15Os173/09v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer in der Strafsache gegen Sinisa S***** und Musa T***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 20. Jänner 2009, GZ 41 Hv 156/08k-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Sinisa S***** und Musa T***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie in der Nacht zum 15. April 2007 in S***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken Elisabeth Z*****, die aufgrund ihrer Alkoholbeeinträchtigung zunächst schlief und sich in der Folge in einem Dämmerzustand befand, sohin wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass sie an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahmen, indem Sinisa S***** ihr ein Handy in die Vagina einführte und Musa T***** sie dabei mit einem weiteren Handy filmte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung der Elisabeth Z***** zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten, inhaltlich jedoch identen auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden. Die Rechtsmittel verfehlen ihr Ziel.
Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurde der Arztbericht der C*****-Klinik S***** nicht mit Stillschweigen übergangen, sondern von den Tatrichtern bei ihren Erwägungen ebenso berücksichtigt (US 11, 32 f) wie der Umstand, dass die Anzeige erst fünfeinhalb Monate nach der Tat erstattet wurde, von ihnen bedacht wurde (US 12, 15). Dass aus diesen Beweisergebnissen auch für die Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, ist als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0098400). Wieso das Faktum, dass der Vater des Tatopfers vom Beruf Rechtsanwalt ist, gesondert erörterungsbedürftig wäre, vermag die Beschwerde nicht darzulegen.
Mit der Aussage der Zeugin R***** haben sich die Tatrichter ausführlich auseinandergesetzt, so auch mit ihren einschränkenden Ausführungen, sie könne nicht 100%ig sagen, ob das Mädchen auf dem Video Elisabeth Z***** sei (US 30 f). Den Umstand, dass die Zeugin bei ihrer Vernehmung nervös und angespannt war, hat das Erstgericht ebenfalls berücksichtigt (US 17, 28 ff), daraus aber andere Schlüsse als die Nichtigkeitswerber gezogen, nämlich dies auf eine soziale Drucksituation zurückgeführt. Die weiteren beweiswürdigenden Erwägungen der Rüge, es sei notorisch, dass die Erinnerungsfähigkeit eines erheblich Betrunkenen - die Zeugin hatte angegeben, sie selbst sei eher betrunken gewesen - eine sehr vage und unzuverlässige sei, verbleibt im Spekulativen. Schließlich sind die Beschwerdeführer daran zu erinnern, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Zeugin aufgrund des von dieser in der Hauptverhandlung gewonnen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588).
Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 490). Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) das Vorbringen der Mängelrüge wiederholt, pauschal auf die entlastenden Aussagen der Zeugen Günther W*****, Manuel P*****, Isabella Wa***** und des Mitangeklagten Musa T***** verweist (mit denen sich die Tatrichter explizit auseinandergesetzt haben [US 16, 19, 20, 23 ff]) und neuerlich aus dem bereits erwähnten Arztbericht eigenständige beweiswürdigende Schlüsse zieht, vermag sie beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen zu wecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.