JudikaturOGH

7Ob124/08y – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. September 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Ira D*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Hubert Mayrhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei KR Freimut D*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Jänner 2008, GZ 42 R 528/07v 129, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Fehlt im Ersturteil die Beweiswürdigung, so ist es mangelhaft. Wird der Mangel in der Berufung gerügt, so muss das Berufungsgericht entweder die Beweise wiederholen und würdigen oder es muss die Entscheidung aufheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverweisen. Wiederholt es die Beweise nicht, sondern begnügt sich damit, die fehlende Beweiswürdigung nachzutragen, so verstößt es gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit, sodass das Berufungsverfahren selbst mangelhaft ist (RIS Justiz RS0102004). Hat aber das Berufungsgericht aufgrund der vom Erstgericht aufgenommenen Beweise keine Bedenken gegen dessen Beweiswürdigung, so ist es selbst unter Heranziehung neuer Argumente zu einer Beweiswiederholung nicht verpflichtet (RIS Justiz RS0043125 [T9]).

Das Urteil des Erstgerichts im ersten Rechtsgang (ON 111), das eine Beweiswürdigung von knapp einer Seite aufwies, wurde vom Berufungsgericht wegen fehlender Beweiswürdigung und sekundärer Feststellungsmängel aufgehoben. Das im zweiten Rechtsgang gefällte Ersturteil enthält zwar noch immer keine detaillierte Auseinandersetzung mit allen Beweisergebnissen, es ist aber dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass aus dem Urteil dennoch die Beweiswürdigung des Erstgerichts erkennbar ist, sodass die Prüfung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht und das Heranziehen weiterer Argumente für die Beweiswürdigung des Erstgerichts kein Verfahrensmangel ist.

Die Ausführungen des Beklagten dazu, dass der Klägerin bereits im Zeitpunkt der Eheschließung der Ehewille gefehlt habe, gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Beweiswürdigung ist aber nicht revisibel (RIS Justiz RS0043125).

Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - nicht als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist (RIS Justiz RS0118125, RS0110837). Um beidseitige Eheverfehlungen richtig beurteilen zu können, müssen sie in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei es nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Ehewidrigkeiten ankommt, sondern auch darauf, inwieweit sie einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (RIS Justiz RS0057223). Die Eheverfehlungen sind also in ihrer Gesamtheit einander gegenüber zu stellen (RIS Justiz RS0057303). Ein überwiegendes Verschulden ist nur dort anzunehmen und auszusprechen, wo der graduelle Unterschied der beidseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (RIS Justiz RS0057821).

Das Berufungsgericht hat sich gewissenhaft und ausführlich mit der Rechtssache befasst und dargelegt, worin es Eheverfehlungen der Streitteile erkennt und wie es diese bei der Gegenüberstellung gewichtet. Eine im Rahmen des außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung konnte die Revision nicht aufzeigen. Das Berufungsgericht räumt ohnedies ein, dass angesichts des „Rückkopplungseffekts" des wechselweisen Fehlverhaltens in der ersten Zeit der Ehe das Verschulden keines der beiden Ehegatten entscheidend überwogen hat. Nur aufgrund der vom Beklagten in weiterer Folge noch weiter ehezerstörend gesetzten Aggressionshandlungen (wobei er die Klägerin nach den Feststellungen durchaus massiv attackierte) und seinen ehewidrigen Beziehungen sei doch sein Fehlverhalten als so schwerwiegend zu beurteilen, dass insgesamt sein Verschulden überwiege. Diese Ansicht hält sich im Rahmen der Judikatur. Wie insbesondere in der Entscheidung 9 Ob 33/03y ausgesprochen wurde, ist grundsätzlich jede körperliche Misshandlung als schwere Eheverfehlung zu werten und steht außerhalb des Rahmens, in dem Reaktionshandlungen auf vorangegangenes ehewidriges Verhalten des anderen Ehegatten noch verständlich und entschuldbar sein könnten.

Der Einwand des Beklagten, er habe gegen die Klägerin in seinem Schreiben knapp nach dem ersten Monat nach der Eheschließung gerechtfertigte Vorwürfe erhoben, entfernt sich von den Feststellungen. Vielmehr hat der Beklagte der Klägerin keinen Schlüssel zu seiner Wohnung zur Verfügung gestellt.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Rechtsprechung und ist im Einzelfall nicht zu beanstanden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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