14Os118/08x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, Hon.-Prof. Dr. Schroll und Dr. Lässig sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs in Gegenwart des Rechtspraktikanten Dr. Schmidmayr als Schriftführer in der Strafsache gegen Roman S***** wegen Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 11. Juni 2008, GZ 402 Hv 1/08g-73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Roman S***** der Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB sowie des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 17. September 2007 in Wien
I./ versucht, nachgenannte Personen vorsätzlich zu töten, indem er
sie in der U-Bahnstation Reumannplatz vom Bahnsteig 1 auf die U-Bahngleise stieß, und zwar
1./ Martin F*****,
2./ Romeo G***** und
3./ Adolf S*****,
wobei die Vollendung der Tat nur deshalb unterblieb, weil der U-Bahn-Stationswart rechtzeitig die Zugnotstopptaste betätigte; II./ Peter R***** durch Versetzen eines Faustschlags in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung des Genannten, nämlich eine Prellung des rechten Augapfels mit Verrenkung der Augenlinse, einen Einriss der Netzhaut und Blutungen in den Glaskörper und einen Riss der Regenbogenhaut zur Folge hatte.
In Ansehung des Hinabstoßens dreier Personen auf U-Bahngleise (= Schuldspruch I./) haben die Geschworenen nach Bejahung der Hauptfragen nach versuchtem Mord (A./, B./ und C./) die jeweiligen Zusatzfragen nach Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten (a./, b./ und c./) verneint. Folgerichtig ist die Beantwortung der Eventualfragen nach versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung (I./ und XI./), nach absichtlicher schwerer Körperverletzung (VI./), nach Körperverletzung (II./ und XII./) und nach schwerer Körperverletzung (VII./) ebenso wie die der Eventualfragen nach Begehung einer strafbaren Handlung im Zustand voller Berauschung, - und zwar des versuchten Mordes (III./, VIII./ und XIII./), der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung (IV./ und XIV./) und der absichtlichen schweren Körperverletzung (IX./) sowie der Körperverletzung (V./, XV./) und der schweren Körperverletzung (X./) - unterblieben.
Darüberhinaus wurde von den Geschworenen in Ansehung der gegen Peter R***** gerichteten Tathandlung (= Schuldspruch II./) die Hauptfrage nach schwerer Körperverletzung (D./) bejaht und die darauf bezogene Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten (d./) verneint. Die Beantwortung der Eventualfrage nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung, nämlich der schweren Körperverletzung (XVI./), erübrigte sich demgemäß.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen dieses Urteil vom Angeklagten allein aus dem Grund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu:
Die Interrogationsrüge verfehlt nämlich eine gesetzmäßige Ausführung, weil sie nicht einmal ansatzweise darzustellen vermag, weshalb die unsubstantiierte Verantwortung des Angeklagten, er habe niemanden töten oder verletzen wollen und könne sich an das Tatgeschehen nur lückenhaft erinnern, weil er auf „Entzug" gewesen sei und die Medikamente Somnubene und Substitol sowie Neuroleptika eingenommen habe, eine Fragestellung in Richtung fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 StGB indizieren sollte, zumal er sich einer bedingt vorsätzlichen Körperverletzung zum Nachteil des Romeo G*****, des Adolf S*****, des Martin F***** und des Peter R***** schuldig bekannt (ON 71, S 5 und 13) und hinsichtlich der drei Erstgenannten auch eingeräumt hatte, sie auf die Gleise der U-Bahn gestoßen zu haben, wobei er - lediglich - nicht wisse, wie er dies gemacht habe. Auch der Beschwerdehinweis auf die Aussagen der Zeugen Wolfgang M***** („er war in einem Ausnahmezustand", „hatte einen sehr starren und stechenden Blick" [ON 71, AS 59, 65]), Karl W***** („er war sicher nicht hier", „er hat einen wirren Blick gehabt und hat mit fletschenden Zähnen, wie ein wildes Tier, Leute weggestoßen" und ist dann „wie wenn nichts gewesen wäre" durch die Sperre gegangen und hat „sich hingesetzt" [ON 71, AS 79]) und Susanne P***** („ich bin vor ihm gestanden, aber er hat mich nicht erkannt" [ON 71, AS 87]) ändert daran nichts, ergeben sich doch aus diesen Aussagen ebenfalls keine Indizien für das Vorliegen eines bloßen Fahrlässigkeitsunrechts im Sinn des § 88 StGB iVm § 6 StGB.
Nach diesen Verfahrensergebnissen war es vielmehr geboten, den Geschworenen Zusatzfragen in Richtung § 11 StGB und Eventualfragen in Richtung § 287 Abs 1 StGB zu stellen, was ohnehin geschah. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.