14Os60/10w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Stuhl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Harald J***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 121 Hv 52/10v (früher 323 HR 424/09p) des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. September 2009, GZ 323 HR 424/09p 12 (in ON 8) und vom 8. März 2010, GZ 323 HR 424/09p 41, sowie des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 25. März 2010, AZ 20 Bs 101/10i, 102/10m (ON 48), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe :
In dem gegen Harald J***** geführten Ermittlungsverfahren erließ die Staatsanwaltschaft Wien am 18. September 2009 eine Festnahmeanordnung wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung, welche mit Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. September 2009 bewilligt wurde (ON 12 S 9). Der Beschuldigte befand sich zu diesem Zeitpunkt in Strafhaft zu AZ 112 Hv 2/06v des Landesgerichts für Strafsachen, welche am 12. November 2009 endete.
Mit Beschluss vom 13. November 2009 (ON 14, 15) verhängte der Journalrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien antragsgemäß über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO. Eine Ausfertigung der Bewilligung der Festnahmeanordnung wurde dem Beschuldigten erst am 17. März 2010 ausgefolgt (ON 14 S 3).
Mit Entscheidung vom 25. März 2010 (ON 48) gab das Oberlandesgericht Wien den gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. März 2010 (ON 41), mit welchem die Untersuchungshaft (neuerlich, siehe ON 22, 28, 29 und 33) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO fortgesetzt worden war, und auf Bewilligung der Festnahmeanordnung vom 25. September 2009 (ON 12 S 9) erhobenen Beschwerden nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus dem vom Erstgericht angenommenen Haftgrund bis längstens 13. Mai 2010 (§ 178 Abs 2 StPO) fort.
Die von Harald J***** erhobene Grundrechtsbeschwerde wendet sich „so wie bisher gegen die in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien bezeichneten Beschlüsse“ (des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. September 2009 und vom 8. März 2010), releviert ohne die Annahme des Vorliegens von dringendem Tatverdacht und von Haftgründen zu problematisieren die Verletzung des § 171 Abs 3 StPO sowie die falsche Schreibweise seines Familiennamens im die Festnahmeanordnung bewilligenden Beschluss und behauptet eine Verletzung des Beschleunigungsgebots durch Untätigkeit des Gerichts und der Staatsanwaltschaft zwischen 26. Dezember 2009 und 4. März 2010.
Rechtliche Beurteilung
Gegenstand des Grundrechtsbeschwerde- verfahrens können nur gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen sein, gegen die kein Rechtsmittel zulässig ist oder Rechtsmittelentscheidungen, die keinem weiteren Instanzenzug unterliegen. Im letzten hier vorliegenden Fall aber nur diese und nicht auch vorangegangene Entscheidungen ( Hager/Holzweber , GRGB § 1 E 21; RIS Justiz RS0061078), sodass die Grundrechtsbeschwerde soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien wendet aus diesem Grund zurückzuweisen war.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass durch die Überschreitung der Frist von 24 Stunden, binnen welcher die Zustellung der gerichtlichen Bewilligung der Festnahme an den Beschuldigten erfolgen muss (§ 171 Abs 3 erster Satz StPO), eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit nicht bewirkt werden kann, weil diese Gesetzesverletzung weder auf die Festnahme an sich noch auf die Dauer der Anhaltung Einfluss hat (vgl 15 Os 150/00).
Soweit die Beschwerde („... möge aussprechen, dass eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit des Angeklagten durch die Entscheidungen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ... und durch die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, 20 Bs 101/10i, 20 Bs 102/10m, vom 25. 3. 2010 erfolgt ist ...“; ON 55 S 5) auch als gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 25. März 2010 gerichtet anzusehen ist, unterlässt sie die gebotene Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Beschwerdegerichts und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (RIS Justiz RS0106464).
Mit der Behauptung eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot scheitert die Grundrechtsbeschwerde zudem an der nach Maßgabe des § 1 Abs 1 GRBG verlangten, nicht bloß formalen (nämlich Anrufung des Beschwerdegerichts), vielmehr auch inhaltlichen Ausschöpfung (vgl § 88 Abs 1 erster Satz StPO) des Instanzenzugs. Demnach sind im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde nämlich nur jene nicht allein die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts betreffenden Argumente iSd § 3 Abs 1 GRBG beachtlich, welche der Beschwerdeführer bereits in einer zulässigen Beschwerde gegenüber dem Rechtsmittelgericht geltend gemacht hatte. Die durch § 61 Abs 1 Z 1 StPO angeordnete notwendige Verteidigung „im gesamten Verfahren, wenn und solange“ der Beschuldigte „in Untersuchungshaft oder gemäß § 173 Abs 4 StPO angehalten wird“, ermöglicht ohne weiteres die Einhaltung dieser (bloß) in Betreff der Beschwerdeausführung vor dem Höchstgericht geltenden Prozessvorausetzung (13 Os 55/09a, 13 Os 73/09y, 14 Os 140/09m).
Die Beschwerde war daher insgesamt ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRGB) zurückzuweisen.