11Ns74/09k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in der Strafsache gegen Rudolf K***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB, AZ 13 Hv 100/09p des Landesgerichts Leoben (AZ 23 Hv 11/08b des Landesgerichts Linz), nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die zur Entscheidung über einen Zuständigkeitsstreit vorgelegten Akten werden dem Landesgericht Linz zur Vornahme der von § 485 Abs 1 StPO verlangten Prüfung des Strafantrags zurückgestellt.
Text
Gründe:
Am 12. August 2009 brachte die Staatsanwaltschaft Leoben beim Einzelrichter des Landesgerichts Leoben einen (allerdings nicht an diesen gerichteten) Strafantrag ein (ON 14) und begehrte unter einem die Abtretung des Strafverfahrens an das Landesgericht Linz zur Einbeziehung in das dort zum AZ 23 Hv 11/08b gegen den selben Angeklagten anhängige Strafverfahren (AB-Bogen S 1). Der Einzelrichter des Landesgerichts Leoben beschloss am 14. August 2009 antragsgemäß.
Der Einzelrichter des Landesgerichts Linz erkannte in der Hauptverhandlung vom 15. September 2009 rechtskräftig auf Freispruch von der mit Strafantrag vom 22. Jänner 2008 erhobenen Anklage und fasste (offenbar noch unter dem fortwirkenden Eindruck des nicht mehr geltenden § 58 StPO aF - vgl seit 1. Jänner 2008 § 36 Abs 4 StPO) den Beschluss auf „Ausscheidung des Verfahrens 13 Hv 100/09p des Landesgerichts Leoben (ON 38) und Rück-Abtretung des Verfahrens an das Landesgericht Leoben" (GZ 23 Hv 11/08b-44 des Landesgerichts Linz).
Der Einzelrichter des Landesgerichts Leoben übermittelte daraufhin die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt.
Rechtliche Beurteilung
Wie dieser bereits in seiner Entscheidung vom 27. August 2009, AZ 13 Ns 44/09p, mit ausführlicher Begründung dargelegt hat (vgl ebenso 11 Ns 66/09h), war die in § 38 StPO idF BGBl I 2004/19 erfolgte Regelung des (negativen) Kompetenzkonflikts zwar ursprünglich als generelle, nur durch § 213 Abs 6 StPO durchbrochene Anordnung angelegt (so ausdrücklich: ErläutRV 25 BlgNR 22. GP, 58). Das von den Gesetzesmaterialien ins Auge gefasste System wurde jedoch im Rahmen der Anpassungsgesetzgebung durch BGBl I 2007/93 nicht umgesetzt, stattdessen auch für die amtswegige Vorprüfung überreichter Strafanträge ein gegenüber § 38 StPO spezielles Verfahren angeordnet. Nicht anders als bei der - seit BGBl I 2004/19 nun auch amtswegig zulässigen (§ 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz StPO) - Prüfung der Anklage im kollegialgerichtlichen Verfahren nach Maßgabe der von § 212 StPO genannten Kriterien (vgl 13 Ns 1/09i, EvBl 2009/91, 612; 13 Ns 21/09f, EvBl-LS 2009/113, 683; 13 Ns 46/09g) kommt es nach §§ 450, 485 StPO idF BGBl I 2007/93 zu (im Verfahren vor dem Bezirksgericht auf sachliche Unzuständigkeit eingeschränkten) beschlussförmigen Aussprüchen der Unzuständigkeit. Diejenigen von Bezirksgericht und Einzelrichter des Landesgerichts sind beim jeweils übergeordneten Gericht (vgl auch ErläutRV 231 BlgNR 23. GP, 24) mit Beschwerde bekämpfbar.
Im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts kann es im Rahmen der von § 485 StPO angeordneten Prüfung der Zuständigkeit nur mittelbar zu einem Kompetenzkonflikt im Sinn des § 38 StPO kommen. Teilt nämlich das (mit Beschwerde angerufene) Oberlandesgericht die mit Beschluss des Einzelrichters ausgesprochene Einschätzung örtlicher Unzuständigkeit und hält es ein anderes Landesgericht seines Sprengels für örtlich zuständig, so überweist es die Sache dorthin (vgl auch §§ 215 Abs 4 erster Satz, 470 Z 3, 475 Abs 1 StPO). Hält es hingegen keines der in seinem Sprengel gelegenen Landesgerichte für örtlich zuständig, greift nach der bestätigenden Beschwerdeentscheidung § 485 Abs 2 StPO. Zu einem von § 38 StPO erfassten Kompetenzkonflikt kommt es nachfolgend dann, wenn ein anderes Oberlandesgericht aufgrund einer Beschwerde gegen einen nach § 485 Abs 1 StPO gefassten Beschluss die örtliche Zuständigkeit aller in seinem Sprengel gelegenen Landesgerichte bezweifelt oder der Einzelrichter eines nachfolgend angerufenen, im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts gelegenen Landesgerichts seine örtliche Unzuständigkeit sonst rechtswirksam ausspricht. Nach Anordnung der Hauptverhandlung (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO) im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts kann es zu einem Kompetenzkonflikt im Sinn des § 38 StPO kommen, wenn der Einzelrichter zur Ansicht gelangt, örtlich nicht (mehr) zuständig zu sein (SSt 61/14). In einem solchen Fall hat er nämlich, wie nach der bis 1. Jänner 2008 geltenden Rechtslage, die Hauptverhandlung abzubrechen und die Abtretung der Sache an das seiner Ansicht nach zuständige Landesgericht zu verfügen.
Für den zur Entscheidung vorgelegten Fall bedeutet dies, dass der Einzelrichter des Landesgerichts Linz die von § 485 StPO vorgeschriebene Prüfung des ihm übermittelten und offenbar gemäß § 37 Abs 3 StPO zur Erledigung mit dem bei ihm anhängigen Hauptverfahren verbundenen (was der vorgenommenen Ausscheidung denklogisch vorausgeht) Strafantrags bislang nicht vorgenommen und einen Beschluss im Sinn der Z 1 bis 3 des § 485 Abs 1 StPO gefasst, ausgefertigt und den zur Beschwerde Berechtigten zugestellt (§ 86 StPO; vgl Bauer, WK-StPO 450 Rz 5 f) hat. Es steht ihm natürlich auch offen, die Hauptverhandlung anzuordnen (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO).