14Os65/10f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wöss als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nusret L***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Nusret L***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 15. Dezember 2009, GZ 12 Hv 147/09b 163, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Nusret L***** zur Gänze sowie in jenem des Menduh D***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (B/I und III) sowie demzufolge auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.
Der Angeklagte Nusret L***** und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Rechtsmitteln auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe :
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche enthält, wurden Nusret L***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB (A) sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und § 12 zweiter Fall StGB (B/II und III) und Menduh D***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und 3 SMG (A/III) sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (B/I und III) schuldig erkannt.
Danach haben, jeweils in mehreren Angriffen, vorschriftswidrig als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung
(A/I und II) Nusret L*****, teils im einverständlichen Zusammenwirken mit anderen, in der Zeit vom August 2008 bis zum Dezember 2008 rund 1,1 kg Heroin von Tschechien sowie Mazedonien aus und nach Österreich eingeführt, wobei er teils als Bestimmungstäter handelte,
(A/III) Nusret L***** und Menduh D***** im einverständlichen Zusammenwirken am 3. Dezember 2008 eine andere beauftragt, ca 200 Gramm Heroin von Tschechien aus und nach Österreich einzuführen,
(B) Suchtgift anderen überlassen, wobei Nusret L***** zum Teil als Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) handelte, nämlich
I) Menduh D***** in der Zeit vom 26. September 2007 bis zum November 2008 rund 1,5 kg Heroin und etwa 120 Gramm Kokain,
II) Nusret L***** in der Zeit vom September 2007 bis zum November 2008 ca 2,1 kg Heroin und 2 Gramm Kokain sowie
III) Nusret L***** und Menduh D***** im einverständlichen Zusammenwirken im Oktober und November 2008 rund 600 Gramm Heroin.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass der dagegen vom Angeklagten Nusret L***** erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass der angefochtenen Entscheidung zum Nachteil beider Angeklagten der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet:
Grundvoraussetzung für einen Schuldspruch nach einem der Tatbestände des § 28a SMG ist, dass der Täter zumindest eine der in § 28a Abs 1 SMG beschriebenen Handlungen in Bezug auf eine Suchtgiftquantität setzt, welche die sogenannte Grenzmenge übersteigt. Als deren Bezugspunkt definiert das Gesetz die Reinsubstanz des jeweiligen Wirkstoffs (§ 28b SMG), aus welchem Grund ein Schuldspruch nach § 28a SMG sowohl zur objektiven als auch zur subjektiven Tatseite Feststellungen genau dazu erfordert.
Demgegenüber lässt die angefochtene Entscheidung schon in objektiver Hinsicht nur zu Teilmengen der von A/III (US 10), B/I (US 7) und B/III (insoweit im Übrigen äußerst vage: US 11) umfassten Suchtgiftquantitäten Konstatierungen zur Wirkstoffkonzentration erkennen.
Diesbezügliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite werden hinsichtlich Nusret L***** überhaupt nicht, in Bezug auf Menduh D***** nur zu einer Teilmenge von 200 Gramm Heroin (US 12) getroffen.
Der Festlegung, vom Vorsatz des Nusret L***** (A/I bis III, B/II und III) und des Menduh D***** (B/I und III) sei jeweils eine das 25 fache der Grenzmenge übersteigende Suchtgiftquantität umfasst gewesen (US 12), mangelt es somit am unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion erforderlichen Sachverhaltsbezug (14 Os 6/10d; Ratz , WK StPO § 281 Rz 8).
Mit Ausnahme des Schuldspruchs des Menduh D***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und 3 SMG (A/III), den schon allein die angeführten Feststellungen zur vorsätzlichen Ein und Ausfuhr von 200 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von etwa 27 % tragen, und der unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freisprüche war die angefochtene Entscheidung daher zu kassieren.
Dabei sei der Vollständigkeit halber festgehalten, dass nach Aufhebung eines Schuldspruchs gemäß § 28a SMG wegen fehlender Feststellungen zur subsumtionsrelevanten Suchtgiftmenge auch jene Annahmen, die einen insoweit nicht erfolgten Schuldspruch nach § 27 Abs 1 SMG allenfalls zu tragen vermögen, nicht bestehen bleiben (RIS Justiz RS0115884; Ratz , WK StPO § 289 Rz 18).
Im Hinblick darauf erübrigt sich das Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Nusret L*****, der mit dieser ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen war.
Um im zweiten Rechtsgang weitere Fehler hintanzuhalten, wird darauf hingewiesen, dass im Referat der Entscheidungsgründe (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zu B/I/2 des Schuldspruchs das tatverfangene Suchtgift nicht genannt wird (US 3).
Überdies wird zu berücksichtigen sein, dass die Subsumtion nach § 28a Abs 1 SMG bei der Ein und Ausfuhr oder beim Überlassen mehrerer, die Grenzmenge zwar nicht für sich allein, wohl aber in Summe übersteigender Quantitäten voraussetzt, dass der Vorsatz des Angeklagten von vornherein auf die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt gerichtet war (RIS Justiz RS0112225), womit es gegebenenfalls auch diesbezüglicher Feststellungen bedarf.