JudikaturOGH

10ObS139/08a – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Helmut Hutterer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Höhrhan Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Magdalena D*****, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke und Dr. Wolfgang Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner Promenade 14 16, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 98,50 EUR, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Juli 2008, GZ 8 Rs 167/07y 48, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. September 2007, GZ 9 Cgs 352/05s 44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Oberste Gerichtshof stellt beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 3 B VG den Antrag, gemäß Art 139 Abs 4 B VG auszusprechen, dass im Punkt 2a. des Anhangs 6 zur Satzung 2003 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr. 5/2003, in der Fassung der 2. Änderung, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr. 28/2004, die der Position „ Manuelle Heilmassage " zugeordnete Zeichenfolge „2,00 €" gesetzwidrig war.

Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.

Text

Begründung:

Über ärztliche Verschreibung erhielt die Klägerin im Zeitraum 26. 5. bis 13. 7. 2004 10 Heilmassagen in der Dauer von jeweils 25 Minuten, 10 Moorpackungen und 10 Wärmetherapien durch die freiberufliche Heilmasseurin Christine B*****. Sie bezahlte hiefür 350 EUR.

Die Ausbildung des Heilmasseurs setzt eine Berufsberechtigung als medizinischer Masseur voraus; sie besteht in einem Aufschulungsmodul, das eine theoretische Ausbildung einschließlich praktischer Übungen im Gesamtumfang von 800 Stunden umfasst. Nach Abschluss des Aufschulungsmoduls ist eine kommissionelle Abschlussprüfung abzulegen. Die theoretische Ausbildung umfasst einen theoretischen Unterricht von 720 Stunden in den Fächern Recht und Ethik, Anatomie und Physiologie, Pathologie, Hygiene und Umweltschutz, Erste Hilfe, allgemeine Physik, Kommunikation, Dokumentation und Massagetechnik zu Heilzwecken [...].

Die Ausbildung zum Physiotherapeuten erfolgt in österreichischen Akademien für den physiotherapeutischen Dienst oder an Fachhochschulen. Der theoretische Teil umfasst 2525 Stunden und vermittelt vorwiegend vorklinische, klinische und therapeutische Grundlagen, physiotherapeutische Verfahren für Untersuchung, Diagnostik und Therapie und Evaluation werden eingeübt. Parallel verläuft die praktische Ausbildung in insgesamt 2.000 Stunden in allen Sparten der Medizin. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung, dem Ablegen einer theoretischen und praktischen Diplomprüfung und dem Verfassen sowie der Rechtfertigung einer Diplomarbeit über ein fachspezifisches Thema erhalten Absolventen von Akademien ein staatliches Diplom.

Der Physiotherapeut ist in allgemeiner und in medizinischer Sicht umfangreicher ausgebildet. Seine Ausbildung besteht zu einem geringen Teil in Massageausbildung. Hinsichtlich Massagetechnik ist die praktische Ausbildung des Heilmasseurs umfangreicher, dies unter Einbeziehung der ursprünglichen Ausbildung als gewerblicher Masseur. [...]

Die aktuellen Marktpreise in der Region Ostösterreich betragen für Heilmassagen von 25 Minuten 28 EUR, von 40 Minuten 40 EUR und von 50 Minuten 55 EUR.

Mit Bescheid vom 29. 9. 2005 sprach die beklagte Partei aus, dass der Klägerin anlässlich der Inanspruchnahme dieser Behandlungen ein Kostenzuschuss von 45 EUR gebührt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage zuletzt - nach einer in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung - mit dem Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, ihr für die in Anspruch genommenen Heilmassagen einen weiteren Kostenzuschuss von 98,50 EUR zu zahlen. Die Kostenzuschüsse für die Berufsgruppe der Heilmasseure seien aufgrund einer Empfehlung des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger überwiegend mit einem Betrag festgelegt worden, der wesentlich unter dem Kostenersatz für gleichwertige Leistungen freiberuflicher Physiotherapeuten liege. Die hohen Unterschiede der Zuschüsse für gleiche Einzelleistungen freiberuflicher Physiotherapeuten und freiberuflicher Heilmasseure seien unsachlich. Der begehrte Kostenzuschuss orientiere sich an den in der Satzung der beklagten Partei für die manuelle Heilmassage durch freiberufliche Physiotherapeuten vorgesehenen Kostenzuschüssen. Dass die beklagte Partei in ihrer Satzung für Leistungen freiberuflicher Heilmasseure geringere Kostensätze festlege als für Leistungen freiberuflicher Physiotherapeuten sei verfassungswidrig, weil für gleiche Leistungen gleiche Kostenersätze vorzusehen seien. Die Ungleichbehandlung beider Berufsgruppen habe keine sachliche Rechtfertigung und verstoße gegen den Gleichheitssatz.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Zwischen der Berufsgruppe der freiberuflichen Heilmasseure und der beklagten Partei seien bisher keine Verträge abgeschlossen worden. Sie leiste Kostenzuschüsse nach der Regelung des Anhangs 6 zu ihrer Satzung für der ärztlichen Hilfe gleichgestellte Leistungen, wenn Vertragspartner nicht zur Verfügung stehen, weil Verträge nicht zustande gekommen seien. Der Kostenzuschuss für Krankenbehandlungen durch freiberufliche Heilmasseure für manuelle Heilmassagen betrage pro Sitzung 2 EUR. Mit der Gewährung des Kostenzuschusses von 20 EUR für die 10 Heilmassagen sei sie ihrem gesetzlichen Auftrag nachgekommen.

Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 16. 5. 2006 wies das Erstgericht das auf Kostenzuschüsse für die Moorpackungen und die Wärmetherapien gerichtete Klagebegehren im Umfang von 79 EUR ab.

Nachdem Anträge des Erstgerichts an den Verfassungsgerichtshof, „die Wortfolge '2,00 EUR' des Anhangs 6, Punkt 2a zugeordnet dem Wortlaut „manuelle Heilmassage" der Satzung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse in der Fassung der ersten Änderung, kundgemacht ... als gesetzwidrig aufzuheben" vom Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen worden waren, wies das Erstgericht auch das restliche Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte rechtlich aus, es schließe sich der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofs, die angefochtene Satzungsbestimmung sei nicht anzuwenden, nicht an. Die Klägerin habe sich zunächst auf eine bestimmte Fassung der Satzungsbestimmung nicht festgelegt; die beklagte Partei habe stets von der Anwendbarkeit der ersten Änderung gesprochen, wogegen sich die Klägerin nicht ausgesprochen habe. Es liege somit eine übereinstimmende Erklärung der Streitteile vor, die das Gericht binde. Eine Bindung an die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs bestehe nicht. Da die genannte Satzungsbestimmung weiterhin in Kraft sei, sei sie vom Gericht nunmehr ohne weitere Prüfung anzuwenden. Ein weiterer Kostenzuschuss als der von der beklagten Partei bereits zuerkannte sei „nicht vorzunehmen".

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen das Endurteil nicht Folge. Es habe keine Bedenken an der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit des für die manuelle Heilmassage durch Heilmasseure in der Satzung 2003 der beklagten Partei - in der im Anlassfall maßgeblichen Fassung der zweiten Änderung - vorgesehenen Kostenzuschusses. In der Honorarordnung 2004 zum Gesamtvertrag vom 21. 3. 1994 zwischen der Ärztekammer Niederösterreich und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für das Bundesland Niederösterreich, der auch für die beklagte Partei Gültigkeit habe, habe der Tarif für Ärzte im Bereich der Physiotherapie für eine manuelle Massage ab 1. 1. 2004 3,92 EUR betragen (Position Nr 723). Unter Bedachtnahme auf diesen Tarif und im Hinblick auf den weiten rechtspolitischen Spielraum des Krankenversicherungsträgers bei Erlassung der Satzungsregelung bestünden keine Bedenken an der Gesetzmäßigkeit des von der beklagten Partei für von Heilmasseuren durchgeführte Heilmassagen festgelegten Kostenzuschusses. Im Sozialversicherungsrecht werde im Bereich der Krankenbehandlung sowohl bei den einzelnen vertraglichen Tarifen als auch bei der Festsetzung der Kostenzuschüsse typischerweise nach Berufsgruppen differenziert und damit den unterschiedlichen Ausbildungen und Qualifikationen der einzelnen Leistungserbringer Rechnung getragen. Eine Ungleichbehandlung der Versicherten ergebe sich daraus nicht, zumal es etwa im Anlassfall der Klägerin auch freigestanden wäre, die Heilmassagen von einem Physiotherapeuten durchführen zu lassen. Dass die Höhe der Kostenzuschüsse an die Berufsgruppe der Leistungserbringer anknüpfe, stelle eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung dar, die im vorliegenden Fall vor allem in der unterschiedlichen beruflichen Qualifikation und unterschiedlichen Berufsberechtigung von Heilmasseuren und Physiotherapeuten begründet liege. Das Argument, der Heilmasseur habe im Bereich der Heilmassage eine umfassendere Ausbildung als der Physiotherapeut, könne nicht überzeugen, weil bei der Festsetzung der Zuschüsse wohl nicht nur auf die Qualifikation für konkret herangezogene idente Leistungen als Teiltätigkeit, sondern nur auf die Ausbildung und die daraus resultierende berufliche Qualifikation abgestellt werden könne. Die Ausbildung zum Physiotherapeuten sei nicht nur quantitativ, sondern auch inhaltlich bei weitem umfassender als jene zum Heilmasseur. Wer zur Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes berechtigt sei, sei jedenfalls auch zur Ausübung des Berufs des Heilmasseurs berechtigt, nicht jedoch umgekehrt. Eine Differenzierung der Kostenzuschüsse erscheine durch diese unterschiedlichen Qualifikationen und Berufsberechtigungen jedenfalls sachlich gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil „zur Verfassungsmäßigkeit derartiger Satzungsbestimmungen" noch keine höchstgerichtliche Judikatur bestehe und die Frage auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist zulässig, bestehen doch Bedenken an der Gesetzmäßigkeit der entscheidungswesentlichen Satzungsbestimmung.

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch der Klägerin auf Kostenzuschuss in Höhe von 98,50 EUR (10 x 11,85 EUR abzüglich erhaltener 20 EUR Kostenzuschuss) für die von der Klägerin im Zeitraum Mai bis Juli 2004 in Anspruch genommenen manuellen Heilmassagen durch eine freiberufliche Heilmasseurin.

3. Die beklagte Partei hat weder mit der Berufsgruppe der Physiotherapeuten noch mit jener der Heilmasseure einen Gesamtvertrag im Sinn des § 349 Abs 3 ASVG abgeschlossen.

4. Die Klägerin vertritt weiterhin den Standpunkt, der in der Satzung festgesetzte „Tarif" sei gesetzwidrig, weil er zu einem Selbstbehalt in Höhe von rund 91 % führe. Auf dem freien Markt sei die ärztlich verschriebene Leistung nicht annähernd um 2 EUR zu erhalten. Die Unangemessenheit des Kostenzuschusses bestätige sich in der Behandlung der Berufsgruppe der freiberuflichen Heilmasseure gegenüber der Berufsgruppe der freiberuflichen Physiotherapeuten. Der Kostenzuschuss von 2 EUR für Heilmasseure gegenüber 11,85 EUR für Physiotherapeuten habe keine sachliche Berechtigung. Die Ausbildung der Heilmasseure auf dem Gebiet der Heilmassage sei weitaus besser als jene der Physiotherapeuten. Gesamtverträge mit anderen Berufsgruppen seien keinesfalls für die Festsetzung von Tarifen nach § 131b ASVG maßgeblich, weil diese Verträge der freien Disposition der Berufsgruppen unterlägen. Der Grundsatz des ASVG, dass gute medizinische Versorgung zu gewährleisten sei, umfasse doch wohl, dass der Versicherte die höherwertige Spezialheilmassage des Heilmasseurs genießen dürfe, ohne auf symbolische Kostenersätze verwiesen zu werden. Insoweit sehe die Revisionswerberin auch die Grundrechte des Eigentums - durch geringere Kostenersätze - und der Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

5. Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

5.1. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

5.1.1. Die einschlägigen Bestimmungen des ASVG lauten:

„§ 131. (1) Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner (§ 338) oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung (ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe) in Anspruch, so gebührt ihm der Ersatz der Kosten dieser Krankenbehandlung im Ausmaß von 80 vH des Betrags, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Wird die Vergütung für die Tätigkeit des entsprechenden Vertragspartners nicht nach den erbrachten Einzelleistungen bestimmt, hat die Satzung des Versicherungsträgers Pauschbeträge für die Kostenerstattung festzusetzen.

...

§ 131a. Stehen Vertragsärzte/Vertragsärztinnen, Vertragszahnärzte/Vertragszahnärztinnen (Vertrags- dentisten/Vertragsdentistinnen) oder Vertrags Gruppenpraxen infolge des Fehlens einer Regelung durch Verträge (§ 338) nicht zur Verfügung, so hat der Versicherungsträger dem Versicherten für die außerhalb einer eigenen Einrichtung in Anspruch genommene Behandlung (den Zahnersatz) die Kostenerstattung in der Höhe des Betrages zu leisten, der vor Eintritt des vertragslosen Zustandes bei Inanspruchnahme eines/einer Wahlarztes/Wahlärztin, Wahlzahn- arztes/Wahlzahnärztin (Wahldentisten/Wahldentistin) oder einer Wahl Gruppenpraxis zu leisten gewesen wäre. Der Versicherungsträger kann diese Kostenerstattung durch die Satzung unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten erhöhen.

§ 131b. Stehen andere Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung, so gilt § 131a mit der Maßgabe, dass in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Der Versicherungsträger hat das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen."

Eine aufgrund ärztlicher Verschreibung erforderliche Leistung eines zur freiberuflichen Berufsausübung berechtigten Heilmasseurs ist gemäß § 135 Abs 1 Z 4 ASVG der ärztlichen Hilfe gleichgestellt.

5.1.2. § 38 der Satzung 2003 der beklagten Partei, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr. 5/2003, idF der 1. Änderung, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr. 62/2003, lautet:

„Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen (§ 131b ASVG)

§ 38. Stehen Vertragspartner für

- die der ärztlichen Hilfe gleichgestellten Leistungen (§ 135 Abs 1 Z 1 bis 4 ASVG),

- die medizinische Hauskrankenpflege (§ 151 ASVG),

- die Versorgung mit Heilbehelfen oder Hilfsmitteln

auf Rechnung der Kasse nicht zur Verfügung, weil Verträge nicht zustande gekommen sind, leistet die Kasse Kostenzuschüsse nach der Regelung im Anhang 6 zur Satzung."

Der erwähnte Anhang 6 der Satzung 2003 idF der Z 25 der 2. Änderung der Satzung 2003, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr. 28/2004, lautet auszugsweise:

„25. Anhang 6 Punkt 2a. lautet:

'2a. Für Krankenbehandlung durch freiberufliche Heilmasseure

Manuelle Heilmassage pro Sitzung Mindestdauer 10 Minuten 2,00 €

...'."

Über den „Wirksamkeitsbeginn der 2. Änderung" bestimmt § 53 der Satzung 2003 idF der 2. Änderung:

„§ 53. (1) Der Entfall des § 13 und die Neufassung der bisherigen §§ 14 bis 38a, des § 43 1. Halbsatz, des § 45 Abs 1, Abs 2 Z 3, Abs 2 letzter Satz und Abs 5 bis 9 sowie der Anhänge 1 bis 9 treten nach Ablauf des fünften Kalendertages ab dem Zeitpunkt der Freigabe der Verlautbarung zur Abfrage im Internet in Kraft.

(2) Die bisher geltende Fassung der geänderten Bestimmungen ist auf Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten der Änderung verwirklicht wurden, weiterhin anzuwenden."

Die 2. Änderung der Satzung 2003 wurde am 24. 3. 2004, 4:00 Uhr, im Internet zur Abfrage freigegeben. Die Neufassung des Punktes 2a. des Anhanges 6 trat somit gemäß dem zuvor wiedergegebenen § 53 Abs 1 der Satzung 2003 mit Ablauf des 29. 3. 2004 in Kraft.

5.1.3. Durch Z 9 der 3. Änderung der Satzung 2003, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr. 70/2004, wurde dem Punkt 2a. des Anhanges 6 folgende Bestimmung angefügt:

„Allgemeine Bestimmungen für Heilmasseure:

1. Für Behandlungen, die länger als die jeweils vorgegebene Mindestbehandlungszeit dauern, wird über den festgesetzten Kostenzuschuss hinaus keine Vergütung geleistet.

2. ..."

Diese Bestimmung ist gemäß § 54 Abs 1 der Satzung 2003 idF der 3. Änderung mit 10. 8. 2004 in Kraft getreten. Die bisher geltende Fassung der geänderten Bestimmungen ist auf Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten der 3. Änderung verwirklicht wurden, weiterhin anzuwenden (§ 54 Abs 3 der Satzung 2003 idF der 3. Änderung).

5.1.4. Punkt 2 des Anhanges 6 der Satzung idF der 2. Änderung sieht bei physiotherapeutischer Krankenbehandlung für manuelle Heilmassagen mit einer Mindestdauer von 15 Minuten einen Kostenzuschuss von 5,89 EUR, mit einer Mindestdauer von 30 Minuten einen Kostenzuschuss von 11,85 EUR vor.

5.1.5. Die Satzung 2003 mit allen ihren Änderungen ist mit Ablauf des 9. 4. 2007 aufgehoben worden (§ 50 Abs 1 und 4 der Satzung 2007 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr. 60/2007, die am 4. 4. 2007, 4:00 Uhr zur Abfrage freigegeben wurde). Die aufgehobene Satzung ist jedoch auf eingetretene Versicherungsfälle sowie bereits geltend gemachte Leistungsansprüche, die vor der Aufhebung verwirklicht wurden, weiterhin anzuwenden (§ 50 Abs 5 der Satzung 2007).

6. Die maßgebliche Rechtslage für die Entscheidung über die Klage auf Kostenzuschuss ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erbringung der streitgegenständlichen Krankenbehandlungen. Diese wurden nach den Feststellungen des Erstgerichts im Zeitraum vom 26. 5. bis 13. 7. 2004 durchgeführt. Maßgeblich ist daher die Neufassung des Punktes 2a. des Anhangs 6 der Satzung 2003 idF der 2. Änderung.

7. Wenn - wie hier - Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen zur Erbringung der erforderlichen Sachleistung nicht zur Verfügung stehen, so tritt gemäß § 131b ASVG anstelle der Sachleistung die Erbringung von Geldleistungen. § 131b ASVG sieht in diesem Zusammenhang die Anwendung des § 131a ASVG (Kostenerstattung im vertragslosen Zustand) mit der Maßgabe vor, dass in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung hat der Versicherungsträger das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen.

7.1. Die Satzung eines Sozialversicherungsträgers ist eine Verordnung; die Frage ihrer Gesetzmäßigkeit kann daher zulässiger Gegenstand eines Verfahrens nach Art 139 B VG sein (vgl zB VfSlg 17.518/2005).

7.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist die Gebietskrankenkasse nach § 131b ASVG iVm § 131a ASVG nicht verpflichtet, kostendeckende Leistungen (zu Marktpreisen) vorzusehen (VfSlg 17.518/2005). Der Krankenversicherungsträger ist aber in der Festsetzung der Höhe solcher Kostenzuschüsse, die gemäß § 131b ASVG anstelle von gesetzlichen Pflicht(sach)leistungen zu gewähren sind, nicht frei. In dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl VfSlg 15.787/2000) Bestimmung ist nämlich angeordnet, dass solche Zuschüsse nicht nur nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers festzusetzen sind, sondern dass dabei auch das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten mitzuberücksichtigen ist.

7.3. Bei Erlassung der entsprechenden Satzungsregelung kommt dem Krankenversicherungsträger zwar ein weiter rechtspolitischer Spielraum zu (VfSlg 17.518/2005). Dieser ist aber nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs überschritten, wenn - wie hier - der Krankenversicherungsträger für eine Leistung einen Kostenzuschuss von weniger als 10 % des nach den Marktgegebenheiten in Betracht kommenden Aufwands vorsieht und dieser Kostenzuschuss - bezogen auf eine Minute der Leistungserbringung - nur etwa die Hälfte desjenigen erreicht, der gewährt wird, wenn ein Angehöriger einer anderen Berufsgruppe vom Versicherten zur Leistungserbringung in Anspruch genommen wird. Der letztgenannte Umstand zeigt, dass einem höheren Kostenzuschuss für Heilmasseure nicht die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers entgegensteht. In dieser Richtung stellte die beklagte Partei auch keinerlei Behauptungen auf. Dass ein Kostenzuschuss in Höhe von nicht einmal 10 % des in Betracht kommenden Aufwands dem wirtschaftlichen Bedürfnis der Versicherten nicht entspricht, bedarf keiner näheren Ausführung (vgl VfSlg 13.571/1993).

8. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher veranlasst, im Hinblick auf die dargelegten Bedenken an der Gesetzmäßigkeit der präjudiziellen Bestimmung der Satzung 2003 einen entsprechenden Verordnungsprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Da die Satzung 2003 nicht mehr in Kraft ist, war im Sinn des § 89 Abs 3 B VG die Feststellung zu begehren, dass die genannte Satzungsbestimmung gesetzwidrig war.

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