JudikaturOGH

12Os129/10b – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred K***** und andere wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Christoph E***** gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 28. Juni 2010, GZ 38 Hv 18/10t 80, sowie dessen Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 4, Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten E***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen Urteil das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuld und Freisprüche anderer Angeklagter enthält wurde Christoph E***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 5. November 2009 in Klagenfurt im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Manfred K***** als unmittelbarer Täter dem Alfred T***** mit Gewalt gegen seine Person, indem K***** diesem auf der Flucht von hinten mehrere kräftige Schläge gegen dessen Kopf versetzte, sodass dieser das Gleichgewicht verlor, zu Boden stürzte und sodann kurzfristig sein Bewusstsein verlor, fremde bewegliche Sachen, nämlich dessen Brieftasche mit mindestens 100 Euro Bargeld (gemeinsam US 12) mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei T***** durch die geübte Gewalt schwer am Körper verletzt wurde (Bruchverletzung des Speichengriffels im linken Handgelenk, eine Brustkorbprellung sowie einen Bluterguss in der linken Augenregion).

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E***** aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5a StPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung (ON 79 S 43 f) des Beweisantrags auf „Einvernahme der Polizeiinspektoren Franz G*****, Peter D***** und Herwig R***** zum Beweis dafür, dass der Drittangeklagte bei der Ersteinvernahme vor den Polizeibeamten von den Mitangeklagten entlastet wurde und daher nicht als verdächtiger Täter zum Raubfaktum vernommen wurde. Dies ergibt sich aus den Vernehmungsprotokollen im Akt“ (ON 79 S 43).

Dem Rechtsmittelvorbringen zuwider wurden dadurch keine Verteidigungsrechte beeinträchtigt, weil sich das Beweisthema bereits unstrittig und vom Antragsteller sogar zugegeben aus den Akten ergab, durch die begehrte Beweiserhebung sohin eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen nicht zu erwarten war (RIS Justiz RS0107445, Ratz , WK StPO § 281 Rz 341). Auch die in der Beschwerde umfänglich indes nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld angestellten eigenständig beweiswürdigenden Überlegungen vermögen daran nichts zu ändern.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) entwickelt aus den „Einvernahmeprotokollen vor der Polizei vom 11. und 12. November 2009 und dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 28. Juni 2010“ erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen, die in der spekulativen Hypothese einer bewussten Falschbeschuldigung durch den Erstangeklagten münden. Die Thematisierung der Unschuldsvermutung, des Zweifelsgrundsatzes und der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Erstangeklagten durch die Tatrichter führt den Beschwerdeführer allerdings aus dem Anfechtungsrahmen (RIS Justiz RS0102162, RS0099649).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780). Nur so viel: Eine Beweisregel, wonach das erkennende Gericht einem Angeklagten Glaubwürdigkeit nur hinsichtlich der Gesamtheit seiner Angaben zu oder abzuerkennen hätte, besteht entgegen der Beschwerde im Hinblick auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäß § 258 Abs 2 StPO gerade nicht (RIS Justiz RS0098372; Schroll/Schillhammer , AnwBl 2006, 452; 12 Os 28/07w).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde gegen eine Verlängerung der Probezeit einer früheren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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