15Os157/09s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer in der Strafsache gegen Jasminka D***** und Zoran S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Juni 2009, GZ 071 Hv 145/08z-208, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurden Jasminka D***** (als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB) und Zoran S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 (D***** auch Z 2), 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB schuldig erkannt.
Danach haben - zusammengefasst -
I. Jasminka D***** gewerbsmäßig und mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, zu strafbaren Handlungen des abgesondert verfolgten Nebojsa M***** beigetragen (§ 12 StGB), indem sie mittels Mobiltelefon mit diesem Kontakt hielt und Aufpasserdienste leistete, während er in einer Vielzahl von Angriffen gewerbsmäßig fremde bewegliche, im Urteil beschriebene Sachen in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch, nämlich Aufbrechen von Häusern und Wohnungen, teilweise auch durch Aufbrechen eines Behältnisses, mit dem Vorsatz wegnahm bzw wegzunehmen versuchte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
II. Zoran S***** gewerbsmäßig im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Großteils unbekannten Mittätern in einer Vielzahl von Angriffen fremde bewegliche, im Urteil näher beschriebene Sachen in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch, nämlich Aufbrechen von Häusern und Wohnungen, mit dem Vorsatz weggenommen bzw wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
Diese Schuldsprüche bekämpfen die Angeklagten mit jeweils auf Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden. Beide Rechtsmittel verfehlen ihr Ziel.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Jasminka D*****:
In der Hauptverhandlung vom 5. Juni 2009 hatte die Beschwerdeführerin ihren Reisepass vorgelegt, um anhand der Einreisestempel nachzuweisen, dass sie sich vom 16. November bis 24. November 2007 nicht in Österreich befunden hätte und somit nicht für die in diesen Tatzeitraum fallenden Fakten der Anklageschrift verantwortlich sein könne. Das Schöffengericht beschloss daraufhin die Ausscheidung dieser Fakten (A.I.7. bis 13.) „zur Vermeidung von Verzögerungen zwecks Veranlassung der kriminaltechnischen Untersuchung" (ON 207/S 7).
Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) in diesem Zwischenerkenntnis auf Ausscheidung der Fakten eine Verletzung des Rechts der Angeklagten auf ein faires Verfahren erblickt, mangelt es ihr bereits an dem formellen Erfordernis eines Widerspruchs gegen den Beschluss des Schöffengerichts (Fabrizy StPO10 § 281 Rz 36). Sie verfehlt solcherart die gebotene Orientierung am Verfahrensrecht. Eine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Fabrizy StPO10 § 281 Rz 47). Indem die Beschwerde unter diesem Nichtigkeitsgrund vorbringt, das Urteil beruhe auf einer Analyse der Ergebnisse der Telefonüberwachungen des Zeugen F*****, die für alle Fakten (und somit auch für die ausgeschiedenen, zu deren Tatzeiten sich die Angeklagte im Ausland befunden habe) gleichlautend sei und daraus folgert, die Beweiswürdigung sei daher insgesamt unrichtig, das Gericht hätte die Angeklagte „im Zweifel" freisprechen müssen, so bringt sie damit weder eine Aktenwidrigkeit noch einen anderen Begründungsmangel zur Darstellung, sondern unterzieht lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Kritik nach Art einer Berufung wegen Schuld. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass eine kriminaltechnische Untersuchung des Reisepasses der Erstangeklagten ergeben hat, dass es sich bei den in Rede stehenden Ein- und Ausreisestempel um Fälschungen handelt (ON 229).
Die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermissten Konstatierungen zur subjektiven Tatseite finden sich auf US 28, jene zur „objektiven Tatseite" auf US 27 f, wonach die Erstangeklagte zu den strafbaren Handlungen des Nebojsa M***** die dort näher beschriebenen Aufpasserdienste leistete.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zoran S*****:
Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung bzw Nichterledigung mehrerer in der Hauptverhandlung gestellter Beweisanträge. Die Ladung des Zeugen Goran T*****, zum Beweis dafür, „dass die Wohnung nicht an den Zweitangeklagten S*****, sondern an P***** weitergegeben wurde, und daher P***** dort gewohnt hat während des fraglichen Zeitraumes", konnte ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben, weil die Tatrichter ohnehin davon ausgingen, dass sich auch andere Personen in dieser Wohnung aufhielten oder auch genächtigt haben (ON 179/S 41). Somit konnten auch andere Personen mit den vom Zweitangeklagten dort gelagerten Handys Telefonate führen. Gleiches gilt für die zum gleichen Themenkomplex beantragte Vernehmung des Zeugen Boran Mi***** (ON 150/S 29), der überdies ohnehin in der Hauptverhandlung ausgesagt hat (ON 179/S 13 ff).
Die Zeugen Dr. Peter G*****, Robert O*****, Brenda-Valeas A***** und Robert P***** wurden - soweit erreichbar (vgl ON 198/S 15) - in der Hauptverhandlung vom 15. Mai 2009 vernommen. Wieso es im Hinblick darauf, dass diese Zeugen den Zweitangeklagten nicht identifizieren konnten (ON 198/S 7, 13, 17) zusätzlich einer Wahlkonfrontation bedurft hätte, vermag die Nichtigkeitsbeschwerde nicht darzulegen. Der Antrag auf Einholung eines DNA-Gutachtens hinsichtlich eines sichergestellten „Handschuhfragments" (Abdruck eines Handschuhs auf einem Gegenstand; ON 140/S 43) wurde zu Recht abgewiesen, weil an diesem - wie der Polizeibeamte K***** erklärte (ON 144/S 21) - keine Spuren gesichert wurden.
Ein DNA-Gutachten zwecks Vergleichs der sichergestellten Tatortspuren mit der DNA des Zweitangeklagten wurde tatsächlich eingeholt (ON 154, 161, 194), die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der Hauptverhandlung auch verlesen (ON 179/S 41; ON 198/S 17). Zu Recht unterblieb die Einholung eines Gutachtens des Anstaltsarztes Dr. Ka***** zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „verunfallt war und mehrere Monate einen Gips trug und demnach unfähig zur Straftatverübung war" (ON 150/S 31), legte der Antragsteller doch nicht dar, weshalb eine Expertise des Arztes, der den Angeklagten nach seiner Verhaftung am 29. März 2008 untersucht hatte, zu den Folgen eines Unfalls am 16. September 2007 Aussagen treffen könne (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO). Im Übrigen betrifft ein von der Beschwerde ins Treffen geführtes Beispiel für die Unmöglichkeit, mit gebrochenem Arm in eine Wohnung einzubrechen, gerade ein Faktum, zu dem der Zweitangeklagte geständig war (Faktum II.16.; US 33 f, 100). Der nunmehr reklamierte Antrag auf Anhörung und Übertragung der Tonbandprotokolle der Hauptverhandlungen vom 20. März und 17. April 2009 um „dem genauen Wortlaut der Ablehnung des Fragerechts durch das Gericht hinsichtlich der Zeugen K***** und Mi***** in die protokollarische Niederschrift aufzunehmen" (ON 197 iVm ON 198/S 19) wurde vom Verteidiger ausdrücklich zurückgezogen (ON 207/S 11), nachdem die Vorsitzende berichtet hatte, dass die Tonbandaufzeichnungen bereits gelöscht seien (ON 207/S 3). Soweit dies vom Beschwerdeführer auch aus Z 3 des § 281 Abs 1 StPO gerügt wird, übersieht er, dass mit Nichtigkeit nur der Fall bedroht ist, dass überhaupt kein Protokoll geführt wird (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 262).
Der Antrag auf neuerliche Vernehmung der Zeugen K***** und Mi***** zum Beweis dafür, „dass vom Zweitangeklagten die Nummern, die der Zeuge angegeben hat, keinesfalls angerufen werden konnten, da sich das Handy mit der Endzahl 1028 weder in seinem Besitz noch in seinem Eigentum befand und auch überführend zum zweiten Beweisthema durch Heranziehung der bereits durchgeführten Tonbandaufnahmen, aus welchen sich aus den abgehenden Anrufen ergibt, dass die vom Zeugen angegebenen Nummern nie angerufen wurden" (ON 198/S 19 f), unterblieb zu Recht, konnte der Antragsteller doch nicht angeben, aus welchen Gründen zu erwarten wäre, dass die bereits vernommenen und von der Verteidigung befragten Zeugen nunmehr etwas anderes aussagen sollten. Im Übrigen wurden ohnehin über Auftrag des Gerichts Erhebungen zur Rufnummer ***** durchgeführt (ON 201) und die Ergebnisse in der Hauptverhandlung vom 5. Juni 2009 verlesen (ON 207/S 3). Die beantragte Besichtigung der Wohnung ***** Wien, I*****straße *****, zum Beweis dafür, dass in der Wohnung Schlafplätze für mindestens vier Erwachsene bestünden, konnte wegen Unerheblichkeit ebenfalls unterbleiben, ging das Gericht doch davon aus, dass sich zumindest zeitweise mehrere Personen in der Wohnung befanden. Die Feststellungen der Tatrichter zum Zeitpunkt der Einreise des Zweitangeklagten nach Österreich (US 33: „er kam in der Zeit zwischen Anfang September 2007 und 13. September 2007 nach Wien.") sind weder undeutlich noch aktenwidrig (Z 5 erster und fünfter Fall). Insbesondere können diese Nichtigkeitsgründe auch nicht aus von der Vorsitzenden in der Hauptverhandlung gemachten Vorhalten abgeleitet werden.
Das Motiv für die Tathandlungen stellt keine entscheidende Tatsache dar, sodass schon deshalb auf Erwägungen hiezu keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) gegründet werden kann. Mit der Verantwortung des Angeklagten, er sei erst am 20. September 2007 nach Österreich gekommen, hat sich das Erstgericht ebenso auseinandergesetzt (US 107) wie mit seiner Einlassung, er habe nicht alleine in der Wohnung in ***** Wien, I*****straße gewohnt (US 108). Indem die Beschwerde releviert, die exakte Zuordnung der in der Wohnung vorhandenen Handys sei völlig unklar geblieben, bekämpft sie bloß - unzulässigerweise - die Beweiswürdigung der Tatrichter. Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde bemängelt, die Auswertung der Rufdaten biete lediglich statistische Werte und somit nicht die gebotene Sicherheit für die Zuordnung von Einbruchsdiebstählen zum Angeklagten, geht sie von der falschen Prämisse aus, dass bei der Beweiswürdigung logisch zwingende Schlüsse erforderlich wären (RIS-Justiz RS0099535; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449). Auch haben die Tatrichter nicht nur pauschal aufgrund von polizeilichen Hypothesen über die Zuordnung von Einlogg-Daten zu den Tatorten auf die Täterschaft des Angeklagten geschlossen, sondern dies in jedem Einzelfall konkret dargestellt und auch auf weitere Beweismittel gegründet (US 113 ff). Die Erwägungen der Rüge hiezu stellen neuerlich bloß eine Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung dar, ohne einen Begründungsmangel iSd Z 5 aufzeigen zu können. Warum es einen inneren Widerspruch (Z 5 dritter Fall) darstellen sollte, wenn auch Freisprüche mit dem „nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt" der Tat begründet wurden, vermag die Beschwerde nicht anzugeben. Die vom Beschwerdeführer gegen die Zuordnung der vorgefundenen Handys zu potentiellen Tätern vorgebrachten beweiswürdigenden Erwägungen verbleiben ebenfalls auf der Ebene der in diesem Anfechtungsrahmen nicht relevanten Beweiswürdigungskritik.
Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Fabrizy StPO10 § 281 Rz 47). Dass die Tatrichter aus den Aussagen der Zeugen Dr. Peter G***** und Robert O***** unter korrekter Wiedergabe dieser Depositionen andere Schlüsse gezogen haben als der Beschwerdeführer, stellt diesen Nichtigkeitsgrund nicht dar.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet Rechtsfehler mangels Feststellungen, legt aber nicht dar, welche Konstatierungen zu den Tathandlungen über die - von ihr selbst zitierten - hinaus, wonach der Zweitangeklagte in die Wohnungen und Häuser einbrach, indem er die Schlosszylinder der Wohnungseingangstüren abdrehte, Balkontüren aufzwängte bzw Verglasungen einschlug oder Fenster aufquerte (US 33), erforderlich sein sollten. Der Darstellung eines „konkreten modus operandi" bedarf es jedenfalls nicht. Die weggenommenen Sachen und deren Wert ergeben sich aus dem - zulässigen - Verweis auf die im Spruch aufgelisteten und damit konkretisierten Gegenstände (US 34). Gleiches gilt in Ansehung des identen Beschwerdevorbringens zu den (bloß) versuchten (§ 15 StGB) Tathandlungen.
Indem die Rechtsrüge schließlich fehlende Feststellungen zur Zuordnung der verwendeten Mobiltelefone vermisst, unterzieht sie einmal mehr bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter einer Kritik nach Art der im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen Schuld.
Der im Rahmen der Berufung wegen Strafe vorgebrachte Vorwurf des Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot (Z 11 zweiter Fall) erweist sich als nicht berechtigt. Die Wertung der doppelten Deliktsqualifikation als erschwerend verletzt das Doppelverwertungsverbot nämlich nur dann, wenn und soweit das Vorliegen von zur Erfüllung der einen Qualifikation erforderlichen Merkmalen zu den Voraussetzungen der strenger strafbedrohten anderen zählt (RIS-Justiz RS0116020). Dies ist aber bei Annahme von gewerbsmäßig schweren (§ 128 Abs 2 StGB) und durch Einbruch (§ 129 Z 1 StGB) qualifizierten Tathandlungen nicht gegeben. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der in der Äußerung der Verteidigung vertretenen Ansicht - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.