Angesichts des Aktenumfangs von zwei Bänden, der Zahl der in wechselnder Beteiligung agierenden - wenngleich weitgehend geständigen - Angeklagten und der Anzahl der ihnen zur Last liegenden Tatvorwürfe ist aber auch ein Zeitraum von knapp über einem Monat zur Verfassung der Anklageschrift - auch unter Berücksichtigung der insgesamt zum Zeitpunkt ihrer Einbringung erst zwei Monate währenden Untersuchungshaft - noch nicht als überhöht anzusehen.
Dass der ausschließlich den Angeklagten Sascha J***** betreffende, bei der Staatsanwaltschaft Wien am 24. Mai 2010 eingelangte Abschlussbericht (ON 28) eine Verzögerung von fast einem Monat bewirkt haben sollte, sodass eine Trennung der Fakten geboten gewesen wäre, ist der insoweit unbegründeten Beschwerde zuwider nicht erkennbar.
Die behauptete Grundrechtsverletzung liegt daher auch unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 35 Abs 1 JGG nicht vor, sodass die Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.