11Os175/08g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helmut T***** und Manfred P***** wegen Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, AZ 043 Hv 90/06b des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. Juni 2008, GZ 43 Hv 90/06b-174, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, und des Verurteilten T***** zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. Juni 2008, GZ 043 Hv 90/06b-174, verletzen das Gesetz
a. in dem Helmut T***** betreffenden Punkt 1./19./b./ in § 390 Abs 1 StPO und
b. in dem Manfred P***** betreffenden Punkt 2./19./b./ in § 389 Abs 1 StPO.
Diese Entscheidungen werden ersatzlos aufgehoben.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. März 2007, GZ 043 Hv 90/06b-144, wurden Helmut T***** und Manfred P***** - entsprechend den Punkten I. und II. der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 28. Dezember 2005 (ON 85) - der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Dieses Urteil erwuchs auf Grund der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vom 1. April 2008, AZ 11 Os 108/07b (ON 171), und des Oberlandesgerichts Wien vom 2. Juni 2008, AZ 18 Bs 123/06g (ON 173), in Rechtskraft.
Der alleine Helmut T***** betreffende Anklagepunkt III. eines weiteren Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt wurde in der Hauptverhandlung vom 15. März 2007 gemäß § 57 StPO aF ausgeschieden (S 67/XVII). Zur Aufklärung allein dieses Tatvorwurfs war bereits am 10. Jänner 2007 (ON 132) DDI Gernot W. S***** zum Sachverständigen bestellt und beauftragt worden, Befund und Gutachten über die von T***** bestrittene Echtheit eines ihn (im Sinne des Anklagepunktes III.) belastenden E-Mail-Verkehrs zu erstatten. Mit dem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Juni 2007, GZ 043 Hv 90/06b-166, wurde dieser Angeklagte schließlich von dem unter Punkt III. erhobenen Anklagevorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Im Zuge der Endverfügungen vom 16. Juni 2008 (ON 174) verpflichtete die Vorsitzende (unter anderem) Helmut T***** und Manfred P*****, die Gebühren des Sachverständigen DDI Gernot W. S***** zur ungeteilten Hand zu bezahlen (Punkte 1./19./b./ und 2./19./b./). Diese der Staatsanwaltschaft am 24. Juni 2008 (S 428/XVII) und den Verteidigern jeweils am 25. Juni 2008 (Rückscheine bei ON 174) zugestellten Beschlüsse blieben innerhalb der Rechtsmittelfrist unbekämpft.
Rechtliche Beurteilung
Die Verpflichtung beider Verurteilten zum Ersatz der Gebühren des Sachverständigen DDI Gernot W. S***** steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Gemäß § 389 Abs 1 StPO wird ein Angeklagter nur dann kostenersatzpflichtig, wenn wegen des Sachverhalts, den ihm die Anklage zur Last legt, ein Schuldspruch erfolgt. Wird das Strafverfahren gegen einen Angeklagten wegen mehrerer Straftaten teils mit Schuld- und teils mit Freispruch erledigt, ist er nur zum Ersatz jener Kosten verpflichtet, die sich auf den Schuldspruch beziehen (§ 389 Abs 2 StPO). Wird das Strafverfahren auf andere Weise als durch ein verurteilendes Erkenntnis beendet, sind die Kosten gemäß § 390 Abs 1 StPO in der Regel vom Bund zu tragen. Die von der zum Kostenersatz verpflichteten Partei zu zahlenden Kosten umfassen gemäß § 381 Abs 1 Z 2 StPO die Gebühren der Sachverständigen.
Der Ausspruch der Kostenersatzpflicht beider Angeklagter gemäß § 389 Abs 1 StPO im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. März 2007 (ON 144) ist die Folge der Schuldsprüche im Umfang der Punkte I. und II. der Anklageschrift. Die von diesen Schuldsprüchen umfassten Delikte stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit der Entstehung der Gebührenansprüche des Sachverständigen DDI Gernot W. S***** laut Kostennoten ON 150 und ON 160. Diese Sachverständigengebühren sind vielmehr ausschließlich im ab 15. März 2007 gemäß § 57 Abs 1 StPO aF abgesondert und allein gegen Helmut T***** wegen des unter Punkt III. der Anklage erhobenen Tatvorwurfs geführten und durch gesondert ergangenes, freisprechendes Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Juni 2007, GZ 043 Hv 90/06b-166, abgeschlossenen Strafverfahren aufgelaufen. Der Ausspruch, Helmut T***** und Manfred P***** hätten die Kosten des Sachverständigen DDI Gernot W. S***** zur ungeteilten Hand zu tragen, verletzt hinsichtlich des Erstangeklagten aufgrund seines Freispruchs im abgesondert geführten Verfahren die Bestimmung des § 390 Abs 1 StPO, hinsichtlich des Zweitangeklagten widerspricht er § 389 Abs 1 StPO, weil gegen P***** wegen dieses (weiteren) Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt kein Verfahren geführt wurde. Er wirkt sich zum Nachteil der Angeklagten aus.
Angesichts dessen sah sich der Oberste Gerichtshof zur Aufhebung der angeführten Beschlüsse veranlasst.