11Os140/09m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Katharina L***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 35 Hv 184/08h des Landesgerichts Salzburg, über die Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 11. August 2009, AZ 10 Bs 231/09f (ON 209 der Hv-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Katharina L***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz der Beschwerde der Angeklagten Katharina L***** gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 24. Juli 2009, GZ 35 Hv 184/08h-203, mit dem ihr am selben Tag in der Hauptverhandlung gestellter Enthaftungsantrag (ON 202 S 9) abgelehnt worden war, nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO an.
Nach den Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts steht die Angeklagte im dringenden Verdacht, sie habe
I. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, teils unter Verwendung falscher Urkunden, zu Handlungen verleitet, die Friedrich H***** an seinem Vermögen in einer 50.000 Euro übersteigenden Höhe, nämlich in Höhe von 271.549,03 Euro schädigten, und zwar
1. im Juni 2007 in Zell am See Friedrich H***** durch Vorgabe, für diesen in Deutschland ein Porsche Carrera Cabrio günstig zu erwerben, zur Ausfolgung von Bargeldbeträgen in Höhe von zusammen 55.000 Euro und eines Bargeldbetrags in Höhe von 44.000 Euro;
2. vom 10. bis zum 16. August 2007 in Zell am See Karl-Heinz W***** und andere Verfügungsberechtigte der B***** durch Vorlage der von ihr ausgefüllten und von Friedrich H***** zuvor erschlichenen Blankoüberweisungsbelege, mithin unter Verwendung falscher Urkunden, und durch Vorgabe, Friedrich H***** habe den konkreten Überweisungen zugestimmt, zur Durchführung von drei Überweisungen von im Beschluss näher bezeichneten Konten und zwar:
Rechtliche Beurteilung
Die Grundrechtsbeschwerde ist unberechtigt.
Zum dringenden Tatverdacht fehlt es ihr mangels entsprechenden Vorbringens in der Haftbeschwerde (ON 204) an der erforderlichen Ausschöpfung des Instanzenzugs (§ 1 Abs 1 GRBG; RIS-Justiz RS0114487 [insbesondere T6, T8, T9, T11 bis T15]). Nach Maßgabe der durch § 1 Abs 1 GRBG verlangten, nicht bloß formalen (nämlich durch Anrufung des Rechtsmittelgerichts), vielmehr auch inhaltlichen Ausschöpfung (vgl § 88 Abs 1 erster Satz StPO) sind im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde nämlich nur jene - nicht allein die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts betreffenden - Argumente im Sinn des § 3 Abs 1 GRBG beachtlich, welche der Beschwerdeführer bereits in einer zulässigen Beschwerde gegenüber dem Rechtsmittelgericht geltend gemacht hatte. Die durch § 61 Abs 1 Z 1 StPO angeordnete notwendige Verteidigung „im gesamten Verfahren, wenn und solange" der Beschuldigte (§ 48 Abs 2 StPO) „in Untersuchungshaft oder gemäß § 173 Abs 4 StPO angehalten wird", ermöglicht ohne weiteres die Einhaltung dieser (bloß) in Betreff der Beschwerdeführung vor dem Höchstgericht geltenden Prozessvoraussetzung (13 Os 55/09a, 13 Os 73/09y).
Zudem verfehlt die Grundrechtsbeschwerde den gesetzlichen Bezugspunkt, soweit sie - weitgehend wörtlich - das Vorbringen der Haftbeschwerde wiederholt und demnach großteils (mehrfach ausdrücklich) auf die Begründung der erstinstanzlichen Haftentscheidung rekurriert, anstatt sich mit der Argumentation des Oberlandesgerichts in der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen (vgl Kirchbacher/Rami, WK-StPO vor § 170-189 Rz 25; RIS-Justiz RS0110146, RS0106464).
Die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren überprüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens darauf, ob sich diese angesichts der zugrundegelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt. Dabei kann die in der Begründung des Haftbeschlusses zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen, die erst in der Gesamtschau mit anderen die Prognoseentscheidung tragen, nicht in Frage gestellt werden, es sei denn, eine als willkürlich kritisierte bestimmte Tatsache bildete erkennbar eine notwendige Bedingung für die Prognose (RIS-Justiz RS0117806).
Indem die Angeklagte, die sich mit ihrem übrigen Vorbringen gar nicht auf den angefochtenen Beschluss bezieht, gegen die Annahme von Fluchtgefahr in der Beschwerdeentscheidung bloß einwendet, das Oberlandesgericht habe „unbewiesen" Auslandskontakte angenommen, und dabei die übrige, die Annahme des Haftgrundes durchaus tragende Argumentation (BS 6 f) ignoriert, bezeichnet sie keine solche Willkür.
Die keine Verletzung des verfassungsmäßig geschützten Rechts auf persönliche Freiheit aufzeigende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.