9ObA36/09y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Sabine Glanz und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Walter N*****, vertreten durch Dr. Gert Ragossnig, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Hedwig E*****, vertreten durch Mag. Manfred Pollitsch und Mag. Hannes Pichler, Rechtsanwälte in Graz, wegen 3.870,56 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 3.106,45 EUR brutto sA) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Februar 2009, GZ 7 Ra 5/09y-18, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Der Kläger war bei der Beklagten als Taxifahrer gegen Umsatzbeteiligung beschäftigt. Das Berufungsgericht beurteilte das zustandegekommene Vertragsverhältnis als (echten) Arbeitsvertrag und die von der Beklagten ausgesprochene Entlassung als unberechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsmittelwerberin vermag insgesamt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mangel des Verfahrens erster Instanz, dessen Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, auch in Arbeitsrechtssachen mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043055; 8 ObA 353/97p ua). Davon, dass dieser Grundsatz nicht zur Anwendung zu kommen habe, weil das Berufungsgericht die Erledigung der Mängelrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen habe, kann - entgegen der von der Rechtsmittelwerberin vertretenen Auffassung - hier nicht die Rede sein. Weder ersetzt das Vorbringen der Beklagten, dass der Kläger einen 45%igen Umsatzanteil immer erhalten habe ein (weiteres) Vorbringen, dass der Kläger vereinbarungsgemäß keine weiteren Leistungen erhalten sollte bzw dass mit der getroffenen Vereinbarung der Umsatzbeteiligung die nach dem Kollektivvertrag zustehenden „Mindeststandards" erfüllt worden wären, noch wurde in erster Instanz vorgebracht, dass der Kläger an bestimmten Tagen gar nicht, an anderen nur stundenweise gefahren sei. Angaben in der Parteienaussage können Prozessbehauptungen nicht ersetzen (RIS-Justiz RS0038037). Dies gilt umso mehr für Ausführungen eines Zeugen.
Die Beurteilung des fehlenden substantiellen Bestreitens als schlüssiges Tatsachengeständnis (hier: die Frage der ordnungsgemäßen Meldung der Krankenstände sowie die Höhe des Klagebegehrens, insbesondere des Aufwandersatzes) hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher ebenso wenig eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO (6 Ob 141/99z; 2 Ob 29/01f; 8 Ob 312/00s ua). Dies gilt insbesondere dort, wo eine Partei - wie hier - bloß einzelnen Tatsachenbehauptungen des Gegners mit einem konkreten Gegenvorbringen entgegentritt, zu den übrigen jedoch inhaltlich nicht Stellung nimmt (9 ObA 7/03z).
Abgesehen davon, dass es sich bei der Vertragsauslegung grundsätzlich um keine Frage von erheblicher Bedeutung handelt (RIS-Justiz RS0112106; RS0042936; RS0044358; Zechner in Fasching/Konecny2 § 502 ZPO Rz 86 mwN) vermag die Rechtsmittelwerberin ihre Auffassung, dass das Berufungsgericht bei der Auslegung des hier zur Beurteilung stehenden Vertrags gravierend von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei, nicht einmal durch ein einziges Judikaturzitat zu stützen. Tatsächlich haben die Vorinstanzen unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0021306; RS0021284; RS0021332; RS0021743 uva) in sehr gut vertretbarer Weise, das hier zur Beurteilung stehende Vertragsverhältnis als Arbeitsvertrag und nicht wie von der Rechtsmittelwerberin gewünscht, als freien Dienstvertrag qualifiziert. Keinesfalls vermag das Argument der Rechtsmittelwerberin, dass nicht die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Taxis, sondern vielmehr die Taxilenkberechtigung des Klägers das wesentlichste Betriebsmittel darstellt, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuwerfen. Abgesehen davon, dass „Betriebsmittel" jene Anlagen- und Umlaufgüter sind, deren sich ein Unternehmer bedient um Sachgüter herzustellen oder Dienstleistungen zu erbringen (Reissner in ZellZomm § 97 ArbVG Rz 45), berührt die Frage von wem die Betriebsmittel bereitgestellt wurden bei der Abgrenzung des (echten) Arbeitsvertrags vom freien Dienstvertrag ohnehin nur einen Teilaspekt. Weitere beachtliche Argumente gegen das Vorliegen eines durch persönliche Abhängigkeit gekennzeichneten Arbeitsvertrags, vermag die Rechtsmittelwerberin aber nicht ins Treffen zu führen. In keiner Weise nachvollziehbar sind die Ausführungen der Rechtsmittelwerberin zur Urlaubsersatzleistung, zumal das diesbezügliche Klagebegehren bereits in erster Instanz (rechtskräftig) abgewiesen wurde.