JudikaturOGH

11Os38/09m – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. April 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richterin im Evidenzbüro Mag. Finster als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas K***** wegen des Vergehens des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 15. Dezember 2008, GZ 29 Hv 161/08i-33, sowie über dessen Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) gegen den Beschluss nach § 50 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche sowie - verfehlt (Fabrizy StPO10 § 494 Rz 1) - einen Beschluss über die Anordnung der Bewährungshilfe enthält, wurde Andreas K***** des Vergehens des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB (I.), des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 15 StGB (II.), der Vergehen des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB (III.) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (IV.) sowie des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB (V.) schuldig erkannt.

Danach hat er

I. am 13. Oktober 2007 in Innsbruck dadurch, dass er auf den in den Kellerräumlichkeiten in *****, eine freiwillige Nachschau durchführenden Polizeibeamten Bernhard P***** mit ausgestreckten Armen losging und versuchte diesen am Hals zu erfassen, einen Beamten während einer Amtshandlung tätlich angegriffen.

II. - zusammengefasst - zwischen 11. September 2007 und 16. Juni 2008 in W***** und an anderen Orten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, im Urteil näher bezeichnete Verfügungsberechtigte durch die Vortäuschung, ein zahlungswilliger und -fähiger Vertragspartner zu sein, teilweise unter Benützung einer falschen Urkunde (mit falschem Namen unterschriebene Bargeldbehebungsaufträge) in insgesamt 24 Angriffen zur Übergabe von Waren, Herausgabe von Bargeld sowie Zurverfügungstellung von Telekommunikationsdienstleistungen verleitet bzw zu verleiten versucht, wobei ein insgesamt 3.000 Euro übersteigender Schaden entstanden ist,

III. zwischen 23. Jänner und 28. März 2008 in W***** und an anderen Orten in vier Fällen den Führerschein mit der Nr *****, lautend auf Michael P*****, mithin einen amtlichen Ausweis, gebraucht, als wäre er für ihn ausgestellt,

IV. in I***** und anderen Orten nachfolgend angeführte Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, dass sie von den berechtigten Personen nicht im Rechtsverkehr gebraucht werden, und zwar

1. zwischen zumindest 11. Jänner 2008 und 17. Mai 2008 den Führerschein mit der Nr *****, lautend auf Michael P*****,

2. vom 1. Juni bis 9. August 2008 das amtliche Probekennzeichen *****,

V. am 4. November 2008 in Innsbruck eine fremde bewegliche Sache unerhobenen Werts dem Dietmar M***** als Berechtigtem der Tabak Trafik am ***** dadurch, dass er mit einem Geißfuß die Gittereingangstür aufzubrechen versuchte, mithin durch Einbruch, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrags auf „Einholung eines Obergutachtens, ... , zumal zwei widersprüchliche Gutachten vorliegen und zwar in der Einschätzung, wann Imbezilität vorliegt" (S 56/ON 31). Gemäß § 127 Abs 3 StPO ist ein weiterer Sachverständiger dann beizuziehen, wenn das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft ist oder die Angaben zweier Sachverständiger über die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen oder die daraus gezogenen Schlüsse erheblich von einander abweichen und sich die Bedenken nicht durch Befragung beseitigen lassen.

Im vorliegenden Verfahren wurde ein psychiatrisches Gutachten der Sachverständigen Dr. Karin T***** zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten eingeholt (ON 38 in ON 20) und von dieser in der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2008 mündlich erörtert (S 53 ff/ON 31). Das von der Beschwerde zitierte psychiatrische Gutachten der Sachverständigen Dr. Helga F***** aus August 2003, das dem Angeklagten mangelnde „Schuldfähigkeit" attestierte, wurde nicht in diesem, sondern im Verfahren AZ 24 Hv 13/03f des Landesgerichts Innsbruck erstattet.

Der Beschwerdeargumentation zuwider liegen somit gar nicht zwei einander widersprechende Gutachten vor. Das allein maßgebliche Gutachten Dris. T***** aber ist weder widersprüchlich noch mangelhaft. Die Sachverständige hat ihre Schlüsse zur Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund einer gegenüber dem Vorgutachten erweiterten Befundbasis gezogen (durch Einholung eines psychodiagnostischen Befunds; ON 36 in ON 20) und zu den Einschätzungen im Gutachten der Sachverständigen Dr. F***** - über Fragen der Verteidigung - auch Stellung bezogen (S 55 f/ON 31). Der Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens wurde daher zu Recht abgewiesen.

Als Unvollständigkeit der Gründe (Z 5 zweiter Fall) rügt die Beschwerde, das Erstgericht habe sich nicht mit der Aussage des Angeklagten, er habe darauf „vertraut", dass Manfred H***** die Waren bezahlen werde, auseinandergesetzt. Indes haben die Tatrichter gar wohl die Verantwortung des Angeklagten, dass er im Auftrag des H***** gehandelt habe, in ihre Erwägungen einbezogen, diese aber aufgrund anderer Angaben des Beschwerdeführers (er habe ein schlechtes Gewissen gehabt; er wisse, dass er einen Blödsinn gemacht habe; S 9/ON 31) verworfen (US 22 f).

Soweit die Mängelrüge ebenfalls den beeinträchtigten Geisteszustand des Angeklagten thematisiert, kritisiert sie lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld, ohne einen Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufzeigen zu können.

Mit der Wiederholung dieser Argumentation unter dem Aspekt der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO (insbesondere in Betreff des festgestellten Bereicherungsvorsatzes) vermag der Beschwerdeführer keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tatsachen zu erwecken, zumal sich die Tatrichter mit der Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten ausführlich befasst haben (US 24 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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