13Os110/08p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Wieslaw M***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. März 2008, GZ 123 Hv 102/06f-142, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wieslaw M***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe von 15. Februar 2004 bis 15. Jänner 2005 in Wien im Bereich des Finanzamts für den 4., 5. und 10. Bezirk als für die abgabenrechtlichen Belange der Profibau M***** KEG Verantwortlicher vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG 1988 entsprechenden Lohnkonten durch Unterlassung der Einbehaltung und Abfuhr der tatsächlich angefallenen Lohnsteuer von 130.282,23 Euro sowie der Entrichtung von Dienstgeberbeiträgen samt Zuschlägen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in Höhe von insgesamt 32.573,40 Euro eine für gewiss gehaltene Verkürzung dieser Abgaben in der genannten Höhe für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2004 bewirkt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Staatsanwaltschaft aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt. Mit der Kritik, die Begründung erschöpfe sich darin, „die Unterscheidungsmerkmale zwischen Dienstvertrag und Werkvertrag zu diskutieren", und verliere sich „in allgemeinen Überlegungen, die eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Fall bzw - sofern zeitweilig doch auf den Fall konkret eingegangen wird - den logisch begründeten Schluss aus diesen Überlegungen vermissen lassen", macht die Staatsanwaltschaft der Sache nach eine unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) geltend, ohne jedoch den Anfechtungserfordernissen entsprechend darzulegen, weshalb es sich bei den - unter mehrfacher Bezugnahme auf den (für den Angeklagten nachteiligen) Betriebsprüfungsbericht und die Ergebnisse der von der Finanzverwaltung durchgeführten Vernehmungen eingesetzter Subunternehmer (US 16 ff) angestellten - beweiswürdigenden Überlegungen um bloße Scheingründe oder gegen die Regeln der Logik verstoßende Schlussfolgerungen handeln soll (vgl RIS-Justiz RS0116732).
Dass sich die Tatrichter auch abstrakt mit den rechtlichen Unterscheidungskriterien von Dienst- und Werkvertrag auseinandergesetzt haben (vgl dazu Krejci in Rummel3 § 1151 Rz 36 ff, insbes 92 ff), trägt die Beschwerdebehauptung, die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse sei ohne Berücksichtigung der konkreten Fallumstände erfolgt, nicht. Die - zur Ermittlung des abgabenrechtlichen Anknüpfungstatbestands (§ 47 Abs 1 und Abs 2 iVm § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG) erforderliche - (zivilrechtliche) Subsumtion des anhand der tatsächlich verwirklichten vertraglichen Vereinbarungen festzustellenden Sachverhalts (VwSlg 7569 F/2000; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 21 Anm 1; Tanzer/Unger, BAO 2007 § 21 B.b) setzt eine vorangehende Befassung mit den Tatbestandselementen vertraglicher Erscheinungsformen geradezu notwendig voraus. Weshalb die Staatsanwaltschaft - im Widerspruch zu diesem Vorbringen - abschließend moniert, das Erstgericht habe „die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Dienstverträgen nicht aus rechtlichen Gesichtspunkten sondern im Rahmen der freien Beweiswürdigung verneint" (RS 9), ist angesichts der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf Basis sachverhaltsmäßiger Klärung (§ 21 BAO) nicht nachvollziehbar.
Indem die Staatsanwaltschaft dem isoliert herausgegriffenen Urteilsargument, die Einmann-Unternehmen hätten für mehrere Auftraggeber gearbeitet, weshalb unter anderem auch deshalb von selbstständiger Erwerbstätigkeit auszugehen sei (US 19; vgl Krejci in Rummel3 § 1151 Rz 93), eigene Schlussfolgerungen entgegenhält, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung nach Art einem kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099455).
Unter dem Aspekt mängelfreier Begründung der (Tatsachen )Feststellungen ist die Kritik, dem Gericht sei bei der Frage nach der rechtlichen Relevanz des Zurverfügungstellens von Betriebsmitteln (US 18) ein „Denkfehler" unterlaufen (RS 8 f), unbeachtlich. Denn für die Abgrenzung selbstständiger von unselbstständiger Erwerbstätigkeit ist stets das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild maßgeblich (VwSlg 7569 F/2000). Auf die tatsächliche Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse und damit auf die abgabenrechtliche Verpflichtung des Angeklagten (§ 76 ff EStG) hat die steuerliche Veranlagung der von ihm beauftragten Subunternehmer keinen Einfluss, weshalb die als unzureichend und unvollständig begründet gerügte Feststellung, eine große Anzahl der Einmann-Unternehmer habe sich zur Einkommensteuer veranlagen lassen oder zumindest um Erteilung einer Steuernummer angesucht (US 15), keine entscheidende Tatsache betrifft. Die unterbliebene Erörterung der Aussagen der Zeugen Grzegorz und Marcin W***** bewirkt demnach - abgesehen davon, dass eine Vielzahl von Zeugen im Vorverfahren im Sinn der in Rede stehenden Urteilskonstatierung ausgesagt haben (ON 51 - 54, 58, 60, 76, 77, 86-88) - keinen Begründungsmangel. Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider sprach das Erstgericht den von der Finanzbehörde durchgeführten Vernehmungen keineswegs bloß „global die Beweiskraft" ab, sondern setzte sich inhaltlich mit den wesentlichen - auch widersprechenden - Punkten dieser Zeugenaussagen auseinander, womit der Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht berechtigt ist.
Gleiches gilt für den Einwand mangelnder Erörterung einzelner im Rahmen von Zeugenvernehmungen (ON 51, 54, 59, 76 und 125) vorgelegter Rechnungen, die keine detaillierten Leistungsaufstellungen nach Quantität (Quadratmeter) enthalten. Angesichts des - in der Beschwerde nicht erwähnten - Umstands, dass die weitaus überwiegende Zahl der aktenkundigen Rechnungen (vgl unter anderem die Beilagen zu den Vernehmungen ON 52, 53, 56-58, 60, 77, 86-88) eine derartige Konkretisierung erbrachter Leistungen sehr wohl aufweisen, handelt es sich bei den von der Staatsanwaltschaft zitierten wenigen Ausnahmen um kein erhebliches Verfahrensergebnis, dessen Berücksichtigung eine andere Lösung der vom Erstgericht - zutreffend (vgl RIS-Justiz RS0021299) - als entscheidend erachteten Frage nach der Art der Abrechnung der erbrachten Leistungen (US 14 und 19) herbeizuführen geeignet gewesen wäre (RIS-Justiz RS0099578). Im Übrigen spräche auch eine pauschale Abrechnung nicht gegen die Annahme, dass die Subunternehmer eine mengenmäßig und nicht nach Arbeitszeit bestimmte Leistungen zu erbringen hatten. Ebenso wenig kommt dem Umstand, dass bei einigen Rechnungen (nicht mit jener der Auftraggeberin) übereinstimmende Adressen der Subunternehmer aufscheinen (S 55 ff/I), Bedeutung zu.
Weshalb aus dem festgestellten Bestreben, durch entsprechende Vertragsgestaltung eine selbstständige Erwerbstätigkeit in Österreich unabhängig von einer Arbeitserlaubnis zu ermöglichen (US 14 f), zwingend ein auf Abgabenhinterziehung gerichteter - vom Erstgericht ausdrücklich verneinter (US 19) - Vorsatz folgen sollte, legt die Mängelrüge nicht dar; der diesbezüglich relevierte Widerspruch (Z 5 dritter Fall) der Entscheidungsgründe liegt demnach nicht vor. Aus der Urteilsformulierung, „dass aufgrund der fehlenden Arbeitsbewilligungen der Abschluss von Werkverträgen von beiden Seiten gewollt war" (US 19), ist nämlich nicht unbedingt abzuleiten, dass die Arbeitsverhältnisse in tatsächlicher Hinsicht nicht den gewählten Vertragsformen entsprochen hätten. Angesichts der eindeutigen - eine Lohnsteuerpflicht der Subunternehmer ausschließenden - Urteilskonstatierungen zur objektiven Ausgestaltung dieser Arbeitsverhältnisse (US 14 f) ist die Feststellung, beide Vertragsteile seien (subjektiv) davon ausgegangen, die österreichischen Gesetze eingehalten zu haben (US 15), nicht entscheidend und solcherart auch nicht begründungspflichtig. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).