11Os174/08k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zuzana D***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 621 Hv 16/08p des Landesgerichts Korneuburg, über die Grundrechtsbeschwerde der Zuzana D***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 30. Juli 2008, AZ 21 Bs 312/08y, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Zuzana D***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit im Ermittlungsverfahren ergangenem Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 13. Mai 2008 wurde die über Zuzana D***** am 27. April 2008 verhängte (ON 8) Untersuchungshaft nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO iVm § 35 Abs 1 (zu ergänzen:) zweiter Satz JGG mit Wirksamkeit bis 13. Juni 2008 fortgesetzt (ON 29, 30). Noch vor Ablauf dieser Haftfrist wurde am 10. Juni 2008 die Anklageschrift (ON 33) eingebracht, sodass gemäß § 175 Abs 5 StPO ab diesem Zeitpunkt die Wirksamkeit des zuletzt ergangenen Haftbeschlusses zeitlich unbegrenzt war. Mit Beschluss vom 2. Juli 2008 setzte das Landesgericht Korneuburg in der zufolge Enthaftungsantrags durchgeführten Haftverhandlung die Untersuchungshaft erneut fort. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 30. Juli 2008, AZ 21 Bs 312/08y (ON 56) keine Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO iVm § 35 Abs 1 zweiter Satz JGG an.
Auf der Ebene des dringenden Tatverdachts nahm das Beschwerdegericht auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Korneuburg vom 10. Juni 2008 Bezug und sah die darin enthaltenen Vorwürfe als hafttragend an, Zuzana D***** habe - zusammengefasst - im Oktober 2007 sowie im Jänner und April 2008 in gewerbsmäßiger Absicht gemeinsam mit zwei Mittätern insbesondere Navigationsgeräte durch Einbruch in Fahrzeuge gestohlen. Zwischenzeitig wurde sie mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 1. September 2008 (ON 68) des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43a Abs 3 StGB teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Dieses Urteil erwuchs noch am selben Tag durch Rechtsmittelverzicht in Rechtskraft. Das Oberlandesgericht Wien hatte neben dem Tatverdacht auch das Vorliegen der Haftgründe und die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft bejaht.
Rechtliche Beurteilung
Die Grundrechtsbeschwerde, die im Wesentlichen die Argumentation der Haftbeschwerde wiederholend behauptet, die Fortsetzung der Untersuchungshaft über die zeitliche Begrenzung des zuletzt ergangenen Haftbeschlusses hinaus (bloß) durch Einbringung der Anklageschrift, verletze den Grundsatz des Art 5 Abs 1 MRK, geht fehl.
Zur Frage der Rechtzeitigkeit der Grundrechtsbeschwerde ist vorab festzuhalten, dass die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichts dem in der Slowakischen Republik ansässigen Verteidiger durch Hinterlegung am 8. August 2008 (Rückschein S 1j) zugestellt wurde. Der Verteidiger hat entsprechend den Vorschriften des Bundesgesetzes über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch international tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Österreich (EIRAG) einen österreichischen Rechtsanwalt als Einvernehmensrechtsanwalt (ON 34), nicht aber einen Zustellbevollmächtigten namhaft gemacht. Eine ordnungsgemäße Zustellung gemäß § 6 EIRAG kann aber, wenn kein Zustellbevollmächtigter genannt wurde, nur an den Einvernehmensrechtsanwalt erfolgen. Die Zustellung durch Hinterlegung in einem Postfach war daher weder gesetzmäßig noch fristauslösend, sodass die 14tägige Frist zur Einbringung der Grundrechtsbeschwerde (§ 4 Abs 1 GRBG) mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntniserlangung - nach den insoweit unwiderlegbaren Angaben des Verteidigers am 12. August 2008 (S 5 in ON 65) - begann, weswegen die Grundrechtsbeschwerde als fristgerecht anzusehen ist. Der allein mit der Verfassungswidrigkeit des § 175 Abs 5 StPO argumentierenden Beschwerde kommt keine Berechtigung zu. Denn die Gerichte sind an Gesetze auch dann gebunden, wenn gegen ihre Verfassungsmäßigkeit tatsächlich Bedenken bestehen, die durch eine verfassungskonforme Interpretation der solchen Bedenken ausgesetzten Bestimmung nicht beseitigt werden können. Ein durch eine gerichtliche Entscheidung oder Verfügung bewirkter Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit kann daher mit der Behauptung, die maßgebenden Bestimmungen seien verfassungswidrig, im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0121714). Verfahrensrelevant wäre der Einwand der Grundrechtsbeschwerde somit nur, wenn den Gerichten vorgeworfen würde, die Bestimmungen des § 175 Abs 5 StPO nicht verfassungskonform ausgelegt zu haben. Dies wird von der Beschwerdeführerin aber nicht behauptet. Allenfalls könnte sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sehen, gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 B-VG die Einleitung eines Normprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Hiezu führende Bedenken an der Verfassungsgemäßheit der in Rede stehenden Bestimmung vermag die Beschwerde jedoch nicht aufzuzeigen.
Eine Grundrechtsverletzung liegt daher nicht vor, weshalb die Beschwerde ohne Kostenausspruch abzuweisen war.