14Os92/10a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Skrdla als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas K***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 25. März 2010, GZ 12 Hv 21/10i 26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe :
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas K***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I/1 und I/2) und der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 (III/1) und nach § 107 Abs 1 StGB (III/2) sowie der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.
Danach hat er soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung am 26. Dezember 2009 in Zeltweg Andrea W*****
(I) mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, indem er
1) ihr ein Küchenmesser vorhielt, gegen den Rücken drückte und damit an ihrem Nacken auf und abfuhr, ihr den Mund zuhielt, sie mit dem Umbringen bedrohte und den Geschlechtsverkehr an ihr vollzog;
2) sie mit vorgehaltenem Messer zu einem Oralverkehr aufforderte und ihren Kopf gewaltsam zu seinem Penis zog, sie in der Folge mit dem Messer in der Hand mit dem Umbringen bedrohte und neuerlich den Geschlechtsverkehr an ihr vollzog;
(II) durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung zu nötigen versucht, indem er ihr ein Messer vorhielt und sie aufforderte, sie solle sofort ihren Freund Jürgen anrufen und ihm sagen, sie hätte ihn mit einem Arbeitskollegen betrogen;
(III) gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
1) mit dem Tod, indem er äußerte, sie werde Jürgen nie wieder sehen, er würde mit ihr einen Ausflug in den Wald machen, um ihre Leiche zu entsorgen;
2) indem er äußerte, jetzt könne er „Fritzl“ spielen und sie hierbehalten, es würde sie ohnehin niemand vermissen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Entgegen der zu I erhobenen Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf „Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fache der Gynäkologie zum Beweis dafür, dass im Falle einer Vergewaltigung das Opfer stärkere Verletzungen als vorhanden erlitten haben müsste“ (ON 25 S 16), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Das Erstgericht hat seine abweisende Entscheidung zutreffend darauf gestützt, dass „dem Angeklagten keine Anwendung physischer Gewalt zur Erzwingung des Geschlechts- bzw Oralverkehrs zur Last gelegt wird und schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei der Herbeiführung von Geschlechtsverkehr durch (qualifizierte) gefährliche Drohung keine Verletzungsfolgen beim Opfer gegeben sein müssen“ (ON 25 S 17), sodass die Tatfrage ohne Befassung eines wissenschaftlichen Experten im Rahmen der Beweiswürdigung gelöst werden konnte. Sachverständige sind nämlich nur dann beizuziehen, wenn nicht jedes Mitglied des in der Schuldfrage (im Fall der Z 11 erster Fall iVm Z 4: in der Sanktionsfrage) erkennenden Spruchkörpers die erforderlichen Fachkenntnissse für die Beurteilung einer Tatfrage besitzt (RIS Justiz RS0097283; Hinterhofer , WK StPO § 126 Rz 5).
Die Mängelrüge (Z 5) macht mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe sich nur auf die Aussage der Zeugin Andrea W***** gestützt und dabei den Angaben dieser Zeugin entgegenstehende Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen, Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Begründung geltend. Der Beschwerde ist einleitend entgegen zu halten, dass ein Begründungsmangel nicht schon deshalb vorliegt, weil nicht der vollständige Inhalt sämtlicher Aussagen und überhaupt sämtliche Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht werden, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen. Unerhebliche Widersprüche der Beweisergebnisse sind dabei ohnehin nicht erörterungsbedürftig ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 428). Letztendlich stellen Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit (wie hier: der Belastungszeugin) nichts anderes als eine erhebliche Tatsache dar, deren sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung in Frage zu stellen auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung hinausläuft (vgl 13 Os 137/08h).
Die Tatrichter haben, den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend und dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend, begründend dargelegt, warum sie der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zuwider den belastenden Aussagen der Andrea W***** unter Beachtung der sonstigen Verfahrensergebnisse Glauben geschenkt und sie als Feststellungsgrundlage herangezogen haben (US 14 ff). Die Aussage des Angeklagten (hier betreffend die Behauptung mehrfachen freiwilligen Geschlechtsverkehrs vor dem inkrimierten Vorfall) bedurfte daher nicht in sämtlichen Details einer gesonderten Erörterung.
Ob das Opfer dem Zeugen Jürgen Z***** von sich aus von der Vergewaltigung berichtete oder dies über dessen Nachfrage erfolgte, betrifft keinen für die Feststellung entscheidender Tatsachen erheblichen Umstand, sodass diesbezügliche Divergenzen in deren Aussagen nicht erörterungsbedürftig waren.
Die Aussage der Zeugin Doris K*****, der Angeklagte habe ihr unmittelbar nach dem Vorfall erzählt, dass ihm Andrea W***** mit einer Anzeigeerstattung wegen Vergewaltigung gedroht habe, blieb nicht nur nicht unberücksichtigt, sondern wurde von den Tatrichtern zum Gegenstand einer entsprechenden Feststellung gemacht (US 14).
Nicht deutlich und bestimmt wird in der Beschwerde dargelegt, inwiefern angebliche (auch am Tattag zu einem Streit führende) Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Angeklagten und dem Opfer über einen allfälligen Marihuanakonsum des Jürgen Z***** oder Berichte des Angeklagten darüber gegenüber der Zeugin Doris K***** und der Umstand, dass die Schwester der Zeugin Andrea W***** im Rahmen einer Ende November 2009 oder Anfang Dezember 2009 per SMS über den Angeklagten geführten Korrespondenz geschrieben hätte „wenn er deppert wird, machen wir ihn fertig“, gegen die Glaubwürdigkeit der Andrea W***** sprechen sollten.
Nominell ebenfalls aus Z 5, inhaltlich als Aufklärungsrüge (Z 5a) moniert die Beschwerde unterlassene Fragestellung an den Zeugen Jürgen Z***** über seinen Marihuanakonsum und mangelnde, durch Anfrage an den Internetbetreiber vorzunehmende Klärung der Frage, wie lange Nachrichten auf der Internetseite sms.at gespeichert bleiben, lässt dabei allerdings eine Darlegung vermissen, wodurch der Beschwerdeführer an seinem diesbezüglichen Fragerecht und an sachgerechter Antragstellung gehindert gewesen sei (RIS Justiz RS0114036).
Mit dem weiteren Vorbringen, die Tatrichter hätten nicht dargetan, warum sie die Aussage der Zeugin Doris K*****, sie habe am 26. Dezember 2009 auf der Internetseite sms.at eine Eintragung der Andrea W*****, wonach diese „gut drauf“ sei, gesehen, für weniger überzeugend gehalten hätten als die Aussage des Zeugen Jürgen Z*****, wonach Andrea W***** an diesem Abend nicht „online“ gewesen sei, orientiert sich die Beschwerde prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, wonach das Erstgericht im Hinblick auf die weiteren Depositionen des Jürgen Z*****, derartige Nachrichten wären oft auch für einige Tage sichtbar, keinen Widerspruch zwischen den Aussagen erblickte (US 21).
Aus Z 5 (fünfter Fall) rügt der Beschwerdeführer die Feststellung, er habe Selbstanzeige bei der Polizei erstattet (US 14), als aktenwidrig, weil weder der Angeklagte noch die Zeugin Doris K***** bei ihren Vernehmungen vor der Polizei und vor Gericht derartige Angaben gemacht hätten. Aktenwidrigkeit liegt allerdings nur vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt, nicht jedoch, wenn getroffene Feststellungen vom Inhalt einer Aussage oder Urkunde abweichen (RIS Justiz RS0099431 [T7]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.