12Os151/09m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gotsmy als Schriftführer in der Strafsache gegen Nenad S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten S***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. April 2009, GZ 064 Hv 80/08i 245, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe :
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Mitangeklagten Alexander R***** sowie Teilfreisprüche beider Angeklagter enthaltenden Urteil wurde Nenad S***** der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (I./1./) und der Schlepperei nach § 114 Abs 2 und Abs 5 erster Fall FPG idF vor BGBl I 2009/122 (I./2./) schuldig erkannt.
Danach hat er soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung in Belgrad
I./1./ im Zeitraum von 1. Juli 2003 bis 14. August 2006 als Beamter des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA), und zwar als Vizekonsul und Leiter der Visa Stelle im Generalkonsulat der österreichischen Botschaft in Belgrad mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf ordnungsgemäße Durchführung fremdenrechtlicher Verfahren und Kontrolle der Einreise in den Schengenraum zu schädigen, seine Befugnisse, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er jeweils unter bewusster Verletzung von Bestimmungen des Schengener Durchführungsübereinkommens (BGBl 1997/90), des Fremdengesetzes (FrG) 1997, des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) 2005, der „Gemeinsamen konsularischen Instruktion an die diplomatischen Missionen und die konsularischen Vertretungen, die von Berufskonsularbeamten geleitet werden (GKI)“ und des vom BMeiA (vormals BMaA) herausgegebenen Arbeitsbehelfs „konsularische Instruktionen (Visa) an die österreichischen Berufsvertretungsbehörden mit Sichtvermerksbefugnis (KI)“ auf folgende Art und Weise trotz Wissens um die jeweils einer Bewilligung entgegenstehenden Hindernisse bzw rechtswidrig ein Prüfverfahren unterlassend rechtswidrig Schengenvisa an nachstehende Person erteilte, und zwar
...
F./ im Zeitraum von 20. Jänner bis 21. Juli 2006 an die im Urteilstenor genannten Personen mit Einladungen der C*****gesellschaft mbH jeweils Schengenvisa unterschiedlicher (nämlich dreimonatiger, sechsmonatiger und einjähriger) Gültigkeitsdauer, obwohl es sich bei diesen um bloße Gefälligkeitsschreiben des ihm persönlich bekannten gesondert verfolgten Predrag Si***** handelte und die Antragsteller tatsächlich in keiner Verbindung zur C*****gesellschaft mbH standen, sondern an Milan J***** und Predrag Si***** Geldbeträge gezahlt hatten;
I./2./ im Zeitraum von 1. März bis 21. Juli 2006 als Beamter, nämlich als Vizekonsul und Leiter der Visa Stelle im Generalkonsulat der österreichischen Botschaft die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder eines Nachbarstaats Österreichs als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bestehend aus ihm, dem gesondert verfolgten Predrag Si***** und dem hiefür zu AZ 064 Hv 80/08i des Landesgerichts für Strafsachen Wien rechtskräftig verurteilten Milan J***** mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, durch die zu einem Teil der zu I./1./F./ beschriebenen strafbaren Handlungen gefördert, wobei die mit den von ihm amtsmissbräuchlich erteilten Schengenvisa ausgestatteten, dort aufgezählten serbischen Staatsangehörigen in der Folge nach Österreich oder in einen anderen Schengenstaat oder in einen Nachbarstaat Österreichs einreisten.
Rechtliche Beurteilung
Der der Sache nach ausschließlich gegen Schuldspruchpunkt I./2/ gerichteten, auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** kommt keine Berechtigung zu.
Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter nicht nur aus den in der Beschwerdeschrift zitierten Erwägungen sondern aus dem gesamten Tathergang und dem Aussageverhalten des Angeklagten eingehend und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungswerte über Kausalzusammenhänge abgeleitet, dieser habe spätestens am 28. Februar 2006 ernsthaft in Betracht gezogen und sich damit abgefunden, dass Predrag Si***** eingeweihte Helfer hatte, sich sohin mehr als zwei Personen zur Tatbegehung vereinigt hatten (US 274 bis 280), und damit das Bestehen einer kriminellen Vereinigung von seinem zumindest bedingten Vorsatz umfasst war. Dass die angeführten Gründe (dem Beschwerdeführer) bloß nicht überzeugend genug scheinen oder neben dem mängelfrei gezogenen Schluss auch noch andere Folgerungen denkbar sind, vermag den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen (RIS-Justiz RS0099535 [T10]).
Nicht nur die Entgeltlichkeit der Tathandlungen des Predrag Si*****, sondern auch den auf dessen Bereicherung gerichteten Vorsatz des Angeklagten hat das Erstgericht entgegen den weiteren Ausführungen der Mängelrüge insbesondere aus dessen eigener Verantwortung erschlossen (US 265 bis 267).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, das Schöffengericht habe in Ansehung des Predrag Si***** lediglich entgeltliches Handeln, nicht aber dessen Bereicherung festgestellt. Sie lässt jedoch die gerade darauf gerichteten Urteilsannahmen (US 187, 191) außer Acht und verfehlt somit die erwiderungsfähige Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 584).
Zu Schuldspruchpunkt I./1./ enthält die Beschwerde trotz des das gesamte Urteil umfassenden Aufhebungsantrags kein Vorbringen (siehe aber §§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Als Rechtsmittel gegen ein Urteil eines Kollegialgerichts stehen die Nichtigkeitsbeschwerde oder die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe bzw über die privatrechtlichen Ansprüche offen. Eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 464 Z 2 StPO) ist zur Anfechtung schöffengerichtlicher Urteile nicht vorgesehen (§§ 280 erster Satz, 283 Abs 1 StPO). Diese (ON 250) war daher ebenso wie die Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.