JudikaturOGH

9Ob30/09s – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Mag. Alisa A*****, vertreten durch Dr. Andreas Cwitkovits, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Alaa S*****, vertreten durch Mag. DI Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert 10.000 EUR; 3 C 440/07t) und 9.880 EUR sA (3 C 879/07a), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das End- und Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2008, GZ 35 R 87/08s-35, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 17. Dezember 2007, GZ 3 C 440/07t-28, hinsichtlich des führenden Verfahrens (3 C 440/07t) bestätigt bzw hinsichtlich des verbundenen Verfahrens (3 C 879/07a) in ein stattgebendes Zwischenurteil abgeändert, im Übrigen jedoch aufgehoben und das Verfahren zur Endentscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

1.) Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird, soweit sie sich gegen die Berufungsentscheidung über das Klagebegehren im führenden Verfahren (3 C 440/07t) richtet, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2.) Im Übrigen werden die Akten dem Erstgericht zur weiteren Veranlassung betreffend die Anfechtung der Berufungsentscheidung über das verbundene Verfahren (3 C 879/07a) zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt zu 3 C 440/07t des Erstgerichts die Herausgabe von 13 Öl- bzw Acrylgemälden, die sie dem Beklagten für die Dauer von zwei Monaten zur Ausstellung in dessen Pizzeria und zum allfälligen Verkauf an Interessenten geliehen habe. Der Beklagte habe die Bilder trotz Aufforderung nicht zurückgegeben. Mit der zweiten zu 3 C 879/07a erhobenen Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung eines Benützungsentgelts in der Höhe von 9.880 EUR sA aufgrund der Nichtherausgabe der Bilder.

Der Beklagte wendete ein, dass mit der Klägerin „kein direktes" Vertragsverhältnis bestehe. Er sei zur Herausgabe der Bilder bereit, wenn ihm entweder neue Bilder übergeben werden oder die Kaution von 1.000 EUR, die er an einen Dritten für die Bilder bezahlt habe, zurückerstattet werde. Ein Anspruch auf Benützungsentgelt bestehe weder dem Grunde noch der Höhe nach zurecht.

Mit Beschluss vom 16. 10. 2007 verband das Erstgericht die beiden Verfahren; führend ist der Akt 3 C 440/07t.

Das Erstgericht gab mit seinem Urteil dem Herausgabebegehren der Klägerin im führenden Verfahren statt, während es das Zahlungsbegehren der Klägerin im verbundenen Verfahren abwies. Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Beklagten das stattgebende Urteil des Erstgerichts über das Herausgabebegehren im führenden Verfahren. Das klageabweisende Ersturteil über das verbundene Zahlungsbegehren änderte das Berufungsgericht infolge Berufung der Klägerin in ein stattgebendes Zwischenurteil ab. Im Übrigen hob es das Ersturteil hinsichtlich des verbundenen Klagebegehrens auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur Endentscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands im führenden Verfahren 20.000 EUR übersteige. Die ordentliche Revision sei sowohl im führenden als auch im verbundenen Verfahren unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

zu 1.) Hat das Berufungsgericht im Berufungsurteil nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist, so kann in Streitigkeiten, in denen der Entscheidungsgegenstand insgesamt 20.000 EUR übersteigt, eine außerordentliche Revision erhoben werden (§ 505 Abs 4 ZPO). Diese ist jedoch nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Eine Rechtsfrage dieser Qualität wird vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.

Die Klägerin kann ihr Herausgabebegehren auf ihr - auch nicht vom Beklagten bestrittenes - Eigentum an den herauszugebenden Bildern stützen. Obligatorische Rechte des Beklagten an den Bildern, die dem Herausgabebegehren der Klägerin entgegengehalten werden können, wurden vom Berufungsgericht verneint. Soweit der Revisionswerber ein „dreipersonales Rechtsverhältnis" behauptet, an das auch die Klägerin gebunden sei, handelt es sich um eine Frage der Auslegung der rechtsgeschäftlichen Erklärungen der beteiligten Personen. Ob aber ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn vom Berufungsgericht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936 ua). Dies ist hier nicht der Fall. Die außerordentliche Revision des Beklagten ist daher hinsichtlich jenes Teils der Berufungsentscheidung, der das führende Begehren betrifft, zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss gemäß § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO nicht. zu 2.) Die Verbindung mehrerer Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen das gemeinsame Urteil keinen Einfluss. Hatte daher das Berufungsgericht über verbundene Sachen gemeinsam entschieden, so ist dies für die Rechtsmittelzulässigkeit ohne Bedeutung. Die Zulässigkeit der Revision ist nach der Höhe des Entscheidungsgegenstands jedes einzelnen Rechtsstreits zu beurteilen. Ob die in den verbundenen Streitsachen geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist unwesentlich (RIS-Justiz RS0037252 ua). Die Zulässigkeit der Revision gegen die Entscheidung über das Zahlungsbegehren der Klägerin im verbundenen Verfahren (3 C 879/07a) richtet sich entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nach § 502 Abs 3 ZPO, weil der diesbezügliche Entscheidungsgegenstand (9.880 EUR) zwar 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches" Rechtsmittel bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf hierüber nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (9 Ob 34/08b ua).

Das Erstgericht wird somit das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, soweit es das verbundene Verfahren betrifft (3 C 879/07a), und den „in eventu" gestellten Abänderungsantrag gemäß § 508 ZPO dem Berufungsgericht vorzulegen haben.

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