15Os70/09x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer in der Strafsache gegen Nenad T***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. September 2008, GZ 54 Hv 193/07g-138, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Angeklagten Dusan S***** enthaltenden - Urteil wurde Nenad T***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (A./I./1./ und 2./) und des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach (dem am 1. März 2005 in Kraft getretenen, gegenüber § 114 ASVG idF vor BGBl I 2004/152 günstigeren [§ 61 StGB]) § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB (A./II./1./ und 2./) schuldig erkannt.
Danach hat - soweit von Bedeutung - Nenad T***** in Wien A./ von 16. September 2003 bis 20. Jänner 2004 als handelsrechtlicher Geschäftsführer, danach als de facto Geschäftsführer der N***** GmbH und als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P***** GmbH I./ (zu ergänzen: somit als leitender Angestellter einer juristischen Person, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war,) in den Jahren 2004 und 2005 Bestandteile deren Vermögens, nämlich einlangende Zahlungen beiseite geschafft und das Vermögen wirklich verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, und zwar
1./ indem er einen Bargeldbetrag von 1.523.214 Euro entnahm und insbesondere durch Scheinrechnungen von Subfirmen deckte, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro jedenfalls übersteigenden Schaden herbeiführte;
2./ indem er am 9. Mai 2006 (gemeint: 2005, US 16) trotz bereits erfolgter Konkurseröffnung in mehreren Angriffen 16.940 Euro vom Konto der P***** GmbH behob;
II./ die Dienstgeber waren, Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung einbehalten und dem berechtigten Versicherungsträger, der Wiener Gebietskrankenkasse, vorenthalten, und zwar
1./ von August 2005 bis März 2006 111.983,97 Euro;
2./ von Dezember 2003 bis Oktober 2004 287.526,92 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T*****; sie schlägt fehl.
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu A./I./, vernachlässigt jedoch die hinreichenden Urteilsausführungen, dass die Tatrichter die bezeichneten Konstatierungen aus den in Scheinrechnungen bestehenden Deckungshandlungen abzuleiten vermochten (US 35).
Mit dem Vorbringen zu II./2./, der Geschäftsführer A***** habe am 14. Mai 2004 eine Zahlung an die Gebietskrankenkasse im Betrag von 230.000 Euro geleistet (s US 9 f) und am 16. Mai 2004 eine Ratenvereinbarung über 38.350 Euro abgeschlossen, macht der Beschwerdeführer der Sache nach den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (§ 153c Abs 3 StGB) geltend (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO). Dabei übergeht er jedoch die Feststellung des Erstgerichts, dass für die N***** GmbH zuletzt - von ihm anerkannt - Dienstnehmeranteile in Höhe von insgesamt 287.526,92 Euro offen waren (US 12, 35), und lässt auch die Aussage der Zeugin Dr. B***** außer Acht, wonach die Ratenvereinbarung nicht eingehalten, vielmehr nur eine Anzahlung bezahlt und lediglich eine Rate beglichen worden sei (S 461 in ON 128/VI). Aufgrund dieses Beweisergebnisses war tätige Reue nicht indiziert (s § 153c Abs 4 StGB), sodass das Erstgericht zu Konstatierungen über die Ratenvereinbarung nicht verhalten war. Der unter dem Aspekt unvollständiger Begründung vorgetragene Einwand, die Tatrichter hätten hinsichtlich weiterer, von der Wohnbauvereinigung der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (WBV-GÖD) nicht bezahlter Leistungen der „N*****" Feststellungen treffen müssen, wobei die ausständigen Zahlungen ausschlaggebend für die finanziellen Schwierigkeiten und den Konkurs der „N*****" gewesen seien, entzieht sich mangels Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse einer inhaltlichen Erwiderung. Das Vorbringen geht überdies auch deshalb ins Leere, weil dem Beschwerdeführer nach den Urteilsannahmen gerade angelastet wird, etwa eine Million Euro, welche von der WBV-GÖD an die P***** GmbH ausbezahlt worden waren, beiseite geschafft und nicht an die Subunternehmerin N***** GmbH weitergeleitet zu haben (US 13). Aus welchen Verfahrensergebnissen das Erstgericht ableiten hätte sollen, dass für die finanziellen Schwierigkeiten der „P*****" ausständige Zahlungen der W***** bei der Messe ursächlich gewesen seien, legt die Rüge nicht dar, ebenso wenig, aus welchem Grund dies für die Verwirklichung des Tatbestands nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB entscheidungserheblich sei, setzt doch dieser eine wirtschaftliche Krisensituation gar nicht voraus (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 156 Rz 5).
Indem die Rüge Details der Angaben der Zeugin Be***** isoliert aus dem Zusammenhang herausgreift, sucht sie der Verantwortung des Angeklagten T*****, es habe sich bei den Deckungsrechnungen bloß um überhöhte Rechnungen, nicht aber um Scheinrechnungen gehandelt, zum Durchbruch zu verhelfen. Damit wird aber kein Begründungsmangel iSd Z 5 dargetan, sondern nach Art einer in kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Form Kritik an der Beweiswürdigung geübt.
Das unsubstanziierte Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a), das Ersturteil sei mit entscheidenden Begründungsmängeln behaftet, undeutlich, unvollständig und stehe mit sich selbst in Widerspruch, ist einer sachlichen Erwiderung nicht zugänglich.
Das Erstgericht hat die leugnende Verantwortung des Angeklagten T***** - ausgehend von den zur Deckung der Privatentnahmen verbuchten Scheinrechnungen (US 14 f), die in der Sphäre der Angeklagten erstellt worden waren und die teilweise nicht existente Rechnungsnummern aufwiesen - als widerlegt erachtet (US 20 f) und die subjektive Tatseite des Beschwerdeführers zulässiger Weise aus dem objektiven Tatgeschehen abgeleitet (US 35).
Der die Erwägungen der Tatrichter zur Gänze übergehenden, lediglich auf die Verantwortung des Angeklagten T***** verweisenden Beschwerdekritik der Tatsachenrüge, wonach es wegen Zahlungsverzugs des Auftraggebers zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten gekommen sei, fehlt die Eignung, erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Weshalb die Privatentnahmen, selbst bei Zahlungsverzug des Auftraggebers, mit dem Ausfall der Befriedigung der Gläubiger in keinem ursächlichen Zusammenhang stehen sollten, legt die Beschwerde nicht dar. Voraussetzung für die prozessordnungsgemäße Geltendmachung materieller Nichtigkeit ist das Festhalten an den in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen in ihrer Gesamtheit (RIS-Justiz RS0099810).
Indem die auf Z 9 lit a (der Sache nach Z 10) gestützte Rüge einen Mangel an Feststellungen zur subjektiven Tatseite des § 156 StGB behauptet und die Anwendung des § 159 StGB für sich reklamiert, die entsprechenden Konstatierungen des Erstgerichts zur inneren Tatseite (US 17 f) aber übergeht, wird sie diesem Erfordernis nicht gerecht. Das Vorbringen, nach dem Ergebnis der letzten Hauptverhandlung und dem ergänzten Sachverständigengutachten könne nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit angenommen werden, „ob ein Teil der Rechnungen überhöht ausgestellt wurden und keine Scheinrechnungen darstellten", entfernt sich von den gegenteiligen Konstatierungen (US 13 f und US 19), wonach den Verrechnungen keine entsprechenden Rechtsgeschäfte mit den angeblichen „Subfirmen" zugrunde lagen (US 32).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.