9ObA74/09m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel und Mag. Edgar Wojta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** T*****, Techniker, *****, vertreten durch Doschek Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei ***** GmbH, *****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Anfechtung einer Entlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 2009, GZ 7 Ra 131/08y-39, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Gemäß § 106 Abs 2 ArbVG kann die Entlassung bei Gericht angefochten werden, wenn ein Anfechtungsgrund iSd § 105 Abs 3 ArbVG vorliegt und der Arbeitnehmer keinen Entlassungsgrund gesetzt hat. Die Vorinstanzen haben zwar die Entlassung des Klägers als unberechtigt betrachtet, haben aber das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes iSd § 105 Abs 3 ArbVG verneint und deshalb die Anfechtungsklage abgewiesen. Die dazu angestellten Überlegungen der Vorinstanzen sind einzelfallbezogen und bieten weder Anlass noch Möglichkeit für in ihrer Bedeutung über den konkreten Fall hinausgehende Klarstellungen des Obersten Gerichtshofs. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen.
II. Dem Einwand des Revisionswerbers, mit den von ihm lange Zeit praktizierten kartellrechtswidrigen Preisabsprachen habe er über Weisung seines Vorgesetzten ein schon vorher im Unternehmen praktiziertes System fortgesetzt, haben die Vorinstanzen - insbesondere auch durch die Verneinung des Vorliegens eines Entlassungsgrundes - ohnedies Rechnung getragen. Das bedeutet aber nicht, dass man der Mitwirkung des Klägers an diesen Praktiken - insbesondere in der Zeit ab Beginn der kartellrechtlichen Untersuchungen im Jahr 2004 - überhaupt kein Gewicht beimisst. Schließlich war zu diesem Zeitpunkt die Unternehmenspolitik aufgrund der von den Vorinstanzen festgestellten Umstände hinreichend klargestellt; dass der Vorgesetzte des Klägers aus der zweiten Hierarchieebene dessen ungeachtet erklärte, alles bleibe „beim Alten", musste vom Kläger, der selbst der dritten Hierarchieebene angehörte, als Verstoß gegen die neuen Richtlinien erkannt werden, aus dem er auch gegenüber dem Unternehmen keinen Freibrief für sein weiteres (rechtswidriges) Verhalten ableiten konnte.
III. Die ausführlich begründete Rechtsauffassung der zweiten Instanz, die Beklagte habe angesichts des auch gegen sie geführten Kartellrechtsverfahrens und des Bekanntwerdens ihrer Beteiligung an Kartellrechtsverstößen ein gerechtfertigtes Interesse daran, gegenüber den führenden Mitarbeitern im Betrieb, gegenüber den Behörden und gegenüber den Kunden durch eine „zero tolerance policy" eine klare Trennlinie zu den bisherigen Praktiken zu ziehen, ist keineswegs unvertretbar. Schließich hatte es bereits vermehrt Anfragen von beunruhigten Kunden gegeben. Tatsächlich hat sich die Beklagte nach der Aktenlage auch von allen an den Verstößen beteiligten Mitarbeitern getrennt, und zwar auch von jenen, die in der Hierarchie höhergestellt waren als der Kläger. Es mag durchaus zutreffen, dass die Beklagte dabei bei der Wahl der Beendigungsart höhergestellte Mitarbeiter - etwa durch die Einräumung der Möglichkeit einer einvernehmlichen Auflösung - begünstigte und beim Kläger damit den Eindruck erweckte, die „Oberen" hätten es sich „richten können". Dies ändert aber nichts daran, dass sich die Beklagte nach der Aktenlage - wenn auch auf unterschiedliche Weise - von allen beteiligten Mitarbeitern getrennt und damit ihr Interesse, gegenüber den übrigen Mitarbeitern, den Behörden und den beunruhigten Kunden ein Signal zu setzen, dokumentiert hat. Zudem sind die Vorinstanzen ohnedies davon ausgegangen, dass die Entlassung des Beklagten unberechtigt war. Dass sie dessen ungeachtet von einem gewichtigen betrieblichen Interesse der Beklagten ausgingen, sich von allen beteiligten Mitarbeitern zu trennen, ist ebenso wenig unvertretbar, wie die Wertung, dass dieses Interesse der Beklagten jenes des Klägers an einer Weiterbeschäftigung im Betrieb überwiegt.