12Os68/09f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Bartosz S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Bartosz S***** und Boleslaw P***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 18. März 2009, GZ 448 Hv 5/08h-140, sowie über die Beschwerde des Angeklagten P***** gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten S***** und P***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch den rechtskräftigen Schuldspruch des Mitangeklagten Kamil W*****, Teilfreisprüche und einen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden Urteil wurden Bartosz S***** und Boleslaw P***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie am 24. März 2008 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe und durch Gewalt fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Standtresor mit Bargeld Verfügungsberechtigten des Kaufhauses S***** mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht, indem Boleslaw P***** eine Gaspistole gegen Fatih P***** richtete, ihm Bartosz S***** einen Schlag versetzte sowie ihn mit Klebeband gewaltsam an Händen und Füßen fesselte und beide ihm den Zentralschlüssel des Kaufhauses S***** wegnahmen, wobei sie jedoch auf dem Weg zum Kassenraum betreten wurden.
In ihrem Wahrspruch hatten die Geschworenen - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung - Hauptfragen (2 und 4) nach schwerem Raub bejaht und die Eventualfragen 2 und 4 nach Diebstahl durch Einbruch gemäß §§ 127, 129 Z 1 StGB demnach unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
Den gegen diesen Schuldspruch gerichteten, jeweils auf Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten S***** und P***** kommt keine Berechtigung zu.
Die Fragenrüge des Angeklagten S***** kritisiert die unterbliebene Aufnahme der Art des mitgeführten Einbruchswerkzeugs (einer Brechstange) und der Passage „indem er ... zur Tatausführung ein Klebeband mit sich führte, um den Widerstand von Personen, nämlich Sicherheitsleuten, zu überwinden" in die auf das Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB gerichtete Eventualfrage 2.
Solcherart werden zum einen bloß Umstände angeführt, die eine rechtliche Unterstellung des Sachverhalts auch unter Z 4 des § 129 StGB ermöglichen könnten, womit die Rüge insoweit nicht zum Vorteil des Beschwerdeführers ausgeführt wird. Aus welchem Grund die Beschreibung des Werkzeugs, mit dem der Angeklagte versperrte Türen aufbrechen wollte, zur deutlichen Bezeichnung der Tat notwendig sein sollte, um Nichtigkeit des Urteils aus Z 6 zu verhindern (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 40 f), legt die Beschwerde nicht dar. Sowohl in Haupt- als auch in Eventualfragen sind nämlich alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw soweit beizufügen, als es zur deutlichen Kennzeichnung der Tat im Urteil - welches ja sonst (in den Gründen) keine Sachverhaltsschilderungen enthält (§ 342 StPO) - oder für die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche notwendig ist. Einer darüber hinausgehenden „Spezialisierung" bzw einer näheren Erläuterung des Tathergangs, also einer erschöpfenden Beschreibung des gesamten Geschehens in allen Einzelheiten, bedarf es hingegen nicht. Aus dem Wahrspruch müssen vielmehr lediglich alle schuldbezogenen Elemente, die als erwiesen angenommen oder verneint worden sind, hervorkommen (Schindler, WK-StPO § 312 Rz 47 ff, § 314 Rz 4; 14 Os 75/07x).
Damit verfehlen jedoch auch die Forderungen des Angeklagten P*****, in die Eventualfrage 4 nach Diebstahl durch Einbruch aufzunehmen, „dass der Portier zum Schein überfallen worden ist, um eine Raubtat 'echter' aussehen zu lassen", und sein Begehren, „es hätte auch eine Eventualfrage mit diesen Prämissen dahingehend gestellt werden müssen, dass der Drittangeklagte vom Erstangeklagten dahingehend informiert wurde, dass der Portier eingeweiht war", den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.
Die (bei nach Raub unter Verwendung einer Waffe gestellter Hauptfrage) das Unterbleiben einer Eventualfrage nach unqualifiziertem Raub gemäß § 142 Abs 1 StGB monierende Fragenrüge des Angeklagten S***** legt nicht in einer für eine Erörterung in einem Gerichtstag erforderlichen Ableitung aus dem Gesetz dar, inwieweit dem Schwurgerichtshof bei der Fragestellung ein dem Beschwerdeführer zum Nachteil gereichender (§ 345 Abs 4 StPO) Fehler unterlaufen ist, zumal dieser gemäß § 317 Abs 2 StPO berechtigt war, im Gesetz namentlich angeführte Erschwerungsgründe, die - wie vorliegend die Begehung einer Raubtat unter Verwendung einer Waffe - den Gegenstand einer uneigentlichen Zusatzfrage (§ 316 StPO) bilden, in die Hauptfrage aufzunehmen (RIS-Justiz RS0100662; RS0116961; jüngst 12 Os 11/09y). Im Übrigen war es den Geschworenen gemäß § 330 Abs 2 StPO gestattet, eine Frage nur teilweise zu bejahen, worüber sie auch ausdrücklich belehrt worden waren (S 2 der Rechtsbelehrung, Beilage ./C, sowie Beilage ./E zum Hauptverhandlungsprotokoll). Einzig unter Hinweis auf die Verantwortung der Angeklagten, sie seien betrunken gewesen, wenden sich beide Interrogationsrügen schlussendlich gegen das Unterbleiben von Eventualfragen in Richtung „§§ 11 bzw 287 Abs 1 StGB" (gemeint wohl: einer Zusatzfrage in Richtung § 11 StGB und einer Eventualfrage nach § 287 Abs 1 StGB [Schindler, WK-StPO § 317 Rz 32; Plöchl in WK2 § 287 Rz 39]), ohne damit ein entsprechendes Sachverhaltsvorbringen in der Hauptverhandlung aufzuzeigen (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42; Schindler, WK-StPO § 313 Rz 6 ff), das deren infolge Alkoholgenusses bestehende Unfähigkeit indiziert hätte, das Unrecht ihrer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 Abs 1 StPO.