12Os175/09s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jauk als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hasan D***** wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 10. Juli 2009, GZ 23 Hv 46/09k-51, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen die zugleich gefassten Beschlüsse nach §§ 50 ff StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20. Februar 1993 geborene Hasan D***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in Innsbruck andere Personen mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich der vaginalen Penetration mit seinen Fingern, zu nötigen versucht, und zwar
1./ am 29. November 2008 Julia J*****, indem er sie mit seiner rechten Hand am Genick packte, ihr dabei einen Schlag gegen das linke Ohr versetzte sowie sie an der Hüfte mit seiner linken Hand festhielt;
2./ am 13. Dezember 2008 Marie G*****, indem er sie von hinten mit seinen Armen umschlang, festhielt, gegen eine Betonwand drückte, zu Sturz brachte, mit seiner Hand ihren Mund zuhielt, ihr in weiterer Folge mit seiner Hand unter den Mantel fuhr und sie im Bereich der Scheide berührte;
3./ am 17. Dezember 2008 Marion K*****, indem er sie von hinten kommend mit einer Hand über den Oberkörper fassend umschlang, sie festhielt und mit der zweiten Hand in ihren Schrittbereich fuhr und dort zudrückte;
4./ am 8. Jänner 2009 Beate M*****, indem er sie von hinten kommend mit einer Hand um das Becken erfasste, festhielt, mit der anderen Hand zwischen ihre Beine griff und in weiterer Folge mit einer Hand unterhalb der Unterhose etwas oberhalb des Intimbereichs, im Bereich des Beginns der Schamhaare, berührte und versuchte, seinen Finger in ihre Scheide einzuführen, wobei er mit seiner Hand am Hosenbund hängen blieb;
5./ am 13. Jänner 2009 Stefanie L*****, indem er sie von hinten kommend umfasste, festhielt, zu Sturz brachte und sein Gesicht mehrmals in ihrem Genitalbereich hin und her rieb;
6./ am 24. Jänner 2009 Rita Li*****, indem er sie von hinten kommend mit einer Hand im Oberkörperbereich umfasste, festhielt und mit der zweiten Hand zwischen ihre Beine griff und sie auf ein Auto drückte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Nach herrschender Rechtsprechung muss das Vorliegen einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung strikt einzelfallbezogen nach der Summe der Auswirkungen und Begleiterscheinung eines Sexualangriffs beurteilt werden. Als Vergleichskriterien sind die Intensität der sexuellen Inanspruchnahme, die Schwere des Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung und das Ausmaß der Demütigung und Erniedrigung des Opfers heranzuziehen (vgl RIS-Justiz RS0095004; siehe auch Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 Vorbem §§ 201 ff Rz 48). Sowohl die Mängelrüge (Z 5 - inhaltlich Z 10) als auch die Subsumtionsrüge (Z 10) behaupten diesbezüglich fehlende Feststellungen, übergehen allerdings die Urteilsannahmen in ihrer Gesamtheit. Danach kam es dem Nichtigkeitswerber unter erheblicher Gewaltanwendung (US 6 bis 10) darauf an, einen Finger in die Scheide der Opfer einzuführen (US 10), um sie solcherart zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu zwingen (US 11). Ergänzend dazu gingen die Tatrichter davon aus, dass der Angeklagte seine Opfer „ganz bewusst zu Boden brachte und sie mit Körperkraft zu Boden drückte, da in einer derartigen Position die vom Angeklagten beabsichtigte Tathandlung leichter durchführbar ist", wobei Hasan D***** an seinem Vorhaben nur deswegen gehindert wurde, weil sich seine Opfer derart vehement gegen ihn gewehrt hatten oder weil er von vorbeikommenden Passanten bzw Beobachtern entdeckt worden wäre (US 14). Des weiteren konnte der Rechtsmittelwerber im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre erfassen, dass er beim intendierten gewaltsamen Einführen eines Fingers in die Scheide das Geschlechtsorgan des jeweiligen Opfers in ähnlich intensiver Weise in die Sexualhandlung einbezieht, wie bei einem Beischlaf (US 18). Indem der Beschwerdeführer diese Feststellungen ignoriert, orientiert er sich nicht an den Anfechtungskriterien des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Gleiches gilt für die weiteren Erwägungen des Nichtigkeitswerbers, der aus den Beweisergebnissen - unter Missachtung der oben dargestellten Annahmen des erkennenden Gerichts - für ihn günstigere Schlussfolgerungen zieht und solcherart eine dem kollegialgerichtlichen Verfahren fremde Schuldberufung ausführt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.