12Os95/09a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Hofer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen DI (FH) Otmar P***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 4 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. März 2009, GZ 065 Hv 2/09b-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, des Angeklagten DI (FH) Otmar P***** und seines Verteidigers Mag. Bischof,
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem den Angeklagten DI (FH) Otmar P***** betreffenden Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung, ebenso der Beschluss auf Zurückweisung des diesen Angeklagten betreffenden Antrags der Staatsanwaltschaft auf Widerruf bedingter Strafnachsicht aufgehoben und der genannte Angeklagte nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt.
Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Strafteil von elf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird ihm die Vorhaft vom 11. November 2008, 14:45 Uhr, bis 11. März 2009, 14:45 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten DI (FH) Otmar P***** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last; II. den Beschluss
gefasst:
Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 erster Fall StPO wird vom Widerruf der dem Angeklagten DI (FH) Otmar P***** mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 11. November 2008, GZ 16 Hv 70/08k-40, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und nach § 494a Abs 6 StPO die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des DI (FH) Markus B***** enthaltenden Urteil wurde DI (FH) Otmar P***** des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz (§ 27 Abs 1 Z 2), Abs 4 SMG (I./1./), „des Verbrechens" des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 1, Abs 3 SMG, 15 StGB (I./2./), (richtig:) der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (I./3./) sowie des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./4./) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 11. November 2008, GZ 16 Hv 70/08k-40, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Inhaltlich des Schuldspruchs hat DI (FH) Otmar P***** in Wien und anderen Orten Österreichs
I./ l./ vorschriftswidrig Suchtgift angebaut, nämlich Cannabiskraut von einem nicht mehr näher festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2008 bis zum 11. November 2008 mit dem Vorsatz, aus dem Anbau von 80 Cannabispflanzen mit einem Gewicht von 5.700 Gramm brutto eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge zu gewinnen; 2./ von einem nicht genauer feststellbaren Zeitpunkt im Sommer 2008 bis zum 11. November 2008 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, und zwar Pflanzenteile (3.540 Gramm brutto bzw 3.087,7 Gramm netto) sowie Blüten (185 Gramm brutto bzw 122,1 Gramm netto) mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 203,5 Gramm Delta-9-THC, sohin in einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge, wobei es hinsichtlich der Pflanzenteile beim Versuch geblieben ist, gewerbsmäßig erzeugt, wobei er schon einmal wegen einer gleichgearteten Straftat - nämlich im Verfahren des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ 62 Hv 70/03x vom 10. Juli 2003 wegen § 28 Abs 2 SMG (alt) - verurteilt worden ist;
3./ von November 2002 bis zum 11. November 2008 vorschriftswidrig Cannabisprodukte in nicht mehr feststellbarer Menge erworben und bis zum Konsum besessen;
4./ den Zweitangeklagten DI (FH) Markus B***** am 11. November 2008 der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, indem er vor einem Beamten des Landeskriminalamts Wien, KK-West, nämlich Bezirksinspektor Jürgen E***** behauptete, dass die in *****, befindlichen und bereits abgeernteten Marihuanablüten (185 Gramm brutto) sowie Pflanzenteile (3.087,07 Gramm netto) dem Zweitangeklagten DI (FH) Markus Franz B***** gehörten, und den Genannten dadurch einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG falsch verdächtigte, obwohl er wusste, dass diese Verdächtigung falsch ist.
Unter einem wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft Wien auf Widerruf der DI (FH) Otmar P***** zu AZ 16 Hv 70/08k des Landesgerichts Krems an der Donau gewährten bedingten Strafnachsicht wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.
Die ausschließlich auf § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wendet sich gegen die Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 11. November 2008, GZ 16 Hv 70/08k-40, und daran anknüpfend auch gegen die Zurückweisung des Widerrufsantrags der Staatsanwaltschaft.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend legt die Strafzumessungsrüge (Z 11 erster Fall) dar, dass die Voraussetzungen der Verhängung einer Zusatzstrafe nicht gegeben sind, weil nicht sämtliche von der gegenständlichen Verurteilung erfassten Taten vor dem am Nachmittag (S 25 in ON 39 in 16 Hv 70/08k des Landesgerichts Krems an der Donau) des 11. November 2008 verkündeten Urteils des Landesgerichts Krems an der Donau begangen wurden. Die dem Schuldspruchpunkt I./4./ zugrunde liegende Verleumdungshandlung wurde nämlich - wie auch das Ersturteil richtig festhält (US 20) - erst im Rahmen der am 11. November 2008 um 19:00 Uhr mit einem Vorgespräch eingeleiteten und bis 20:20 Uhr dauernden (S 81 und S 91 in ON 5) polizeilichen Vernehmung des Beschwerdeführers gesetzt.
Da diese Tat im in Rede stehenden Verfahren vor dem Landesgericht Krems an der Donau nicht hätte abgeurteilt werden können, lagen die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 StGB nicht vor.
Das Schöffengericht hat demnach seine Strafbefugnis durch Verhängung einer Zusatzstrafe zum Vorteil des Angeklagten überschritten (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO; vgl Ratz WK-StPO § 281 Rz 671). Die auf der rechtsirrigen Bedachtnahme basierende Zurückweisung des Widerrufsantrags mangels Zuständigkeit im Sinne des § 495 Abs 2 StPO ist zwar einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde von vornherein entzogen (Ratz WK-StPO § 281 Rz 688, 729; RIS-Justiz RS0120887). Inhaltlich stellen sich die bezughabenden, den bekämpften Beschluss bezeichnenden und überdies den Rechtsfehler des Erstgerichts zutreffend aufzeigenden Ausführungen der Beschwerdeführerin (vgl Tipold, WK-StPO § 88 Rz 1 f) als - wenngleich unrichtig bezeichnete - mit der Nichtigkeitsbeschwerde verbundene Beschwerde gemäß § 498 Abs 3 StPO dar, sodass einer Entscheidung gemäß § 494a StPO im Rahmen der Strafneubemessung das Verschlechterungsverbot nicht entgegensteht. In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft waren daher das angefochtene Urteil in dem DI (FH) Otmar P***** betreffenden Strafausspruch sowie der Beschluss auf Zurückweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Widerruf bedingter Strafnachsicht aufzuheben und über diesen Angeklagten unter Anwendung des § 28 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB eine Strafe zu verhängen.
Bei der Strafbemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die drei einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, als mildernd hingegen das Geständnis und den Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind.
Unter Berücksichtigung der dargestellten Strafzumessungsgründe, aber auch aufgrund der fortgesetzten Tatbegehung während anhängigen Strafverfahrens und der Wirkungslosigkeit bisheriger Sanktionsandrohung war auf die aus dem Spruch ersichtliche tat- und täteradäquate Freiheitsstrafe zu erkennen: Angesichts des nunmehr erstmals verspürten Haftübels, des Umstands, dass die Suchtgiftdelinquenz vor dem zu AZ 16 Hv 70/08k des Landesgerichts Krems an der Donau ergangenen Schuldspruch vom 11. November 2008 erfolgte, und der von der Verteidigung vorgelegten Arbeitsbestätigung konnte gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von elf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden.
Ebenso bedurfte es nicht des zusätzlichen Vollzugs des vom Landesgericht Krems an der Donau verhängten Strafteils von acht Monaten, sodass von einem entsprechenden Widerruf gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO abzusehen war. Die Probezeit war jedoch gemäß § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre zu verlängern.
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die von der Staatsanwaltschaft unangefochtene Einstufung der zu Schuldspruchpunkt I./2./ beschriebenen Tathandlungen trotz festgestellten Abschneidens und Trocknens der Pflanzen (US 8) als teilweise im Versuchsstadium verblieben - zum Vorteil des Angeklagten - verfehlt ist (14 Os 94/08t).
Da es an zureichenden Feststellungen fehlt, wonach es dem Angeklagten darauf angekommen sei, sich durch wiederkehrendes Erzeugen von jeweils die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmengen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl RIS-Justiz RS0109694), tragen die Urteilsannahmen den insoweit vom Angeklagten und der Staatsanwaltschaft unbekämpft gelassenen Schuldspruchpunkt I./2./ wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels in der Unterstellung auch unter die Qualifikationsnorm des § 28a Abs 2 Z 1 SMG nicht. Angesichts der Verurteilung wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB ist die genannte Qualifikation unter Berücksichtigung der angenommenen Privilegierung nach § 28a Abs 3 SMG iVm § 27 Abs 5 SMG (vgl RIS-Justiz RS0123175) jedoch weder strafsatzbestimmend noch wurde sie vom Erstgericht als erschwerend gewertet. Die Annahme gewerbsmäßiger Erzeugung wirkt sich daher nicht zum Nachteil des Angeklagten aus. Somit besteht ebenfalls kein Anlass zu einem amtswegigen Einschreiten nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO (vgl RIS-Justiz RS0118870). Das vom Erstgericht daher zu Unrecht angenommene weitere Verbrechen (richtig eigentlich mehrere Verbrechen; vgl RIS-Justiz RS0123909) des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 1, Abs 3 SMG, 15 StGB war im Rahmen der Strafbemessung freilich nicht als erschwerend zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.