11Os129/09v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz R***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB, AZ 3 U 93/08f des Bezirksgerichts Schwaz bzw AZ 2 U 121/08v des Bezirksgerichts Zell am Ziller, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 12. Dezember 2008, AZ 21 Bl 451/08v, und den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 31. März 2009, AZ 6 Ns 27/09i, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, zu Recht erkannt:
Spruch
In der Strafsache gegen Franz R***** wegen § 111 Abs 1 StGB, AZ 3 U 93/08f des Bezirksgerichts Schwaz bzw AZ 2 U 121/08v des Bezirksgerichts Zell am Ziller, verletzen das Gesetz 1./ der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 12. Dezember 2008, AZ 21 Bl 451/08v, der in der Begründung die Zuständigkeit des Landesgerichts als Einzelrichter zur Entscheidung über negative Kompetenzkonflikte zweier untergeordneter Bezirksgerichte bejahte, 2./ der Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 31. März 2009, AZ 6 Ns 27/09i, der die Zuständigkeit des Drei-Richter-Senats des Landesgerichts zur Entscheidung über negative Kompetenzkonflikte zweier untergeordneter Bezirksgerichte aussprach,
in §§ 31 Abs 5, 33 Abs 1 Z 5 StPO in der zwischen 1. Jänner 2008 und 17. Juni 2009 geltenden Fassung.
Der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 12. Dezember 2008, AZ 21 Bl 451/08v, wird aufgehoben.
Text
Gründe:
In der Strafsache gegen Franz R***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede gemäß § 111 Abs 1 StGB besteht ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen dem Bezirksgericht Schwaz (AZ 3 U 93/08f) und dem Bezirksgericht Zell am Ziller (AZ 2 U 121/08v). Das Bezirksgericht Zell am Ziller legte am 24. Oktober 2008 den Akt (ON 1 S 3 in AZ 2 U 121/08v) zur Entscheidung dem Landesgericht Innsbruck vor. Der Drei-Richter-Senat sprach mit Beschluss vom 12. Dezember 2008 (AZ 21 Bl 451/08v) die eigene Unzuständigkeit aus. Zur Begründung legte der Senat dar, dass gemäß § 38 StPO die Entscheidung des gemeinsam übergeordneten Gerichts, somit des Landesgerichts Innsbruck, zu erwirken sei. Mangels gesetzlicher Regelung, ob diese Entscheidung dem Einzelrichter oder einem Drei-Richter-Senat zukomme, liege eine durch Analogie zu schließende planwidrige Lücke vor. Aus einer Zusammenschau des § 64 Abs 1 StPO in der vor dem 1. Jänner 2008 geltenden Fassung mit §§ 31 und 32 StPO sowie unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des konkret nicht für relevant erachteten § 516 StPO ergäbe sich die Unzuständigkeit des Drei-Richter-Senats, weswegen der Einzelrichter des Landesgerichts zur Entscheidung berufen sei. Dieser Beschluss, der nur dem Angeklagten, nicht auch dem Privatankläger zugestellt wurde, blieb - ohne Bindungswirkung zu entfalten - unbekämpft.
Der in weiterer Folge mit dem Zuständigkeitsstreit befasste Einzelrichter legte den Akt gemäß § 33 Abs 1 Z 5 StPO iVm § 38 StPO dem Oberlandesgericht Innsbruck vor.
Dieses sprach mit Beschluss vom 31. März 2009, AZ 6 Ns 27/09i, aus, dass zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt das Landesgericht Innsbruck (§ 31 Abs 5 StPO) zuständig sei, wobei es dies - ausgehend von § 38 letzter Satz StPO sowie der vor dem 1. Jänner 2008 in Geltung stehenden Bestimmung des § 64 Abs 1 StPO, die die Zuständigkeit in dieser Frage der Ratskammer des Gerichtshofs erster Instanz zuwies - aus § 516 Abs 3 dritter Satz StPO ableitete.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, stehen diese Beschlüsse mit dem - zu den Entscheidungszeitpunkten geltenden - Gesetz nicht in Einklang.
§ 38 StPO regelt das Vorgehen im Fall eines örtlichen oder sachlichen negativen Kompetenzkonflikts. Anders als im Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter liegt im bezirksgerichtlichen Verfahren ein Kompetenzkonflikt bereits vor, wenn beide Bezirksgerichte ihre örtliche Zuständigkeit (bloß) verneinen, weil § 450 StPO (anders als § 485 Abs 1 StPO für den Einzelrichter) keine Prüfung des Strafantrags in Betreff der örtlichen Zuständigkeit - bei deren Verneinung ein (anfechtbarer) Beschluss des Einzelrichters zu ergehen hat - vorsieht. § 38 letzter Satz StPO ordnet für diesen Fall eines Kompetenzkonflikts die Entscheidung des gemeinsam übergeordneten Gerichts an.
Die sachliche Zuständigkeit des Landesgerichts wird abschließend (Markel, WK-StPO § 31 Rz 2) von § 31 StPO geregelt. In der zwischen 1. Jänner 2008 und 17. Juni 2009 geltenden (vgl § 31 Abs 5 Z 1 StPO in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52), bei der Überprüfung der gegenständlichen Entscheidungen anzuwendenden Fassung sah diese Bestimmung eine Zuständigkeit des Landesgerichts zur Entscheidung über negative Kompetenzkonflikte nicht vor. Vielmehr wies § 33 Abs 1 Z 5 StPO in der in dieser Zeitspanne geltenden Fassung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 38 StPO diese Kompetenz allein dem Oberlandesgericht zu.
Für die Annahme einer planwidrigen, im Wege der Analogie zu schließenden Lücke bleibt daher kein Raum. Vielmehr war auch für Kompetenzkonflikte zwischen Bezirksgerichten desselben Oberlandesgerichtssprengels das ihnen gemeinsam übergeordnete Oberlandesgericht und bei Gerichten, die nicht dem Sprengel desselben Oberlandesgerichts zuzuordnen waren, der Oberste Gerichtshof als gemeinsam übergeordnetes Gericht zur Entscheidung berufen (Fabrizy, StPO10 § 33 Rz 1, § 38 Rz 1).
Der die Zuständigkeit des Drei-Richter-Senats des Landesgerichts Innsbruck aussprechende Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 31. März 2009, AZ 6 Ns 27/09i und der in seiner Begründung die Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts bejahende Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 12. Dezember 2008, AZ 21 Bl 451/08v, widersprachen daher dem im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt geltenden Gesetz.
Während der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 12. Dezember 2008, der die Zuständigkeit des Landesgerichts als Drei-Richter-Senat verneinte, zur Klarstellung aufzuheben war, sah sich der Oberste Gerichtshof nicht dazu veranlasst, auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck aufzuheben, weil nunmehr nach §§ 38, 31 Abs 5 Z 1 StPO in der seit 17. Juni 2009 geltenden Fassung der Senat von drei Richtern des Landesgerichts zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt berufen ist.