1Ob263/08w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Halina Ewa K*****, vertreten durch Mag. Britta Schönhart, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Tadeusz Andrzej G*****, vertreten durch Dr. Andrzej Remin, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2008, GZ 44 R 285/08z-89, womit das Urteil des Bezirksgerichts Meidling vom 30. November 2007, GZ 21 C 89/05i-72, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Unbestritten ist, dass im Verfahren über die Scheidung der Ehe der Streitteile materiell polnisches Recht anzuwenden ist. Das Erstgericht schied die Ehe nach Art 56 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches vom 25. Februar 1964 (in der Folge: FVGB). Es sprach aus, dass das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Beklagten treffe.
Die Klägerin ließ dieses Urteil unbekämpft. Infolge Berufung des Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil mit der Maßgabe, dass das Verschulden an der Ehezerrüttung beide Parteien treffe.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin, mit der sie den Ausspruch des Alleinverschuldens des Beklagten erreichen will, ist unzulässig.
1. Grundvoraussetzung für eine Ehescheidung nach polnischem Recht ist, dass die Ehe vollständig und dauernd zerrüttet ist (Art 56 § 1 FVGB). Das die Scheidung aussprechende Gericht hat grundsätzlich zugleich zu erkennen, ob einen und welchen der Ehegatten die Schuld an der Zerrüttung der ehelichen Gemeinschaft trifft (Art 57 § 1 FVGB). Es ist also im Scheidungsurteil - vom Fall des Vorliegens eines übereinstimmenden gegenteiligen Antrags beider Ehegatten abgesehen - eine Aussage darüber zu treffen, ob der Ehemann oder die Ehefrau allein oder beide gemeinsam Schuld an der Zerrüttung der ehelichen Gemeinschaft haben (Fabricius-Brand in Rieck, Ausländisches Familienrecht [Polen] Rz 21). Einen Ausspruch des „überwiegenden" Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe gibt es nach dem polnischen FVGB - im Gegensatz zur österreichischen Rechtslage (siehe § 61 Abs 3 EheG) - nicht. An den Ausspruch des Verschuldens an der Zerrüttung sind nach polnischem Recht unmittelbare Auswirkungen auf die Pflicht zur Zahlung von nachehelichem Ehegattenunterhalt geknüpft.
2. Die Klägerin war durch den Ausspruch des Erstgerichts, den Beklagten treffe das „überwiegende" Verschulden, beschwert, weil sie mit ihrem Antrag, das Alleinverschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe gemäß Art 57 § 1 des polnischen FVGB festzustellen (woran für sie günstigere unterhaltsrechtliche Konsequenzen geknüpft gewesen wären), nicht durchgedrungen ist. Nur nach österreichischem Recht wäre in Ansehung der Unterhaltspflichten der allein schuldig geschiedene dem überwiegend schuldig geschiedenen Ehegatten gleichzustellen (§ 66 EheG).
3. Dennoch hat die Klägerin das erstgerichtliche Urteil unbekämpft gelassen, sodass der vom Erstgericht vorgenommene Ausspruch (auch) ihres Verschuldens ihr gegenüber in Rechtskraft erwachsen ist. Ist aber der Ausspruch über ihr (Mit )Verschulden an der Zerrüttung der Ehe rechtskräftig geworden, folgt daraus zwingend, dass ein Ausspruch des Alleinverschuldens des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe nicht mehr möglich ist. In diesem Sinn hat das Berufungsgericht den Ausspruch des Erstgerichts unter Bedachtnahme auf das polnische Recht im Wege einer „Maßgabebestätigung" angepasst und verdeutlicht.
4. Hat eine Partei einen der selbstständigen Rechtskraft fähigen Ausspruch nicht mit Berufung angefochten, ist sie nicht berechtigt, diesen mit Revision zu bekämpfen (RIS-Justiz RS0041334). Die dennoch erhobene - auf den Ausspruch des Alleinverschuldens des Beklagten abzielende - Revision der Klägerin muss demnach als unzulässig zurückgewiesen werden.