11Os195/09z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gabriel B***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Gabriel B***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. September 2009, GZ 95 Hv 57/09m-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Mitangeklagten Marek D***** enthält, wurde Gabriel B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 21. März 2009 in Wien mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, Marek D***** dazu bestimmt, Elfriede K***** fremde bewegliche Sachen, nämlich deren Handtasche mit etwa 185 Euro Bargeld mit Gewalt gegen ihre Person wegzunehmen, wobei die Gewaltanwendung eine schwere Verletzung der Elfriede K*****, nämlich einen Oberschenkelhalsbruch zur Folge hatte, indem er Marek D***** aufforderte, der Frau, die sie in der Straßenbahn bereits gesehen hatten, die Tasche zu entreißen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 1, 3 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Mit der Besetzungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) kritisiert der Angeklagte in offenbarer Unkenntnis des durch BGBl I 2009/52 geänderten § 32 Abs 1 letzter Satz StPO (aber auch der mit diesem Nichtigkeitsgrund verbundenen Rügeobliegenheit) eine vermeintlich unrichtige, der genannten Bestimmung jedoch entsprechende Besetzung des Schöffengerichts. Auf sie war daher nicht näher einzugehen. Die Verfahrensrüge macht geltend, aufgrund einer „absurden Äußerung des Zweitangeklagten" wäre das Erstgericht dazu verhalten gewesen, dessen Verhandlungsfähigkeit zu überprüfen, weswegen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO vorläge. Damit bezeichnet der Beschwerdeführer nicht deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO), welche Verfügung des Gerichts angesichts der tatsächlichen Lage im Verfügungszeitpunkt rechtlich verfehlt gewesen sein soll und entzieht sich solcherart - auch in Anbetracht des bei der Hauptverhandlung bereits vorliegenden psychiatrisch-neurologischen Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen zur Person des Zweitangeklagten (ON 44) - ebenfalls einer inhaltlichen Erwiderung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 49, 249).
Als unvollständig und aktenwidrig erachtet der Angeklagte in der Mängelrüge, dass das Gericht seine Feststellungen auf die belastenden, aber in sich widersprüchlichen Angaben des Mitangeklagten gestützt habe. Er übersieht dabei, dass Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) nur bei einer unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe des eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalts einer Aussage oder Urkunde in den wesentlichen Teilen vorliegt und Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nur dann, wenn das Gericht bei der Feststellung entscheidender Tatsachen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche nicht würdigt oder seinen Feststellungen widerstreitende Beweisergebnisse nicht erörtert.
Die exakte Wortwahl eines Täters bei der Bestimmung eines anderen stellt unter dem Aspekt eines Begründungsdefizits keinen wesentlichen Teil einer entscheidenden Tatsache dar, zumal sich die gerügte Formulierung „... und die Frau hat sicher Geld in ihrer Handtasche ..." ohnedies in ON 4 S 3 (und ähnlich in ON 62 S 9 und S 11) findet. Überdies hat sich das Erstgericht aber umfänglich mit der Verantwortung beider Angeklagter auseinandergesetzt und begründet, aus welchem Grund es den Angaben des Zweitangeklagten gefolgt ist (US 7 ff). Der Beschwerdeführer bekämpft im Ergebnis daher bloß in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter, ohne Begründungsmängel im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes aufzeigen zu können.
Unverständlich ist der Antrag, „gemäß § 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten" schon deshalb, weil gegen die Angeklageschrift kein Einspruch erhoben wurde.
Das vom Angeklagten überreichte eigene Schreiben war unbeachtlich, weil es gegen den von § 285 Abs 1 erster Satz StPO verlangten Grundsatz der Einmaligkeit der Ausführung der Beschwerdegründe verstößt (RIS-Justiz RS0100152).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.