JudikaturOGH

11Os85/09y – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juni 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofmann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mag. Dr. Friedrich K***** und andere wegen des Vergehens der fahrlässigen Verletzung der Freiheit der Person oder des Hausrechts nach § 303 StGB, AZ 9 U 176/07f des Bezirksgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 29. Mai 2008, GZ 9 U 176/07f-79, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 29. Mai 2008, GZ 9 U 176/07f-79, verletzt § 393a Abs 1 StPO.

Text

Gründe:

Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 26. Februar 2008, AZ 11 Os 6/08d (11 Os 7/08a, 8/08y, 9/08w, 10/08t), wurde in der Strafsache gegen Mag. Dr. Friedrich K***** und andere wegen des Vergehens der fahrlässigen Verletzung der Freiheit der Person oder des Hausrechts nach § 303 StGB, AZ 9 U 176/07f des Bezirksgerichts Innsbruck (vormals AZ 30 Ur 78/04i des Landesgerichts Innsbruck und AZ 8 U 610/05v des Bezirksgerichts Innsbruck), infolge einer von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes den Subsidiaranträgen des Raimund G***** und der Manuela G***** vom 24. Juni 2005 sowie des Mag. Andreas Ge***** vom 23. Februar 2006 nicht Folge gegeben, das über die (Subsidiar )Bestrafungsanträge des Mag. Andreas Ge***** vom 23. Februar 2006 und des Raimund G***** vom 29. Dezember 2005 anhängige Verfahren gemäß § 451 Abs 2 StPO zur Gänze eingestellt und nach § 390 Abs 1 StPO die Verpflichtung der Subsidiarankläger Mag. Andreas Ge***** und Raimund G***** zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens ausgesprochen (ON 78 in den Akten AZ 9 U 176/07f des Bezirksgerichts Innsbruck).

Über Antrag des Mag. Dr. Friedrich K***** vom 17. März 2008 (ON 76) bestimmte das Bezirksgericht Innsbruck mit Beschluss vom 29. Mai 2008 (ON 79) den vom Bund gemäß § 393a Abs 1 Z 4 StPO zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung mit 450 Euro zuzüglich Barauslagen in der Höhe von 55,32 Euro. Während die Staatsanwaltschaft Innsbruck zu diesem Beschluss einen Rechtsmittelverzicht abgab (S 288/III), erhob Mag. Dr. Friedrich K***** dagegen Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, die Antragstellung sei irrtümlich erfolgt (richtig wäre ein Antrag gemäß § 390 StPO auf Kostentragung durch die Subsidiarantragsteller gewesen), eine bereits vorbereitete Antragsrückziehung habe nicht mehr rechtzeitig eingebracht werden können (ON 80). Das Landesgericht Innsbruck als Beschwerdegericht hat über das Rechtsmittel noch nicht entschieden und (im Wege der Staatsanwaltschaft) die Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes angeregt, weil der angefochtene Beschluss mangels Beschwer nicht behoben werden könne (siehe ON 84). Über den Antrag des Mag. Dr. Friedrich K***** vom 24. Juni 2008 auf Bestimmung der von den Subsidiaranklägern zu ersetzenden Kosten (ON 82) wurde bislang noch nicht abgesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 29. Mai 2008, GZ 9 U 176/07f-79, steht - wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 393a Abs 1 StPO hat der Bund auf Antrag des Angeklagten einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten, wenn er nicht lediglich aufgrund einer Privatanklage oder der Anklage eines Privatbeteiligten (§ 48 StPO aF; nunmehr § 72 StPO) freigesprochen oder das Strafverfahren nach Durchführung einer Hauptverhandlung gemäß § 227 StPO oder nach einer gemäß den §§ 353, 362 oder 363a StPO erfolgten Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens eingestellt wurde.

Im vorliegenden Fall kam es weder zu einem Freispruch des Angeklagten noch zu einer Einstellung des Verfahrens nach Durchführung einer Hauptverhandlung gemäß § 227 StPO oder nach einer - ordentlichen oder außerordentlichen - Wiederaufnahme (§§ 353 bzw 362 StPO) oder nach einer Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO). Vielmehr wurde das aufgrund der Anzeigen des Mag. Andreas Ge***** vom 15. Jänner 2004 (ON 2), 26. Mai 2004 (ON 12), 18. Juni 2004 (ON 11) und 26. August 2004 (ON 13) eingeleitete Strafverfahren - nach Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen - mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 3. Juni (2005) gemäß § 90 Abs 1 StPO aF eingestellt und wurden die Anzeigen des Raimund G***** vom 6. September 2004 (ON 26 sowie ON 2 in ON 30) und vom 10. März 2005 (ON 28) von der Staatsanwaltschaft bereits „a limine" zurückgelegt (S 3i im Antrags- und Verfügungsbogen). Die Fortsetzung des Verfahrens gegen Mag. Dr. Friedrich K***** erfolgte ausschließlich auf Betreiben der Privatbeteiligten Raimund und Manuela G***** (ON 4 in ON 30) sowie Mag. Andreas Ge***** (ON 2 in ON 48) als Subsidiarantragsteller bzw Subsidiarankläger.

Die taxativen (Lendl, WK-StPO § 393a Rz 2) Voraussetzungen des § 393a Abs 1 StPO für die Bestimmung eines vom Bund zu leistenden Beitrags zu den Kosten der Verteidigung des Angeklagten lagen daher sinnfällig nicht vor.

Dem Kostenwerber ist durch den - wenngleich rechtlich verfehlten, aber im Rahmen der dem Gericht zukommenden Entscheidungskompetenz ergangenen - Beschluss kein Nachteil erwachsen. Entgegen dem Antrag der Generalprokuratur sah sich der Oberste Gerichtshof im Gegenstand nicht veranlasst, dem Ausspruch über die Gesetzesverletzung konkrete Wirkung zuzuerkennen.

Das Landesgericht Innsbruck als Beschwerdegericht wird somit über die - im Übrigen als Anspruchsverzicht zu verstehende - Beschwerde des Mag. Dr. K***** (mangels Beschwer formell) zu entscheiden haben. Das Bezirksgericht Innsbruck hat bei seiner Entscheidung über den Kostenbestimmungsantrag ON 82 vom Anspruchsverzicht des Kostenwerbers gegenüber dem Bund auszugehen (weshalb auch eine Zahlungsanordnung in diesem Sinne nicht zu erlassen sein wird) und ist somit bei der Bestimmung der Vertretungskosten durch den Beschluss ON 79 nicht eingeschränkt.

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