7Ob158/09z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. Augustin M***** und 2. Christel M*****, beide *****, beide vertreten durch Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Raming, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Thaya, wegen 4.000 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 29. April 2009, GZ 16 Nc 5/09w 2, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die in Wien Döbling wohnenden Kläger begehren von der im Sprengel des angerufenen Bezirksgerichts (Gmünd) ansässigen Beklagten 4.000 EUR sA an Preisminderung. Die zum (bereits bezahlten) Preis von 52.000 EUR gelieferten und montierten Einbaumöbel seien entgegen der Vereinbarung angefertigt worden.
Die Beklagte erhob gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl Einspruch, bestritt das Klagevorbringen und beantragte als Beweismittel zunächst die Parteienvernehmung ihres Geschäftsführers und die Vernehmung ihres Mitarbeiters Nikolaus A*****, beide aus dem Sprengel des Bezirksgerichts Gmünd.
In ihrem vorbereitenden Schriftsatz bestritten die Kläger das Vorbringen im Einspruch und beantragten die Durchführung eines Lokalaugenscheins samt ihrer Vernehmung in ihrer Wohnung, weil insbesondere der Erstkläger aufgrund seines Leidens „nicht reisefähig" sei. Es werde aufgrund der Relevanz der Beweiswürdigung die Vernehmung durch das erkennende Gericht beantragt. Außerdem stellten sie den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet der Möbeltischlerei.
In der mündlichen Streitverhandlung vom 4. 3. 2009 beantragte die Beklagte die Vernehmung ihres weiteren Mitarbeiters Robert P***** als Zeugen, ebenfalls aus dem Sprengel des angerufenen Gerichts. Schließlich wurden - dem festgelegten Prozessprogramm entsprechend - die Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten als Parteien und die beiden Zeugen zur nächsten Verhandlung geladen.
Die Kläger beantragten nun die Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Döbling, weil auch die Zweitklägerin in ihrer Mobilität stark beeinträchtigt sei; die Kläger verfügten aus gesundheitlichen Gründen über kein eigenes Fahrzeug mehr. Das zentrale Beweisanbot sei die Parteienvernehmung, auch der von ihnen beantragte Lokalaugenschein sei relevant. Dem Geschäftsführer der Beklagten und deren als Zeugen geführten Mitarbeitern sei die Anreise zum Bezirksgericht Döbling zumutbar, weil Aufträge in Wien angenommen und durchgeführt würden.
Die Beklagte sprach sich gegen den Delegierungsantrag aus. Im Fall einer Delegierung müssten drei Personen zum auswärtigen Gericht anreisen. Die Anreise der Zweitklägerin zum Bezirksgericht Gmünd sei möglich und zumutbar. Der Erstkläger könne im Rechtshilfeweg vernommen werden. Der beantragte Ortsaugenschein sei nicht erforderlich. Die Anreise nach Wien würde für den Geschäftsführer der Beklagten und die beiden als Zeugen auftretenden Mitarbeiter einen gesamten Werktag beanspruchen, während der Arbeitsentfall bei einer Einvernahme vor dem Bezirksgericht Gmünd nur einen halben Tag betragen würde. Für den kleinen Betrieb der Beklagten würde die Delegation daher einen erheblichen Nachteil bedeuten.
Das Bezirksgericht Gmünd sprach sich ebenfalls gegen den Delegierungsantrag aus, weil bei Durchführung des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Gmünd zwar die Kläger, im Fall der Delegierung aber zwei Zeugen und der Geschäftsführer der Beklagten zum Gericht anreisen müssten. Die Vernehmung des Erstklägers könne (auch) im Rechtshilfeweg erfolgen, was nicht unüblich sei und keinesfalls als Benachteiligung der Kläger gewertet werden könne. Ob die Möbel entgegen der getroffenen Bestellung geliefert worden seien, werde durch Parteienvernehmung und die Einvernahme der beantragten Zeugen zu klären sein, ohne dass hiefür ein Ortsaugenschein erforderlich sei. Die Frage, in welcher Höhe ein allfälliger Preisminderungsanspruch der Kläger bestehe, könne nur durch einen Sachverständigen beantwortet werden.
Das Oberlandesgericht Wien wies den Delegierungsantrag ab. Grundsätzlich gebe die Berücksichtigung der Zweckmäßigkeit dem über die Delegation erkennenden Gericht einen weiten Spielraum. Dabei sei jedoch zu beachten, dass eine Delegation nur den Ausnahmefall darstelle und dass durch großzügige Handhabung der Möglichkeiten nicht eine Durchlöcherung der Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werde. Wenn die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien beantwortet werden könne und eine Partei der Delegation widerspreche, sei dieser der Vorzug zu geben. Gegen den Widerstand des Prozessgegners habe eine Delegation nur dann zu erfolgen, wenn ihre Zweckmäßigkeit klar erkennbar sei. Die Zweckmäßigkeit sei dann zu bejahen, wenn die Delegation zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Verfahrens beitragen könne. Dies treffe vor allem dann zu, wenn sich die Wohnorte der Mehrzahl der Zeugen und einer oder beider Parteien im Sprengel des anderen Gerichts befänden. Wie bereits das vorlegende Gericht zutreffend bemerkt habe, scheine die Durchführung eines Lokalaugenscheins zum gegenwärtigen Verfahrensstand nicht erforderlich, und die Vernehmung der Zweitklägerin könne vor dem Bezirksgericht Gmünd erfolgen. Der überwiegende Teil des Beweisverfahrens könne daher vor dem Bezirksgericht Gmünd durchgeführt werden, lediglich der Erstkläger müsse im Rechtshilfeweg einvernommen werden. Die Voraussetzungen für die Bejahung der Zweckmäßigkeit im Sinn des § 31 Abs 1 JN lägen daher nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von den Klägern erhobene Rekurs ist zulässig, weil Entscheidungen des Oberlandesgerichts in Delegierungsfragen, die in Wahrnehmung einer erstgerichtlichen Funktion ergehen, ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO bekämpfbar sind, soweit einer Anrufung des Obersten Gerichtshofs nicht der Anfechtungsausschluss des § 519 ZPO entgegensteht (RIS Justiz RS0106758; RS0116349; 8 ObA 29/08k mwN = RS0046269 [T2]).
Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Der erkennende Senat teilt die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, auf dessen Ausführungen gemäß § 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO verwiesen wird. Diese Ausführungen sind daher nur kurz zu ergänzen.
Die Rekurswerber halten daran fest, dass ein Lokalaugenschein in ihrer Wohnung als „unerlässlich" einzustufen sei und verweisen auf ihre gesundheitlichen Probleme, die sie in ihrer Mobilität beeinträchtigten.
Im Hinblick darauf, dass von den nach dem weiteren Prozessprogramm zu vernehmenden fünf Personen nur die beiden Kläger im Sprengel des Bezirksgerichts Döbling wohnen, während drei aus dem Sprengel des angerufenen Gerichts (Bezirksgericht Gmünd) stammen, kann hier aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Frage der Zweckmäßigkeit der Delegierung eindeutig zugunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann:
Den Problemen der Kläger hinsichtlich einer Anreise zum Bezirksgericht Gmünd stehen nämlich die Erschwernisse gegenüber, die eine Delegierung nach Wien für die Beklagte zur Folge hätte. Außerdem wurde über den beantragten Lokalaugenschein noch gar nicht entschieden; die Kläger haben vielmehr auch die Begutachtung durch einen Sachverständigen aus dem Gebiet der Möbeltischlerei beantragt, und nach dem weiteren Prozessprogramm blieb die Einholung eines Sachverständigengutachtens ausdrücklich vorbehalten. Selbst wenn sich eine Befundaufnahme in Wien als erforderlich erweisen sollte, würde sich jedoch bei einer Bestellung des Sachverständigen durch das Bezirksgericht Gmünd kein Mehraufwand für die Parteien gegenüber dem Fall einer Bestellung nach erfolgter Delegation ergeben.
Spricht die Zweckmäßigkeit aber nicht eindeutig für die Durchführung des Verfahrens vor dem Gericht, das zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden soll, so ist - nach ständiger Rechtsprechung - der Partei, die der Delegierung widerspricht, der Vorzug zu geben (RIS Justiz RS0046324; RS0046589; 8 Nc 13/08s).
Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.