JudikaturOGH

11Os157/09m – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Dezember 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Markus S***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 4. August 2009, GZ 38 Hv 97/09w-11, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus S***** einer unbestimmten Anzahl von Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1) sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2a) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2b) schuldig erkannt.

Danach hat er

1. von ca Sommer 2007 bis zum 6. Juni 2008 (vgl US 7 oben) mit der am 6. Juni 1994 geborenen, somit unmündigen Marina E***** wiederholt den Beischlaf unternommen;

2. am 6. März 2009 Marina E*****

a) mit Gewalt zur Unterlassung der Konsumation von Alkohol genötigt, indem er eine brennende Zigarette an ihren linken Unterarm hielt;

b) durch die zu Punkt 2a angeführte Handlung, die eine Brandwunde am linken Unterarm zu Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Durch Abweisung des Antrags auf Einholung „eines psychiatrischen Gutachtens" zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „zu den Tatbegehungszeiten nicht deliktsfähig bzw seine Zurechnungsfähigkeit aufgehoben war, da er aufgrund seiner psychischen Situation nicht in der Lage war, den Unrechtsgehalt seiner Tat einzusehen" (ON 10 S 7, 9), wurden Verteidigungsrechte nicht geschmälert (Z 4). Der Verteidiger hatte zu diesem Antrag vorgebracht, ein entsprechender Hinweis ergebe sich aus der Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck zu AZ 7 Bs 623/08p (ON 10 S 9). Der Angeklagte selbst hatte in seiner Vernehmung darauf hingewiesen, dass er zuckerkrank sei und dass „schon einmal von Frau Dr. R***** ein Gutachten eingeholt worden sei". Nach Vorhalt, dass in jenem Gutachten die medizinischen Voraussetzungen für Unrechtsbewusstsein und Zurechnungsfähigkeit attestiert worden waren, erklärte er auf die Frage, ob sich an seinem Gesundheitszustand in letzter Zeit etwas geändert habe, nur, es gehe ihm „vom Zucker her eher schlechter" (ON 10 S 9, 11). Das Oberlandesgericht Innsbruck war in seiner Entscheidung AZ 7 Bs 623/08p von einem Zustand des Angeklagten ausgegangen, bei dem es verminderte, aber eben doch gegebene Zurechnungsfähigkeit annahm.

Demnach blieb bei der Antragstellung offen, warum dem verlangten Beweis die Eignung zukommen sollte, das genannte Beweisziel zu erreichen. Erkundungsbeweise sind aber im Stadium der Hauptverhandlung unzulässig (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330; RIS-Justiz RS0118444, RS0118123, RS0107040).

Auch die Mängelrüge geht fehl: Aktenwidrigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO) liegt vor, wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine Aussage und der Urkunde oder dem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll selbst ein erheblicher Widerspruch besteht. Daran ist jedoch das Vorbringen, das Erstgericht gehe in aktenwidriger Weise von einem über den 11. Mai 2008 hinaus reichenden Tatzeitraum aus, nicht orientiert.

Ein Begründungsmangel wird demnach nicht aufgezeigt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise