11Os136/09y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael L*****, und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Michael S***** sowie über die Berufungen des Angeklagten Michael L***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. April 2009, GZ 121 Hv 92/08y-217, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Michael S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche Mitangeklagter sowie mehrere Freisprüche enthaltenden - Urteil wurde Michael S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er zwischen Oktober 2005 und Mai 2007 in Wien und an anderen Orten - zusammengefasst wiedergegeben - im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) mit Michael L***** und Gabriela R***** in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, im Urteil namentlich genannte 53 Personen zur Aufnahme von Krediten bei der E***** (I./a./ bis I./yy./) und Überlassung der Kreditvaluta an die M***** GmbH unter Täuschung darüber verleitet, dass mit dem Geld Liegenschaften, insbesondere Wohnungen gekauft, teurer weiterverkauft, vom Erlös der Kredit zurückgezahlt und bis dahin die Kreditzinsen von der M***** GmbH bezahlt würden, indem Michael L***** und Michael S***** die Vorgangsweise planten und mit Gabriela R***** vereinbarten, der Erstangeklagte mit Hilfe von Rosalynd M***** und anderen Personen Kreditnehmer anwarben und deren Verbindung mit R***** herstellten, Michael S***** geeignet erscheinende Liegenschaften auswählte und Gabriela R***** die Kredite gewährte oder die Kreditgewährung einleitete, vorbereitete oder maßgeblich förderte, wobei der Eintritt eines Vermögensschadens in Höhe von 8.627.650 Euro bei den Kreditnehmern unterblieb, weil die E***** diese nicht in Anspruch nahm.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michael S*****, die fehlschlägt.
In der Mängelrüge behauptet der Beschwerdeführer, das Gericht habe wesentliche Aussagen der geständigen Angeklagten Michael L***** und Gabriela R***** unberücksichtigt gelassen.
Der Rechtsmittelwerber verkennt bei seinen Ausführungen den Umfang der auf eine gedrängte Darstellung der entscheidenden Umstände beschränkten - durch § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO abgesicherten - gerichtlichen Begründungspflicht (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Das Gericht muss nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt sämtliche Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtern und darauf untersuchen, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen Einwand im Voraus (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428) auseinandersetzen. Weiters lässt er außer Acht, dass sich das Aufgreifen von formalen Mängeln auf entscheidende Tatsachen beziehen muss, das sind solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind und entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (RIS-Justiz RS0106268).
Die Mängelrüge bezieht sich unter anderem auf Beweisergebnisse, die den Urteilsfeststellungen gar nicht entgegenstehen, wie jener Teil der Aussage des Michael L*****, wonach Michael S***** niemals Gespräche mit den Kreditnehmern geführt habe (ON 199 S 31) und dabei nicht aktiv beteiligt gewesen sei (ON 205 S 21), oder der Aussage der Gabriela R*****, sie glaube, es sei ein gemeinsames Konzept gewesen (ON 205 S 37).
Das Erstgericht ging nämlich davon aus, dass die Idee von Michael L***** und dem Beschwerdeführer stammte (US 26), der aber in die unmittelbare Kreditvereinbarung und -bewilligung nicht in allen Fällen persönlich involviert war (US 31), nicht die rhetorischen Fähigkeiten des L***** aufgewiesen und daher im Sinn der besprochenen arbeitsteiligen Vorgangsweise im Hintergrund agiert habe (US 48 f). Kein Begründungsdefizit liegt auch darin, dass sich das Gericht mit zunächst allgemein gehaltenen Aussagen der Mitangeklagten über das Ausmaß der Involvierung des Michael S*****, die in weiterer Folge nicht aufrechterhalten wurden, sondern durch konkrete belastende Angaben, insbesondere des Michael L*****, ersetzt wurden, nicht näher auseinandersetzte.
Dies gilt - mangels Erheblichkeit - auch für die Aussage der Gabriele R*****, wonach zum einen der Angeklagte S***** von fingierten Kaufverträgen nichts gewusst habe, weil der Tatplan manipulierte Kredit-(nicht Kauf-)verträge umfasste, zum anderen die Angeklagte M***** in die Gespräche nicht eingebunden gewesen wäre und R***** kein Geld von Michael S***** erhalten hätte.
Insgesamt versucht der Beschwerdeführer durch isolierte Betrachtung einzelner Passagen in den Aussagen lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts zu bekämpfen, ohne ein formales Begründungsdefizit im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen. Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen, somit zu schuld- oder subsumtionserheblichen Tatumständen, und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen (RIS-Justiz RS0118780). Insoweit der Beschwerdeführer - ähnlich den Ausführungen zur Mängelrüge - bloß eigene Beweiswerterwägungen den relevanten Urteilsfeststellungen entgegenstellt, misslingt es ihm, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken an den dem Schuldspruch zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers (§ 24 StPO) - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Michael S***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.