12Os57/10i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gotsmy als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Herwig B***** wegen der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 18 HR 343/09w, nunmehr 24 Hv 46/10k des Landesgerichts Linz, über die Grundrechtsbeschwerden des Genannten gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Linz vom 24. und 26. März 2010, AZ 8 Bs 54/10p, 8 Bs 85/10x, 8 Bs 104/10s und 8 Bs 105/10p, nach Einsichtnahme durch die Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom 24. März 2010, AZ 8 Bs 105/10p, gab das Oberlandesgericht Linz einer Beschwerde des Mag. Herwig B***** gegen die am 17. März 2010 beschlossene Fortsetzung (ON 460) der über ihn am 5. November 2009 verhängten Untersuchungshaft nicht Folge und setzte diese aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, lit b und lit c StPO fort.
Dabei bejahte das Oberlandesgericht Linz neuerlich den dringenden Verdacht, der Beschuldigte, gegen den zwischenzeitig Strafantrag beim Einzelrichter des Landesgerichts gestellt wurde, habe durch die im Einzelnen beschriebenen Handlungen unter anderem Angehörige der Justiz
dadurch der Gefahr einer behördichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie von Amts wegen zu verfolgender, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohter Handlungen oder der Verletzung von Amts oder Standespflichten falsch verdächtigt habe, obwohl er gewusst habe, dass diese falsch seien,
durch gefährliche Drohung, teils mit dem Tod, mit einer erheblichen Verstümmelung oder mit der Vernichtung der beruflichen Existenz, zu Amtshandlungen genötigt oder zu nötigen versucht,
teils mit dem Tod oder der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen,
widerrechtlich über eine längere Zeit hindurch in einer Weise, die geeignet gewesen sei, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, beharrlich verfolgt und
eine Person zu einer Handlung genötigt (BS 2 bis 10).
Mit Beschlüssen des Einzelrichters des Landesgerichts Linz (im Ermittlungsverfahren) vom 5. Jänner, 16. Februar und 2. März 2010 (ON 211, 361 und 425) wurde Einsprüchen des Beschuldigten gegen die Zurückhaltung von Briefen durch die Staatsanwaltschaft nicht Folge gegeben und dessen Antrag auf Ergänzung des Haftverhandlungsprotokolls abgewiesen. Mit Beschlüssen vom 24. und 26. März 2010, AZ 8 Bs 54/10p, 8 Bs 85/10x, und 8 Bs 104/10s, gab das Oberlandesgericht Linz seinen dagegen gerichteten Beschwerden nicht Folge.
Gegen diese Entscheidungen richten sich die rechtzeitig erhobenen, nicht mit der Unterschrift eines Verteidigers versehenen, von Mag. B***** handschriftlich in überwiegend grob unsachlicher Diktion verfassten Grundrechtsbeschwerden vom 3. und 11. April 2010.
Rechtliche Beurteilung
Die (auch) gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts gemäß § 176 Abs 5 iVm § 174 Abs 4 zweiter Satz StPO gerichtete Grundrechtsbeschwerde vom 3. April 2010 wurde vom Verteidiger zwar gemäß § 3 Abs 2 zweiter Satz GRBG unterfertigt, sie scheitert jedoch wiederum (vgl bereits zu 12 Os 8/10h und 12 Os 43/10f) schon an der Unterlassung entsprechenden deutlichen und bestimmten Vorbringens in der eine Entscheidung über die behauptete Unrechtmäßigkeit seiner „menschenrechtsunwürdigen Zelle“ einfordernden und die Unverhältnismäßigkeit der Entscheidung, die Rechtswidrigkeit der Bewertung durch den befangenen Richter und die Befangenheit des Oberlandesgerichts behauptenden (ON 459 S 4) Beschwerde gegen den Beschluss des Haft- und Rechtsschutzrichters vom 17. März 2010 und demgemäß an der Ausschöpfung des Instanzenzugs (12 Os 8/10h mwN).
Im Übrigen werden die Ausführungen Mag. B*****s den zu AZ 12 Os 8/10h eingehend dargelegten Formalerfordernissen einer Grundrechtsbeschwerde nicht gerecht, erschöpfen sie sich doch in eigenständigen gegen die Annahme dringenden Tatverdachts und das Vorliegen von Tatbegehungsgefahr gerichteten Erwägungen, die jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Beschlusses vermissen lassen. Solcherart entzögen sie sich neuerlich auch inhaltlicher Erwiderung.
Weiters wird darauf hingewiesen, dass der Beschuldigte gemäß § 52 Abs 1 StPO insoweit kein Recht auf Ausfolgung oder Herstellung von Aktenkopien hat, als dieses wie hier durch einen Verteidiger ausgeübt wird ( Achammer , WK-StPO §§ 51 bis 53 Rz 8, § 57 Rz 8).
Schließlich stellt § 178 Abs 2 StPO nicht auf den Zeitpunkt der formellen Feststellung der darin genannten Voraussetzungen ab, sondern auf deren tatsächliches Vorliegen, sodass die Untersuchungshaft selbst nach Ablauf der mit Beginn der Hauptverhandlung entfallenden Sechsmonatsfrist verlängert werden kann ( Kirchbacher/Rami , WK StPO § 178 Rz 12 mwN). Dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 24. März 2010 den Ablauf der durch ihn ausgelösten Haftfrist (deklarativ; vgl Kirchbacher/Rami , WK StPO § 174 Rz 21) mit 25. Mai 2010 feststellte, begegnet daher der Ansicht des Beschwerdeführers zuwider keinen Bedenken.
Die in beiden Grundrechtsbeschwerden gerügten Beschränkungen des Briefverkehrs durch die Staatsanwaltschaft waren für die Festnahme oder (weitere) Anhaltung nicht ursächlich und stellen damit keine mit Grundrechtsbeschwerde anfechtbare strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung iSd § 1 Abs 1 GRBG dar (vgl RIS Justiz RS0060991). Weshalb es sich bei der Abweisung seines Antrags auf Protokollergänzung um eine solche handelt der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 24. März 2010, AZ 8 Bs 104/10s, daher mit Grundrechtsbeschwerde bekämpfbar sein sollte, legt sie nicht dar.
In Ansehung der Beschwerde vom 11. April 2010 war daher ein Vorgehen nach § 3 Abs 2 zweiter Satz GRBG jedenfalls nicht geboten (RIS Justiz RS0061469).
Die Grundrechtsbeschwerden erweisen sich demnach als unzulässig und waren daher zurückzuweisen.