11Os25/09z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andrija B***** und andere wegen Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 3, 130 zweiter, dritter und vierter Fall StGB, AZ 39 Hv 175/07t des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die Grundrechtsbeschwerde des Malisa G***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 21. Jänner 2009, AZ 22 Bs 23/09g (ON 291 des Hv-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Malisa G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
In dem bereits seit März 2006 anhängigen Strafverfahren legt die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt mit Anklageschrift vom 14. September 2007 Malisa G***** (alias Gi*****, alias Christian C*****) zur Last, zwischen 22. und 23. März 2006 in Wiener Neustadt im bewussten und gewollten Zusammenwirken sowie als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung anderer Mitglieder derselben mit Andrija B***** sowie mit bereits rechtskräftig verurteilten bzw abgesondert verfolgten Mittätern Verfügungsberechtigten der P***** A***** GmbH mit dem Vorsatz, sich und andere durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (zusammengefasst) sieben Fahrzeuge der Marken Audi und VW im Wert von je mehr als 70.000 Euro sowie überdies einen Satz Reifen und Felgen durch Einbruch in ein Gebäude, Transportmittel bzw einen Lagerplatz und durch Aufbrechen einer Sperrvorrichtung mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel weggenommen zu haben, wobei er den schweren Diebstahl und den Diebstahl durch Einbruch in der Absicht begangen habe, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (ON 215).
Während sich die Mitangeklagten zum Zeitpunkt dieses Verfolgungsantrags in Untersuchungshaft befanden, wurde der Angeklagte Malisa G***** von 4. Juni 2006 bis 4. Jänner 2009 in anderer Sache (AZ 37 Hv 127/06t des Landesgerichts Wiener Neustadt) vorerst in Untersuchungs-, später in Strafhaft angehalten. Nach Vertagung der am 27. November 2007 durchgeführten Hauptverhandlung (ON 244) ordnete das Oberlandesgericht Wien in Stattgebung sowie aus Anlass der Haftbeschwerden die Aufhebung der Untersuchungshaft über die Mitangeklagten an (ON 256). Malisa G***** befindet sich erst seit 4. Jänner 2009 (nach bedingter Entlassung aus der oben erwähnten Strafhaft, AZ 13 BE 560/08z des Landesgerichts Ried im Innkreis) aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO in Untersuchungshaft. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Angeklagten gegen die am 30. Dezember 2008 beschlossene (ON 285) Verhängung der Untersuchungshaft durch das Landesgericht Wiener Neustadt nicht Folge und ordnete seinerseits (zwar nicht im Spruch des Beschlusses, jedoch mit hinreichender Deutlichkeit, vgl ON 291 S 5 bis 7) die Fortsetzung der Haft aus den genannten Gründen an (ON 291).
Rechtliche Beurteilung
Die Grundrechtsbeschwerde wendet sich gegen die Bejahung des dringenden Tatverdachts und der angeführten Haftgründe, behauptet eine Verletzung des Beschleunigungsgebots wie auch die Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft und strebt überdies die Anwendung gelinderer Mittel an.
Nach der vom Oberlandesgericht Wien zum Gegenstand seiner eigenen Überzeugung gemachten Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts (ON 291 S 4f; zu dem Erfordernis eigener Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts in einem Haftfortsetzungsbeschluss Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 182 [aF] Rz 10) ist Malisa G***** der ihm angelasteten strafbaren Handlungen aufgrund eines in einem sichergestellten gestohlenen Fahrzeug vorgefundenen Handflächenabdrucks, eines in seiner Wohnung befindlichen Originalfahrzeugschlüssels wie auch belastender Angaben mehrerer Zeugen qualifiziert (§ 173 Abs 1 erster Satz StPO) verdächtig. Mit den lapidaren Ausführungen in der Beschwerde, er wäre nicht geständig und werde „auf Freispruch bestehen", verfehlt der Angeklagte die gebotene Bezugnahme auf die Argumentation des Oberlandesgerichts und legt weder Begründungsmängel (im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO) dar noch gelingt es ihm nach Maßgabe deutlich und bestimmt bezeichneter Aktenteile, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken (im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5a StPO) zu wecken (RIS-Justiz RS0110146).
Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zu Grunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellen (RIS-Justiz RS0117806).
Die vom Oberlandesgericht zur Begründung ins Treffen geführten Umstände (ON 291 S 6) lassen durch die Bezugnahme auf die einschlägige Vorstrafenbelastung des Angeklagten, seine Involvierung in eine kriminelle Vereinigung und die (unter dem Aspekt der §§ 31, 40 StGB zu betrachtende) Verurteilung wegen §§ 142 Abs 1; 125 StGB einen einwandfreien Schluss auf das Vorliegen von Tatbegehungsgefahr zu. Die Grundrechtsbeschwerde setzt dem mit der bloßen Behauptung, „keiner der Haftgründe" könne angenommen werden, „da diese bereits weggefallen sind", inhaltlich keine Argumente gegenüber und kann demgemäß keine Willkür der bekämpften Prognoseentscheidung aufzeigen. Da somit bereits der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr mängelfrei begründet wurde, erübrigt sich ein Eingehen auf jenen der Fluchtgefahr.
Von einer Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft kann angesichts des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und auf die Bedeutung der Sache auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 28. Jänner 2008, AZ 37 Hv 127/06t, keine Rede sein.
Mit Blick auf das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten und die gegenständliche erhebliche Delinquenz ging das Oberlandesgericht zu Recht von einer mangelnden Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel aus.
Gegen die Versäumnisse des Erstgerichts, auf die sich der Beschwerdeführer bezieht, hat das Oberlandesgericht konkrete verfahrensbeschleunigende Maßnahmen angeordnet, indem es neben der Anordnung einer Hauptverhandlung und der Ladung der seitens der Staatsanwaltschaft beantragten Zeugen auch die Einholung eines Gutachtens und die Urgenz eines Rechtshilfeersuchens verlangte. Diese Maßnahmen (denen das Landesgericht Wiener Neustadt großteils bereits entsprochen hat) erscheinen dem Obersten Gerichtshof zum Ausgleich der in der (durch das Beschwerdegericht anerkannten) Verletzung des Beschleunigungsgebots gelegenen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit hinreichend. Mehr als dessen Feststellung und die Anordnung beschleunigender Maßnahmen stand, weil eine Enthaftung nicht sachgerecht war, dem Oberlandesgericht nicht zu Gebote, sodass in der angefochtenen Entscheidung eine Grundrechtsverletzung nicht zu erblicken ist und die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.