14Os138/09i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Richard M***** wegen Vergehen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB, AZ 514 Hv 19/09v des Landesgerichts Korneuburg, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 22. Juni 2009, GZ 514 Hv 19/09v-20, und einen Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Michel, zu Recht erkannt:
Spruch
Es verletzen das Gesetz
1. das Unterbleiben der Zustellung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens an den Freigesprochenen zur Gegenäußerung binnen 14 Tagen in § 357 Abs 2 erster Satz StPO;
2. der Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 22. Juni 2009, GZ 514 Hv 19/09v-20, in § 43 Abs 4 StPO.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Landesgericht Korneuburg aufgetragen, nach Vorgehen gemäß § 357 Abs 2 erster Satz StPO neuerlich über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu entscheiden.
Text
Gründe:
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 20. April 2009, GZ 514 Hv 19/09v-15, wurde Richard M***** - soweit hier wesentlich - von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe von Jänner bis Oktober 2007 in H***** als Geschäftsführer der Ö***** GmbH Beiträge zur Sozialversicherung von Dienstnehmern des Unternehmens der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse als berechtigtem Versicherungsträger in Höhe von 6.070,51 Euro vorenthalten, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, weil er sich in der Hauptverhandlung zur Nachentrichtung der ausstehenden Beiträge binnen bestimmter Zeit verpflichtet hatte (§ 153c Abs 3 Z 2 StGB; ON 15 iVm ON 15a S 6, 10 f).
Aufgrund einer Mitteilung des Sozialversicherungsträgers über die Nichteinhaltung der Ratenvereinbarung (ON 19) stellte die Staatsanwaltschaft am 18. Juni 2009 beim Landesgericht Korneuburg den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens wegen der vom Freispruch umfassten Handlungen (ON 1 S 4; §§ 352 Abs 1 Z 2, 355 StPO iVm § 153c Abs 4 StGB).
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 22. Juni 2009 gab der im Hauptverfahren als Erkenntnisrichter tätig gewesene Einzelrichter des Landesgerichts Korneuburg diesem Antrag statt (ON 20), ohne dem Freigesprochenen zuvor Gelegenheit zur Äußerung gegeben zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht diese Vorgangsweise mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Nach § 357 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 490 StPO hat das Landesgericht den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens dem Gegner des Antragstellers mit der Belehrung zuzustellen, dass er seine Gegenäußerung binnen 14 Tagen überreichen könne, was gegenständlich unterblieb.
Gemäß § 43 Abs 4 StPO ist ein Richter von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme ausgeschlossen, wenn er - wie hier als Erkenntnisrichter - im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist.
Da die Gesetzesverletzungen geeignet sind, zum Nachteil des Freigesprochenen zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).