14Os92/09z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Oktober 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Schamil A***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom 15. Juni 2009, GZ 36 Hv 3/09d-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - angefochtenen Urteil wurde Schamil A***** des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (I) und der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (II/1) und § 142 Abs 1 StGB (II/2) schuldig erkannt.
Danach hat er in der Nacht zum 15. Juni 2008 in Wiener Neustadt im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit drei abgesondert verfolgten Mittätern mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem
Vorsatz
I. Sebastian L***** und Raimund Z***** Bargeld wegzunehmen versucht,
II. mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Nachgenannten fremde bewegliche Sachen abgenötigt, und zwar
1. Florian K***** drei Euro Bargeld, ein Feuerzeug und Zigaretten insgesamt unerhobenen, jedoch geringen Werts, indem er ihn gemeinsam mit seinen Komplizen vom Gehsteig in einen Park drängte, sie ihn sodann umringten und ihn zur Herausgabe von Wertgegenständen aufforderten, wobei er den nur unbedeutende Folgen nach sich ziehenden Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt beging,
2. Michael A***** drei Euro Bargeld, indem er ihn gemeinsam mit seinen Mittätern zunächst aufforderte, seine Geldbörse herzuzeigen und ihn anschließend in einen Park zerrte und festhielt, worauf ihm der abgesondert verfolgte Paul H***** einen Faustschlag in das Gesicht versetzte „und sodann ein Klappmesser gegen seinen Hals richtete".
Die Geschworenen hatten die Hauptfragen I und II (nach §§ 15, 127 StGB und § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB) anklagekonform, die Hauptfrage III (nach dem Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB) mit der Einschränkung: „Ja, aber ohne Waffe" bejaht.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 6 und 12a des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Die Fragenrüge (Z 6), die in Betreff der Hauptfrage III die Stellung einer uneigentlichen Zusatzfrage (§ 316 StPO) nach den privilegierenden Umständen des § 142 Abs 2 StGB reklamiert, orientiert sich nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes:
Elementare Voraussetzung für die begehrte Fragestellung ist nach dem Gesetz, dass in der Hauptverhandlung entsprechende Tatsachen vorgebracht worden sind (§ 316 StPO). Darunter ist nichts anderes zu verstehen als das Vorkommen einer erheblichen Tatsache in der Hauptverhandlung, einer solchen also, die, wäre sie im schöffengerichtlichen Verfahren vorgekommen, bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftig gewesen wäre (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42). Demgemäß bedarf es zur prozessordnungskonformen Darstellung einer Rüge aus Z 6 des konkreten Hinweises auf derartige (in der Verhandlung vorgekommene) Tatsachen.
Mit dem Hinweis auf einzelne Passagen aus den Aussagen des Beschwerdeführers und vernommener Zeugen spricht die Rüge kein die begehrte Fragestellung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizierendes Verfahrensergebnis (konkret für die Anwendung bloß unerheblicher Gewalt und damit einer der Voraussetzungen des minderschweren Raubes, welche nach dem Gesetz kumulativ vorliegen müssen [RIS-Justiz RS0094279]) an und ist solcherart einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23).
Sie erschöpft sich nämlich zunächst in der isolierten Wiedergabe einzelner - teils eigener Interpretation unterzogener und sinnentstellt zusammengefasster - Aussagepassagen, wonach das Tatopfer (zunächst) von einem der Täter geohrfeigt wurde, ignoriert dabei aber zur Gänze, dass die angesprochenen Zeugen im Folgenden angaben, Paul H***** habe Michael A***** danach einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, der nach den Depositionen der Zeugen Sebastian L***** und Michael A***** von solcher Heftigkeit war, dass der Angegriffene zu Boden stürzte und über Schmerzen klagte (Sebastian L*****: ON 3 S 57 f, ON 29 S 27 f, Michael A*****: ON 3 S 71 f, ON 29 S 43, 51; Paul H*****, der in der Hauptverhandlung lückenhafte Erinnerung zufolge starker Alkoholisierung am Tattag einräumte, sich nicht mehr entsinnen konnte, wer das Opfer ohrfeigte und zugab, ihm dann selbst einen Schlag gegen das Kinn versetzt zu haben, ohne die Richtigkeit seiner Angaben anlässlich der Einvernahme durch die Kriminalpolizei [ON 3 S 45] und in dem gegen ihn selbst geführten Verfahren [ON 20 S 5], wonach dieser Schlag mit der Faust ausgeführt wurde, in Frage zu stellen [ON 36 S 3 ff]). Dass dem Genannten statt des Faustschlags bloß eine Ohrfeige versetzt wurde, sagte - entgegen der Beschwerdebehauptung - auch der Angeklagte selbst nicht mit Bestimmtheit aus (ON 29 S 19).
Was aus einer - damit einzig indizierten - über die im Wahrspruch der Geschworenen getroffenen Feststellungen hinausgehenden Gewaltanwendung für ihren Standpunkt gewonnen werden soll, erklärt die Beschwerde nicht.
Aus welchem Grund in der - vorsätzliche Beteiligung an einer Sachwegnahme und am Einsatz eines wie immer gearteten Nötigungsmittels leugnenden - Verantwortung des Beschwerdeführers, er hätte das Tatopfer bloß um 50 Cent angebettelt und die Täter in der Folge in keiner Weise beim Raub unterstützt, sondern sie vielmehr „zurückgehalten" (ON 29 S 5 ff), oder in den Angaben der Zeugen Sebastian L*****, Raimund Z***** und Michael A*****, wonach (richtig:) „Schluss war", nachdem „einer der Täter" mit den anderen in einer fremden Sprache gesprochen hatte (Sebastian L***** ON 29 S 35), der Angeklagte „sicher nicht" die treibende Kraft war (Raimund Z***** ON 29 S 41) sowie, dass „einer" (der Täter) dann zu Paul gesagt habe „dass er sich beruhigen soll" (Michael A***** ON 29 S 45), ein Indiz für die Anwendung bloß unerheblicher Gewalt und damit einer Fragestellung nach § 142 Abs 2 StGB gelegen sein sollte, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Eine Aussage, wonach der Angeklagte „versucht habe, die Situation zu beruhigen" oder „kalmierend auf seine Mittäter einzuwirken", ist dem Protokoll über die Hauptverhandlung im Übrigen gar nicht zu entnehmen. Die Diversionsrüge (Z 12a) orientiert sich nicht an den formalen Voraussetzungen diversionellen Vorgehens nach § 199 StPO, indem sie - die im Wahrspruch festgestellten Modalitäten der konkreten Tat im Übrigen ignorierend - bloß behauptet, das Täterverhalten wäre „bei rechtsrichtiger Beurteilung als minderschwerer Raub und damit als nicht in die Zuständigkeit des Schöffen- oder Geschworenengerichts fallende Straftat" zu qualifizieren gewesen (vgl § 198 Abs 2 Z 1 iVm § 31 Abs 3 Z 3 StPO) und ist schon deshalb einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.