JudikaturOGH

12Os111/10f – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. August 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Reich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Patrick S***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 4. Dezember 2009, GZ 20 Hv 182/09i 12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 4. Dezember 2009, GZ 20 Hv 182/09i 12, verletzt § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB.

Der Beschluss wird, soweit darin der Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 24. August 2009, GZ 30 BE 197/09i 3, gewährten bedingten Entlassung ausgesprochen wurde, aufgehoben und gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der dem Patrick S***** mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Vollzugsgericht vom 24. August 2009, GZ 30 BE 197/09i 3, gewährten bedingten Entlassung abgesehen.

Text

Gründe :

Mit rechtskräftigem - in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3. August 2009, GZ 20 Hv 126/09d 22, wurde Patrick S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 erster und vierter Fall, 15 StGB und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB unter Einbeziehung des Schuldspruchs des Landesgerichts Feldkirch vom 3. Mai 2007, AZ 39 Hv 43/07k, (gemäß § 494a Abs 1 Z 3 StPO) unter Anwendung von § 28 StGB und § 5 JGG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Aufgrund des Beschlusses des Landesgerichts Feldkirch als Vollzugsgericht vom 24. August 2009, GZ 30 BE 197/09i 3 (ON 27 des Hv Aktes), wurde Patrick S***** am 8. September 2009 nach Verbüßung von zwei Monaten aus dem unbedingten Teil der zu 20 Hv 126/09d des Landesgerichts Feldkirch verhängten Freiheitsstrafe nach § 46 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen (ON 5 des BE Akts).

Aufgrund neuerlicher Delinquenz (Tatzeitpunkt 19. Oktober 2009) wurde Patrick S***** mit in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 4. Dezember 2009, GZ 20 Hv 182/09i 12, des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 15 StGB, des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung von § 28 StGB und § 5 JGG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

Aus Anlass dieser Verurteilung fasste das erkennende Gericht den Beschluss, gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die bedingte Entlassung zu AZ 30 BE 197/09i des Landesgerichts Feldkirch zu widerrufen. Vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3. August 2009, GZ 20 Hv 126/09d 22, gewährten bedingten Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe (im Ausmaß von acht Monaten) sah das Landesgericht Feldkirch jedoch gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre ab. Urteil und Beschluss erwuchsen in Rechtskraft.

Der Verurteilte wurde am 9. Dezember 2009 in Strafhaft übernommen (ON 20). Mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 29. Jänner 2010 (ON 1 in ON 25) wurde der Vollzug dieser Freiheitsstrafen gemäß § 39 Abs 1 SMG bis 1. Jänner 2012 aufgeschoben. Patrick S***** wurde am 18. Februar 2010 aus der Haft entlassen (ON 27, je in AZ 20 Hv 182/09i des Landesgerichts Feldkirch).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 4. Dezember 2009, GZ 20 Hv 182/09i 12, mit welchem die bedingte Entlassung des Patrick S***** zu AZ 30 BE 197/09i des Landesgerichts Feldkirch als Vollzugsgericht widerrufen wurde, steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach dem durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl I 2007/109, eingefügten zweiten Satz des § 53 Abs 1 StGB können die bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden. Ein Widerruf der bedingten Entlassung aus dem nach § 43a Abs 3 oder 4 StGB nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe ist daher unzulässig, wenn zugleich (wie hier) in Ansehung des bedingt nachgesehenen Teils dieser Strafe vom Widerruf abgesehen (und lediglich die Probezeit verlängert) wird (RIS Justiz RS0125448).

Da sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, gemäß § 292 letzter Satz StPO diesen Beschluss aufzuheben und nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der bedingten Entlassung abzusehen.

Einer teilweisen förmlichen Aufhebung des Beschlusses des Landesgerichts Feldkirch vom 29. Jänner 2010, AZ 20 Hv 182/09i (ON 1 in ON 25), mit welchem dem Verurteilten Patrick S***** auch hinsichtlich des nach dem Widerruf der bedingten Entlassung zu vollziehenden Strafrests gemäß § 39 Abs 1 SMG Strafaufschub gewährt worden ist, als von dem zu kassierenden Widerrufsbeschluss abhängiger weiterer Entscheidung bedarf es nicht (RIS Justiz RS0100444; Ratz , WK StPO § 292 Rz 28). Das Landesgericht Feldkirch wird der Kassation des Widerrufsbeschlusses durch eine (beschlussmäßige) Anpassung der Erkenntnisteile, die als Folgewirkung betroffen sind, Rechnung zu tragen haben (vgl zuletzt 11 Os 197/09v).

Rückverweise