13Os137/09k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Benjamin F***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Benjamin F***** und Robert S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 25. September 2009, GZ 36 Hv 72/09a-60, sowie die Beschwerde des Angeklagten Robert S***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
I. In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Benjamin F***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem ihn betreffenden Schuldspruch nach § 143 zweiter Fall StGB und dem ihn betreffenden Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten zurückgewiesen.
II. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte F***** auf diese Entscheidung verwiesen.
III. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert S***** wird zurückgewiesen.
IV. Vor Entscheidung über die Berufung des Angeklagten S***** und seine Beschwerde durch das Oberlandesgericht Wien werden die Akten dem Erstgericht zugeleitet.
V. Den Angeklagten fallen auch die Kosten des (hinsichtlich S*****: bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Benjamin F***** und Robert S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB, der Erstgenannte nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt.
Danach haben am 15. April 2009 in Möllersdorf
I. Robert S***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz unter Verwendung einer Waffe den Bankangestellten Gabriele N***** und Alexander L***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) 4.185 Euro Bargeld abgenötigt, indem er unter der wiederholten Forderung nach Geld eine Luftdruckpistole gegen sie in Anschlag brachte;
II. Benjamin F***** zur Ausführung dieser strafbaren Handlung beigetragen, indem er Robert S***** im Tatentschluss bestärkte, ihn mit seinem PKW zum Tatort brachte und sich seiner Zusage gemäß für die gemeinsame Flucht bereit hielt.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten mit gesondert ausgeführten, von Benjamin F***** auf Z 5, 9 lit a und 11, von Robert S***** auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, von denen nur die erste - teilweise - Erfolg hat.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Benjamin F*****:
Indem der Beschwerdeführer reklamiert, das Erstgericht habe die Aussage des Zeugen Peter B***** darüber unerörtert gelassen (Z 5 zweiter Fall), weshalb der Motor des PKW nicht abgestellt werden durfte, während Benjamin F***** auf Robert S***** in der Nähe der Bankfiliale im Fahrzeug wartete (US 5 f, 10), bezieht er sich auf einen Abschnitt des ihm angelasteten Unterstützungsverhaltens, dessen Nichtannahme am Schuldspruch angesichts der übrigen Konstatierungen (US 5 unten) nichts ändern würde, somit auf keine im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes entscheidende Tatsache (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399).
Letzteres gilt auch für die weiters kritisierte (Z 5 vierter Fall) Urteilsannahme betreffend die Abstimmung des Aussageverhaltens des Robert S***** (US 8 oben) auf die leugnende Darstellung des Beschwerdeführers.
Prozessordnungswidrig nimmt die übrige Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) mit dem auf ein aus dem Zusammenhang gelöstes Begründungsdetail (US 8 zweiter Absatz) bezogenen Vorbringen nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß (RIS-Justiz RS0119370; US 7 ff). Ein Begründungsmangel wird demnach nicht aufgezeigt. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht mit dem Einwand, das Urteil enthalte „überhaupt keine" Feststellungen zur inneren Tatseite, über jene Konstatierungen des Erstgerichts hinweg, aus denen hinreichend deutlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) der Wille der Tatrichter zu Urteilsannahmen des Inhalts hervorgeht, dass der Beschwerdeführer, von einer den Merkmalen des § 142 Abs 1 StGB entsprechenden Tendenz getragen, die Tat des Robert S***** laut Schuldspruch I auf die im Urteilstenor zusammengefasst wiedergegebene Weise (Schuldspruch II) unterstützte (US 5, vgl auch US 8 f).
Zutreffend vermisst Benjamin F***** jedoch Feststellungen zu seiner Willensausrichtung in Betreff der qualifikationsbegründenden (§ 143 zweiter Fall StGB) Verwendung einer Luftdruckpistole durch Robert S***** (US 6), womit der Sache nach Nichtigkeit des Urteils nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO aufgezeigt wird.
Weil die aufgrund des Rechtsfehlers mangels Feststellungen erforderliche Teilkassation auch den Strafausspruch in Ansehung des Beschwerdeführers umfasst, ist auf seinen aus Z 11 erhobenen Einwand nicht einzugehen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert S*****:
Das undifferenziert als Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) erstattete Vorbringen zielt darauf ab, unter „lebensnaher Betrachtung" vorliegender Aussagen sowie eigenständiger Bewertung des Gutachtens des beigezogenen Sachverständigen Dr. Anton Fr***** Bedenken an jenen Erwägungen der Tatrichter zu wecken, aus denen sie die Einlassung des Angeklagten S*****, er sei am Tag der Tat von Medikamenten und Alkohol vollkommen „benebelt" gewesen, verwarfen (US 6 f).
Solcherart werden weder Begründungsmängel aufgezeigt noch sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen geweckt.
Die Beschwerde intendiert damit einen nach der Verfahrensordnung zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile nicht vorgesehenen Angriff auf die Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Soweit sie eine unterbliebene Ausschöpfung möglicher Beweisquellen reklamiert, geht sie daran vorbei, dass aus Z 5a Mängel der Sachverhaltsermittlung nur mit der Behauptung gerügt werden können, dass der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung (Z 4) gehindert war (RIS-Justiz RS0115823), woran es hier fehlt. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert S***** war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung dieses Angeklagten und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Benjamin F***** war dagegen wie aus dem Spruch ersichtlich teilweise Folge zu geben, weshalb er mit seiner Berufung auf die Teilaufhebung zu verweisen war.
Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Mit Rücksicht auf das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§ 9 Abs 2 StPO) waren die Akten zunächst - vor der dem Oberlandesgericht Wien zukommenden Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Robert S***** - dem Erstgericht zuzuleiten, welches zum einen zur Ermöglichung einer baldigen Erledigung jener Rechtsmittel die Herstellung einer Aktenkopie und sodann die Vorlage an das Oberlandesgericht zu veranlassen haben, zum anderen die neuerliche Verhandlung und Entscheidung betreffend den Angeklagten Benjamin F***** im Umfang der im Spruch genannten Teilaufhebung vorzunehmen haben wird.