12Os86/10d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 2010 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr Schroll als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mechtler als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef K***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB, AZ 4 Hv 10/10w des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 23. März 2010, GZ 04 Hv 10/10w 97, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 23. März 2010, GZ 04 Hv 10/10w 97, verletzt durch die rechtliche Unterstellung der vom Schuldspruch erfassten Tat auch unter § 143 erster Fall StGB idF BGBl 1987/605 das Gesetz in dieser Bestimmung.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch umfassten Tat auch unter § 143 erster Fall StGB idF BGBl 1987/605 und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Text
Gründe :
Josef K***** wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 23. März 2010, GZ 04 Hv 10/10w-97, des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB (in der Fassung BGBl 1987/605) schuldig erkannt.
Danach hat er am 29. Jänner 1998 in Graz im bewusst gemeinsamen Zusammenwirken mit dem abgesondert rechtskräftig verurteilten Heinz N*****, dem gesondert verfolgten Josef S***** sowie dem mittlerweile verstorbenen Helmut F***** als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines weiteren Bandenmitglieds mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Gästen und Angestellten des „ C*****-Club“ der A***** Handels GmbH insgesamt zumindest 390.292 S (28.363,63 Euro) Bargeld, weitere Wertgegenstände und Zigaretten durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe abgenötigt, indem die Genannten mit dunklen Wollmützen maskiert und mit zum Teil mit Schalldämpfern versehenen Faustfeuerwaffen bewaffnet das Lokal stürmten, den anwesenden Angestellten und Gästen mit den in Anschlag gebrachten und gegen sie gerichteten Waffen befahlen, das ganze Geld auf den Tisch zu legen, den Schlüssel für den Tresor bereitzustellen und das Geld auszufolgen sowie alle Mobiltelefone herauszugeben.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht die rechtliche Unterstellung der als erwiesen angenommenen Tatsachen auch unter § 143 erster Fall StGB (idF BGBl 1987/605) mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Während die Annahme des Bestands einer kriminellen Vereinigung als eines der Kriterien des § 143 erster Fall StGB idgF nach der Legaldefinition des § 278 Abs 2 StGB idgF einen auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen erfordert, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung eine oder mehrere der dort genannten Straftaten ausgeführt werden, setzt die Unterstellung eines Täterverhaltens unter die demnach für den Angeklagten günstigere (§ 61 StGB) Bestimmung des § 143 erster Fall StGB idF BGBl 1987/605 (neben der mitgliedschaftlichen Tatbegehung und der Mitwirkung zumindest eines Mitglieds der Bande an dem tatsächlich verübten Raub) das Bestehen einer Bande voraus, worunter eine Verbindung von zumindest drei Personen zur fortgesetzten Begehung von (im Voraus nicht näher oder nur der Art nach bestimmten) Raubtaten zu verstehen ist (§ 143 StGB idFd BGBl 1987/605 iVm § 278 StGB idFd BGBl I 1997/112; vgl dazu Kienapfel BT II 3 § 143 Rz 7 iVm § 130 Rz 21 f mwN, Leukauf Steininger Komm 3 § 143 Rz 5; Hintersteininger , SbgK § 143 Rz 7; Steininger in WK² § 278 [2000] Rz 4; Eder Rieder in WK² § 143 Rz 4; vgl auch RIS Justiz RS0094285; 12 Os 19/10a).
Nach den hier wesentlichen Urteilsannahmen kannten der Angeklagte, Josef S*****, Helmut F***** und Heinz N***** einander zumindest seit Oktober/November 1997 und hielten sich fallweise in der Wohnung des Helmut F***** auf, wo sie besprachen, dass man „Geld aufstellen“ müsse. Nachdem Heinz N***** das Kartenkasino in der F*****straße als geeignetes Objekt für einen Raubüberfall genannt hatte, gelang es dem Angeklagten und Josef S***** die späteren Mittäter Heinz N***** und Helmut F***** als Komplizen für den geplanten Raub in diesem Lokal zu gewinnen. In Umsetzung des kurz vor der Tat konkret besprochenen Tatplans - führten Josef S*****, Josef K***** und Heinz N*****, die jeweils bewaffnet und maskiert waren, den Raub wie im Schuldspruch beschrieben aus; Helmut F***** fungierte als Lenker des Fluchtwagens, wartete im Auto auf die die Tat Ausführenden und brachte sie vom Tatort weg. Josef K***** hatte sich so die weiteren Urteilsfeststellungen - „mit seinen abgesondert verfolgten Komplizen verabredet“, „als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung von drei weiteren Bandenmitgliedern unter Verwendung von Faustfeuerwaffen den C*****-Club zu überfallen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben den dort anwesenden Spielern und Angestellten Bargeld und Wertgegenstände mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abzunötigen“ (US 3 ff).
Konstatierungen zu einer Verabredung zur fortgesetzten Begehung von Raubüberfällen durch ein oder mehrere Mitglieder einer zu diesem Zweck gebildeten Verbindung sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.
Die demnach verfehlte Annahme auch des ersten Falls des § 143 StGB (idF BGBl 1987/605) war angesichts der rechtlichen Unterstellung auch unter § 143 zweiter Fall StGB nicht strafsatzbestimmend, wurde aber bei der Sanktionsfindung durch Berücksichtigung der zweifachen Qualifikation des Raubes als erschwerend (US 9) in Anschlag gebracht.
Da die Gesetzesverletzung damit zum Nachteil des Verurteilten wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO), das Urteil im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.