11Os202/09d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Jänner 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Metzler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gurpreet S***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, AZ 28 U 159/08b des Bezirksgerichts Leopoldstadt, über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 25. März 2009 (ON 10) und des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2009, AZ 134 Bl 76/09h, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Urteile des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 25. März 2009, GZ 28 U 159/08b-10, und des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2009, AZ 134 Bl 76/09h, verletzen § 141 Abs 2 StGB.
Beide Urteile werden aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Text
Gründe:
Gurpreet S***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 25. März 2009, GZ 28 U 159/08b-10, in seiner Abwesenheit - abweichend von dem auf Diebstahl nach §§ 15, 127 StGB gerichteten Strafantrag (ON 3) - des Vergehens der (versuchten) Entwendung nach §§ 15, 141 (zu ergänzen: Abs 1) StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Angeklagte „am 22. September 2008 in Wien 20. zur Befriedigung eines Gelüstes eine Sache geringen Werts, nämlich eine Flasche Whisky um 19,99 EUR, Verfügungsberechtigten der Firma M***** zu entziehen versucht". Der gegen dieses Urteil erhobenen (als „Einspruch" titulierten) Berufung des Angeklagten (ON 13) gab das Landesgericht für Strafsachen Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 23. Oktober 2009, AZ 134 Bl 76/09h (ON 18), (bloß) in Ansehung des Ausspruchs über die Strafe Folge, indem es die Anzahl der verhängten Tagessätze herabsetzte; hingegen wies es dessen Berufung wegen Nichtigkeit als unzulässig zurück und gab jener wegen Schuld nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Diese beiden Urteile stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Eine Verurteilung wegen des Vergehens der Entwendung nach § 141 Abs 1 StGB darf gemäß Abs 2 leg cit nur mit Ermächtigung des Verletzten erfolgen. Dass die Verurteilung für eine Ermächtigung der M***** AG gründet, kann den - für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs maßgeblichen (jüngst 13 Os 184/08w) - Entscheidungsgründen nicht entnommen werden. Nach der Aktenlage lag auch eine solche Ermächtigung der M***** AG weder zum Zeitpunkt des Einbringens der Anklage (§ 92 Abs 2 erster Satz StPO) noch bei Schluss der Verhandlung (§ 257 StPO) vor.
Der Schuldspruch des Angeklagten durch das Bezirksgericht Leopoldstadt verletzte somit das Gesetz in der Bestimmung des § 141 Abs 2 StGB. Gleiches gilt für die Entscheidung des Berufungsgerichts, das diese - materielle Nichtigkeit nach § 468 Abs 1 Z 4 (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b) StPO begründende - Gesetzesverletzung nicht wahrgenommen hat.
Da sich die Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, sah sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 292 letzter Satz StPO veranlasst, beide Urteile aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht zu verweisen.