10ObS115/08x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dir. Dr. Hans Lahner und Dr. Reinhard Drössler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria W*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Walter Eisl, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, wegen Aufrechnung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2008, GZ 7 Rs 48/08t 38, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die am 9. 1. 1922 geborene Klägerin bezieht von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern seit 1. 6. 1990 eine Witwenpension und seit 1. 3. 2002 eine Ausgleichszulage.
Die Klägerin ist Eigentümerin von forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken mit einem Einheitswert von 2.302,13 EUR.
Mit Bescheid vom 8. 4. 2003 stellte die beklagte Partei fest, dass die Klägerin von 1. 5. 1999 bis 9. 12. 2001 in den Zweigen Kranken- und Unfallversicherung und von 1. 5. 1999 bis 30. 11. 2001 im Zweig Pensionsversicherung der Bauern pflichtversichert war. Dieser Bescheid ist rechtskräftig (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. 5. 2006, Zl 2004/08/0057). Die aus dem Bescheid vom 8. 4. 2003 resultierende Beitragsschuld der Klägerin beträgt 3.876,20 EUR.
Mit Bescheid vom 14. 4. 2003 rechnete die beklagte Partei den fälligen Betrag von 3.876,20 EUR ab 1. 4. 2003 in 18 monatlichen Raten (17 Raten zu je 223,73 EUR und eine Restrate von 72,79 EUR) auf die Pension der Klägerin auf.
Bis zur Klagseinbringung am 15. 7. 2003 behielt die beklagte Partei von der damals an die Klägerin zu leistenden Nettopension von 439,12 EUR zuzüglich der Ausgleichszulage von 8,34 EUR (insgesamt 447,46 EUR) drei Raten im Betrag von zusammen 671,19 EUR ein. Seit 1. 8. 2006 rechnet die beklagte Partei auf die nunmehrigen monatlichen Einkünfte der Klägerin jeweils 40,04 EUR auf und behält diesen Betrag ein. Die der Aufrechnung zugrunde liegenden Einkünfte der Klägerin setzen sich aus der Pension in Höhe von 495,07 EUR brutto und der Ausgleichszulage von 71,21 EUR brutto, insgesamt 566,28 EUR zusammen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Feststellung, dass die von der beklagten Partei vorgenommene Aufrechnung zu Unrecht erfolgt sei, ab. Nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrags (28,03 EUR) und des Solidaritätszuschlags (2,83 EUR) vom Bruttoeinkommen errechne sich ein Beitrag von 535,42 EUR. Dazu sei ein fiktives Ausgedinge von 159,72 EUR zu addieren, sodass das monatliche Gesamteinkommen der Klägerin 695,14 EUR betrage. Da 90 % des Richtsatzes nach § 141 BSVG (726 EUR) 653,40 EUR ausmache und die Differenz zum Gesamteinkommen der Klägerin 41,74 EUR betrage, sei die seit August 2006 vorgenommene monatliche Aufrechnung von 40,04 EUR gesetzeskonform erfolgt.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es die Klägerin (auch) schuldig erkannte, ab 1. 8. 2006 zur Deckung der offenen Forderung der beklagten Partei von 3.205,41 EUR die Aufrechnung auf die ihr gewährten Geldleistungen in Höhe von 40,04 EUR monatlich zu dulden. Die Pauschalanrechnung von Einkünften aus der Übergabe land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sei nicht verfassungswidrig. Diese gelte umso mehr für die Ermittlung des Nettoeinkommens, das einer versicherten Person bei Prüfung der Aufrechnung nach § 67 BSVG verbleiben müsse; auch hier sei ein fiktives Ausgedinge anzurechnen, ohne dass dagegen verfassungsrechtliche Bedenken bestünden.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer außerordentlichen Revision wendet sich die Klägerin erneut gegen die pauschale Anrechnung von Ausgedingsleistungen (von ihr bezeichnet als „Ausgleichszulage", „Ausgleichszahlung" und „Ausgleichsbetrag") für die Berechnung der Aufrechnungsgrenze; eine solche widerspreche auch Art 7 B VG und Art 5 StGG.
Dazu wurde erwogen:
1. Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. 12. 1993, G 60/92 ua, Anträge des Obersten Gerichtshofs, § 140 Abs 7 BSVG sowie die gleichlautenden Bestimmungen des § 149 Abs 7 GSVG und des § 292 Abs 8 ASVG für verfassungswidrig zu erklären, mit der Begründung abgewiesen hatte, dass er das am Einheitswert anknüpfende System der Pauschalanrechnung nicht für unsachlich halte, hat der Oberste Gerichtshof in seiner weiteren Judikatur Bedenken gegen die Verfassungskonformität der pauschalen Anrechnung von Einkünften aus übergebenen (etc) land- und forstwirtschaftlichen Betrieben jeweils verneint (10 ObS 2368/96z uva).
2. Nach § 67 Abs 2 BSVG ist die Aufrechnung nach § 67 Abs 1 Z 1, 2 und 4 BSVG „nur bis zur Hälfte der zu erbringenden Geldleistung zulässig, wobei jedoch der anspruchsberechtigten Person ein Gesamteinkommen in der Höhe von 90 % des jeweils in Betracht kommenden Richtsatzes nach § 141 verbleiben muss. Gesamteinkommen ist die zu erbringende Geldleistung zuzüglich eines aus übrigen Einkünften der leistungsberechtigten Person erwachsenden Nettoeinkommens (§ 140) und der nach § 142 zu berücksichtigenden Beträge".
Für die Ermittlung des Einkommens, das einer versicherten Person bei Prüfung der Aufrechnung verbleiben muss, setzt § 67 Abs 2 BSVG also zwei Grenzen, nämlich einerseits in Höhe der Hälfte der zu erbringenden Geldleistung und andererseits in der Form, dass der anspruchsberechtigten Person ein Gesamteinkommen in Höhe von 90 % des Ausgleichszulagenrichtsatzes verbleiben muss. Für die Ermittlung dieser zweiten Grenze bezieht § 67 Abs 2 BSVG im zweiten Satz eindeutig die pauschal anzurechnenden Einkünfte aus übergebenen (etc) land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ein. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass dann, wenn schon keine Bedenken gegen die Verfassungskonformität der Pauschalanrechnung bei der Ausgleichszulagenbemessung bestehen, auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Heranziehung dieser fiktiv berechneten Einkünfte bei der Berechnung des Betrags, der dem Anspruchsberechtigten im Fall einer Aufrechnung zu verbleiben hat, zu verneinen sind, beruht auf den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung.
Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.