7Nc9/08w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter S. Borowan und andere Rechtsanwälte in Spittal an der Drau, wegen 277.932,88 EUR sA und Feststellung, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Wels wird abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin ist der Haftpflichtversicherer der in B***** ansässigen B*****gesellschaft mbH. Sie errichtete ein Supermarktgebäude als Generalunternehmerin in E*****. Beide Orte liegen im Sprengel des Landesgerichts Wels. Die in F*****, im Sprengel des Landesgerichts Klagenfurt, ansässige Beklagte wurde von der B*****gesellschaft mbH mit der statischen Berechnung und der Erstellung von Ausführungsplänen sowie der Lieferung von Bindern für die Errichtung des Dachs des Supermarkts beauftragt. Am 10. 3. 2005 stürzte das Dach des Supermarktgebäudes ein.
Die Klägerin begehrt in ihrer beim Landesgericht Wels eingebrachten Klage die Bezahlung jenes Betrags, den sie an ihre Versicherungsnehmerin geleistet habe sowie die Feststellung der Haftung für sämtliche weitere Schäden und Nachteile aus dem Schadensfall. Zur Zuständigkeit stützte sie sich auf § 92a JN. Die Beklagte wandte in der Klagebeantwortung die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichts Wels ein. Mit Schriftsatz vom 28. 5. 2008 unterwarf sich die Klägerin der Unzuständigkeitseinrede und beantragte die Überweisung der Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Klagenfurt. Das Landesgericht Wels überwies die Rechtssache antragsgemäß.
Ebenfalls im Schriftsatz vom 28. 5. 2008 beantragt die Klägerin die Delegierung der Rechtssache (nach der Überweisung) zurück an das Landesgericht Wels. Die Delegierung sei zweckmäßig. Aus dem Akt ergebe sich, dass sämtliche Zeugen im Sprengel des Landesgerichts Wels bzw Linz wohnhaft seien. Da das Klagebegehren auch der Höhe nach bestritten sei, werde mit größter Wahrscheinlichkeit in E***** ein Lokalaugenschein durchzuführen sein.
Die Beklagte spricht sich gegen die Delegierung aus. Sie werde aufgrund der behaupteten mangelhaften Lieferung von Bindern bzw mangelhaft erstellten statischen Berechnungen in Anspruch genommen. Die dafür notwendigen Beweismittel befänden sich am Sitz der Beklagten, also im Sprengel des Landesgerichts Klagenfurt. Das Bauwerk existiere nicht mehr, sodass diesbezüglich die Durchführung eines Ortsaugenscheins nicht möglich sei. Die Einvernahme der von der Klägerin zur Schadenshöhe beantragten Zeugen sei möglicherweise im Hinblick auf den vom Auftraggeber gegen die B*****gesellschaft mbH vor dem Landesgericht Wels angestrengten Prozess entbehrlich. Die von der Beklagten beantragten Zeugen hätten ihren Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts Klagenfurt. Die Übertragung der Zuständigkeit an das Landesgericht Wels würde weder zu einer Verkürzung des Prozesses noch zu einer Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit noch zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen. Beim Landesgericht Klagenfurt bestünden die technischen Möglichkeiten zur Zeugeneinvernahme mittels Videokonferenz.
Das Landesgericht Klagenfurt führt aus, dass im Fall einer Delegierung nicht von vornherein mit einer wesentlichen Verkürzung oder Verbilligung des Verfahrens zu rechnen sei. Nicht im Sprengel des zuständigen Gerichts wohnhafte Zeugen könnten mittels Videokonferenz vernommen werden. Die Durchführung eines Ortsaugenscheins erscheine zur Klärung des Grundes des Anspruchs nicht erforderlich.
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung ist im Allgemeinen dann zweckmäßig, wenn sie zur Verkürzung des Verfahrens, zur Erleichterung der Amtstätigkeit oder zur wesentlichen Verbilligung des Verfahrens beitragen kann (RIS-Justiz RS0046333; RS0053169). Nach ständiger Rechtsprechung soll die Delegierung aber einen Ausnahmefall von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung darstellen. Spricht die Zweckmäßigkeit nicht eindeutig für die Durchführung des Verfahrens vor dem Gericht, das zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden soll, so ist der Partei, die der Delegierung widerspricht, der Vorzug zu geben (RIS-Justiz RS0046324).
Im vorliegenden Fall lässt sich die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig lösen, weil die beantragten Zeugen teils im Sprengel des Landesgerichts Klagenfurt, teils im Sprengel des Landesgerichts Wels bzw Linz wohnhaft sind. Ob die Durchführung eines Ortsaugenscheins erforderlich ist, kann derzeit nicht beurteilt werden. Es kann also nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass das Verfahren rascher und mit geringerem Verfahrensaufwand vor dem Landesgericht Wels durchgeführt werden kann, weshalb es bei der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu bleiben hat (vgl auch die Entscheidung 10 Nc 13/08f, die im Verfahren zwischen der B*****gesellschaft mbH und der Beklagten ergangen ist).
Der Antrag ist daher abzuweisen.