JudikaturOGH

11Os144/09z – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Annerl als Schriftführer, im Verfahren wegen Unterbringung des Helmut T***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 10. Juni 2009, GZ 614 Hv 6/09t-52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut T***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Danach hat er am 10. März 2009 in P*****

unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10, F 20.0) mit ausgeprägter Wahnbildung, hochgradiger emotionaler Starre und wiederholt auftretenden Phasen ausgeprägter Denkverworrenheit beruht, die für das Sachwalterschaftsverfahren zuständige Richterin des Bezirksgerichts H***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er einer Mitarbeiterin der Ombudsstelle des Oberlandesgerichts Wien gegenüber am Telefon äußerte, er werde nach H***** fahren und die für ihn zuständige Richterin umbringen,

sohin eine Tat begangen, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB zuzurechnen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und Z 9 lit a StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die fehlschlägt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider - der es an deutlicher und bestimmter Bezeichnung jener Anträge, durch deren Abweisung der Betroffene sich beschwert erachtet, mangelt, indem er bloß auf die „abgelehnten Beweisanträge ... (US 14)" verweist - verfielen die in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge (überdies) zu Recht der Abweisung.

Die Anträge auf Vernehmung der Zeugen Cornelia S***** sowie Karl und Johanna T***** zum Beweis dafür, dass die Richterin des Bezirksgerichts H***** vom Betroffenen „in keinster Weise beharrlich verfolgt" worden sei sowie auf „Einholung einer Rufdatenrückerfassung hinsichtlich der Telefonnummer des Bezirksgerichts" zum Beweis dafür, dass der Betroffene nicht derart häufig dort anrief wie von der Staatsanwaltschaft angenommen (ON 49 S 3, ON 51 S 3), betreffen den von den Tatrichtern ohnedies nicht als Anlasstat herangezogenen Vorwurf der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB (Unterbringungsantrag der Staatsanwaltschaft Korneuburg, ON 29) und damit keinen erheblichen Umstand. Dies gilt in gleicher Weise für die Beweisthemen, „dass in keinster Weise Drohungen gegen die Richterinnen vor dem Vorfall vom 10. März 2009 ausgesprochen worden sind" und der Betroffene nicht „mehrmals in der Woche am Gericht anrief, um Telefonterror auszuüben" (ON 49 S 3). Die ergänzende Begründung des Betroffenen zum erweiterten Beweisthema (ON 51 S 82) legt nicht dar, weshalb der Nachweis einer auf Zorn basierenden Motivationslage geeignet sein sollte, die Tatbildlichkeit des angelasteten Verhaltens auszuschließen.

Der Versuch der Fundierung dieser Anträge in der Nichtigkeitsbeschwerde, diese zielten „auf die Untermauerung der Unzurechnungsfähigkeit" bzw der „Behauptung, dass die ... Drohung auf die psychische Erkrankung zurückzuführen" sei, ist nicht nur wenig verständlich, sondern prozessual verspätet und somit unzulässig (RIS-Justiz RS0099117; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325). Entgegen der Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) wurden die Feststellungen zur Anlasstat (US 5) aufgrund der Bezugnahme auf die als glaubwürdig erachtete Aussage der Zeugin Susanne N***** sowie auf die Verantwortung des Betroffenen vor der Polizei und bei seiner ersten Vernehmung durch die Untersuchungsrichterin mängelfrei begründet. Dabei ließ das Erstgericht auch die spätere Verantwortung des Beschwerdeführers (etwa jene, er habe die Äußerung bloß als Frage formuliert; ON 51 S 13) keineswegs außer Acht, sondern setzte sich auch damit auseinander (US 10f). Insoweit der Betroffene den Einwand erhebt, er habe nicht vorsätzlich gehandelt, weil die Konstatierung eines solchen Handelns bei gleichzeitiger Annahme der Zurechnungsunfähigkeit nicht möglich sei (somit einen Widerspruch in der Urteilsbegründung behauptet), verwechselt er die Fähigkeit, einen Willen zu bilden mit jener, diesen Willen verantwortlich an den Rechtsnormen auszurichten (RIS-Justiz RS0115231). Insgesamt vermag der Beschwerdeführer kein Begründungsdefizit im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufzuzeigen.

Der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) ist vorweg zu erwidern, dass die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrunds das Festhalten am festgestellten Sachverhalt und dessen Vergleich mit dem zur Anwendung gebrachten materiellen Recht (einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen) erfordert (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581), wobei rechtliche Konsequenzen nicht bloß zu behaupten, sondern methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten sind (RIS-Justiz RS0118429).

Diesen Anforderungen wird der Nichtigkeitswerber mit den Behauptungen, er wäre „wegen fehlender Zurechnungsfähigkeit freizusprechen" gewesen, die Einweisung erfordere eine (im Rechtsmittel in Abrede gestellte) „geistig abnorme Neigung" des Täters, der „Straftatbestand des § 107 (StGB)" könne nur dann als „geistig abnorme Tat" beurteilt werden, wenn diese „nicht nur wiederholt, sondern so begangen wird, dass zumindest ein Versuch einer Realisierung anzunehmen" sei, nicht gerecht. Denn dieses Vorbringen orientiert sich weder an den erstgerichtlichen Feststellungen, noch lässt es auch nur im Ansatz eine Ableitung aus dem Gesetz erkennen.

Indem die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite (US 5 f) negiert werden und abermals ohne nachvollziehbare Begründung bloß behauptet wird, mangels Vorbereitungshandlung zur angedrohten Tat könne kein strafrechtlich relevanter Vorsatz angenommen werden, verfehlt die Rüge auch insoweit den gesetzlichen Bezugspunkt.

Gleiches gilt für die weiteren, überdies in sich widersprüchlichen Ausführungen des Betroffenen, der einerseits vermeint, er habe „weder Gewalthandlungen gegen Personen noch Drohungen ... ausgesprochen, die ihn im Sinn des § 107 StGB schuldig gemacht hätten", und andererseits den Standpunkt vertritt, die ausgesprochene Drohung erfülle lediglich „den Tatbestand nach § 107 Abs 1 StGB".

Betrachtet man die - undeutlich formulierte - Behauptung des Betroffenen, er stünde ohnedies unter Sachwalterschaft und die erforderliche Durchführung seiner medizinischen und psychischen Behandlung könne nicht „durch die strafrechtliche Maßnahme der Einweisung ... ersetzt werden" als gegen die Gefährlichkeitsprognose gerichteten Einwand, ist zu entgegnen, dass damit inhaltlich ein Berufungsgrund (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 8; ders WK-StPO § 281 Rz 723) geltend gemacht wird, auf den - weil eine Berufung nicht angemeldet wurde (ON 51 S 85) - sachlich nicht einzugehen ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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