12Os188/09b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jauk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian W***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 2 Hv 95/02v des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 8. Oktober 2009, AZ 10 Bs 334/09g, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Aicher, und des Verteidigers Dr. Gradischnig zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 8. Oktober 2009, AZ 10 Bs 334/09g (ON 189 des Akts AZ 2 Hv 95/02v des Landesgerichts für Strafsachen Graz) verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 43 Abs 4 StPO.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Graz die neuerliche Entscheidung über die Beschwerden des Christian W***** und der Staatsanwaltschaft Graz aufgetragen.
Text
Gründe:
Christian W***** wurde mit Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 29. Jänner 2003, GZ 2 Hv 95/02v-97, des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Nach Zurückweisung seiner dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde durch den Obersten Gerichtshof am 23. Oktober 2003, AZ 12 Os 61/03, hat das Oberlandesgericht Graz mit Urteil vom 7. Jänner 2004, AZ 9 Bs 537/03 (ON 111 des Akts), der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe durch die Senatsmitglieder Dr. Rotter, Dr. Greller und Mag. Obetzhofer (siehe auch Protokoll über die Berufungsverhandlung, ON 110) Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 13 Jahre erhöht. Der Angeklagte wurde mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen, die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu erreichen, begehrte Christian W***** mit Eingaben vom 1. November 2008 (ON 162) und 6. Juni 2009 (ON 178) abermals die Wiederaufnahme. Diese Anträge wurden - nach entsprechenden Erhebungen (ON 171 bis 174) - mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 30. Juli 2009 (ON 182) abgewiesen. Den gegen diesen Beschluss vom Verurteilten (ON 186) und der Staatsanwaltschaft (ON 183) erhobenen Beschwerden gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 8. Oktober 2009, AZ 10 Bs 334/09g, nicht Folge, wobei sich der Senat aus den Richtern des Oberlandesgerichts Mag. Obetzhofer, Mag. List und Dr. Greller zusammensetzte (ON 189; siehe Sitzungsvermerk auf der Entscheidung im Akt AZ 10 Bs 334/09g des Oberlandesgerichts Graz).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht der zuletzt genannte Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß § 43 Abs 4 StPO ist ein Richter von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme oder einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO) ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist. Dies gilt auch für Rechtsmittelrichter uneingeschränkt, sohin unabhängig davon, ob sie die Tat- oder die Schuldfrage (vgl Lässig, WK-StPO § 43 Rz 32; Fabrizy, StPO10 § 43 Rz 14; 12 Os 64/09t) oder auch nur - wie hier - die Straffrage unmittelbar selbst entschieden haben, zumal auch im zuletzt genannten Fall der Gegenstand der (meritorischen) Berufungsentscheidung jene Tat ist, auf die sich der Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens im Sinn des § 353 StPO bezieht (vgl 15 Os 93/09d).
Demzufolge waren die sowohl im Berufungs- als auch im Beschwerdeverfahren beteiligten Richter des Oberlandesgerichts Dr. Greller und Mag. Obetzhofer wegen ihrer Tätigkeit im Berufungsverfahren von der Entscheidung (ON 189) über die Beschwerden (ON 183 und 186) ausgeschlossen. Nachdem sich die Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt haben könnte (vgl RIS-Justiz RS0107372), sah sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 292 letzter Satz StPO veranlasset, den in Rede stehenden Beschluss aufzuheben. Demgemäß wird das Oberlandesgericht Graz über die Beschwerden neuerlich zu befinden haben.