15Os192/09p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Strohmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Michael O***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 10. August 2009, GZ 39 Hv 111/08k 132, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe :
Mit dem angefochtenen (im zweiten Rechtsgang ergangenen) Urteil, das auch einen weiteren Freispruch vom Vorwurf der betrügerischen Krida enthält, wurde - soweit bekämpft und daher für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung - Michael O***** von dem wider ihn erhobenen Anklagevorwurf (I./),
er habe in K***** und an anderen Orten als Geschäftsführer der L*****gesellschaftmbH mit dem Vorsatz, das genannte Unternehmen durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, zwölf im Urteilstenor namentlich bezeichnete Transportunternehmen von September 2001 bis 19. März 2002 (US 3f) durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Verschweigen der Zahlungsunfähigkeit, der wahren wirtschaftlichen und finanziellen Situation des Unternehmens sowie der in naher Zukunft beabsichtigten Konkursantragstellung, zu Handlungen, nämlich zur Übernahme von Aufträgen und Erbringung von Transport- und Frachtleistungen in einem Gesamtwert von 447.673,80 Euro, verleitet und durch seine Mitarbeiter (Disponenten) verleiten lassen, welche die Getäuschten bzw die von ihnen vertretenen Unternehmen in einem 40.000 Euro übersteigenden Gesamtbetrag am Vermögen schädigten, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Die Staatsanwaltschaft bekämpft diesen freisprechenden Teil des Urteils mit einer auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Die Mängelrüge (Z 5) richtet sich gegen die - im Rahmen der Beweiswürdigung wiederholte - Ablehnung einer Feststellung darüber, ob sich der Angeklagte damit abfand, dass die L*****gesellschaftmbH ab September 2001 neu eingegangen Verpflichtungen nicht mehr werde bezahlen können, zumal nicht ausschließbar sei, dass er immer (noch) darauf vertraute, die finanzielle Lage des Unternehmens bzw der gesamten von ihm kontrollierten Firmengruppe werde sich verbessern und die eingegangenen Verbindlichkeiten letztlich beglichen (US 12, 27).
Soweit die Beschwerde die - im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellte - Einschätzung der Tatrichter, wonach der Angeklagte „zum Teil jahr (zehnt )elang mit den geschädigten Firmen in Geschäftsbeziehung stand" (US 27), als (aktenwidrige) Scheinbegründung bemängelt, übersieht sie einerseits die Schilderung des Angeklagten, welcher diese Firmen als langjährige Kunden bezeichnete (ON 131 S 7) und andererseits den Anfechtungsrahmen der Z 5. Es handelt sich nämlich um einen Umstand, den das Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung bloß illustrativ zur Überzeugungskraft der Verantwortung des Angeklagten anführte. Der - unter Z 5 vierter Fall - gleichermaßen in Frage gestellte kritisch psychologische Vorgang, welcher die Tatrichter aufgrund eines gewonnenen persönlichen Eindrucks zur Überzeugung von der Aussageehrlichkeit des Angeklagten führte, ist als solcher einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS Justiz RS0106588).
Mit dem Einwand, die Tatrichter hätten eine Erörterung des Schreibens der K***** mbH Co KG vom 16. Februar 2002 (ON 14 S 185 ff), des Prüfberichts der E***** AG aus dem Jahre 1999 (Prüfbericht des Sachverständigen Rudolf Kö*****, ON 18 Bl 9) sowie des Schreibens der S***** vom 14. November 2001 (ON 13 S 315) unterlassen, nimmt die Beschwerde nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, in welchen der Inhalt der angesprochenen Schriftstücke durchaus Erwähnung fand (US 11, 13, 15, 18f, 26, 32).
Gleichermaßen legt die Beschwerde nicht dar, weshalb der - wiederholt vorgenommene (US 12 ff, 27) - Verweis auf die Zeugenaussagen von Mag. Walter H***** und Gottfried He***** eine - von ihr behauptete - den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechende, sich in bloß zirkulären Überlegungen erschöpfende Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) darstelle. Vorliegend hat das Erstgericht - in Entsprechung der Bestimmung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO - im Urteil die entscheidenden Tatsachen in gedrängter Form bezeichnet sowie seine - zur Negativfeststellung (betreffend das voluntative Element der subjektiven Tatseite des Angeklagten) führenden - Erwägungen schlüssig und zureichend begründet (US 29, 32), ohne dagegen sprechende, wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen. Dabei traf das Schöffengericht ausführliche Feststellungen über die Vorgeschichte, die unternehmerischen Gegebenheiten und die anklagegegenständlichen Geschäftsfälle, wobei die Entscheidungsgrundlagen nicht nur in der Beweiswürdigung, sondern auch im Rahmen der Feststellungen - jeweils in Klammer - bezeichnet wurden. Soweit die Beschwerde eine andere Bewertung des vom Erstgericht berücksichtigten Beweismaterials unternimmt, greift sie unzulässig das Beweiswürdigungsermessen des Schöffengerichts an ( Ratz, WK StPO § 281 Rz 451).
Inwiefern die Urteilsaussage, der Angeklagte habe es zwar „für möglich gehalten", dass die L*****gesellschaftmbH die neu eingegangenen Verbindlichkeiten nicht bezahlen könne, jedoch „möglicherweise darauf vertraut", dass sich die finanzielle Lage verbessern und er die eingegangenen Verbindlichkeiten, wenn auch mit Verzögerungen, letztlich begleichen werde (US 12, 27) mit der weiteren Konstatierung logisch unvereinbar (Z 5 dritter Fall) sei, wonach „nicht feststellbar ist, dass er sich mit einer solchen Schädigung der Gläubiger abgefunden hat" (US 12, 27), entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil die Feststellung, dass ein Täter den Eintritt eines Schadens ernsthaft für möglich hält, noch keinen Schluss auf das voluntative Element des bedingten Vorsatzes zulässt.
Unter Zitierung der Urteilspassage, wonach eine Vorstellung des Angeklagten auf Bezahlung der Forderungen „mit Verzögerung" nicht ausschließbar ist (US 12), und dem rechtlichen Hinweis, dass es für die Annahme eines Betrugsschadens nicht erforderlich ist, dass der vom Täter bewirkte Schaden ein dauernder ist (vgl 9 Os 89/86 [= JBl 1986, 801]), zieht die Beschwerde bloß den eigenen Schluss, der Angeklagte habe sich mit einer (allenfalls vorübergehenden) Schädigung der Gläubiger durch verspätete Leistung abgefunden. Solcherart entfernt sie sich vom Urteilssachverhalt und zeigt auch nicht auf, weshalb ein Handeln des Angeklagten im - wenn auch leichtfertigen - Vertrauen darauf auszuschließen sei, keinen Schaden oder eine allenfalls durch Verzinsung abgegoltene nur unbeträchtliche Verspätung zu bewirken.
Unter diesem Gesichtspunkt lässt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die gebotene umfassende Orientierung an den (positiv wie negativ) getroffenen Urteilskonstatierungen vermissen, indem sie vom Urteilssachverhalt abweichende Feststellungen „als impliziert" fordert, ohne sich auf den Vergleich des Tatsachensubstrats des angefochtenen Freispruchs zu beschränken und aus dem Gesetz abzuleiten, weshalb die im Urteil enthaltenen Feststellungen den Freispruch nicht rechtfertigten; die bloße Kritik, das Erstgericht habe „jegliche Feststellungen zu einem Täuschungs- und Bereicherungsvorsatz" unterlassen, reicht zu prozessordnungsgemäßer Darstellung einer Rechtsrüge nicht hin ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 584).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).