JudikaturOGH

13Os89/08z – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. August 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer in der Strafsache gegen Halil Ibrahim V***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 24. Jänner 2008, GZ 27 Hv 235/07f-40, sowie über dessen Beschwerde gegen einen gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Sumah zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen III/2, 4 und 6, weiters im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung und der gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefasste Beschluss aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst

I. zu Recht erkannt:

Halil Ibrahim V***** wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er hätte „in Innsbruck und anderen Orten falsche Urkunden mit dem Vorsatz hergestellt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache und zwar einer falschen Identität gebraucht werden und zwar:

am 8. April 2007 durch Ausfüllen eines Gästeblattes des Sporthotels 'P*****' mit dem Namen Ali, wohnhaft in Kirchengasse in *****;

am 10. April 2007 durch Ausfüllen eines Gästeblattes des Hotels 'C*****' mit dem Geburtsdatum 01.01.1981, wohnhaft in *****;

am 14. April 2007 durch Ausfüllen des Gästeblattes des Parkhotel H***** mit dem Geburtsdatum 5. 5. 1985, wohnhaft in *****", gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm weiter zur Last liegenden Verbrechen des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB und des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB sowie der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB wird der Angeklagte unter Anwendung des § 28 Abs 1 und des § 36 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 148 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Monaten verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last;

II. den Beschluss

gefasst:

Gemäß § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO werden die mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. August 2006, GZ 22 Hv 151/06i-30, sowie mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 22. November 2006 (hinsichtlich des Restes des mit diesem Urteil unbedingt ausgesprochenen Strafteils) gewährten bedingten Strafnachsichten widerrufen.

Mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Halil Ibrahim V***** unter Einbeziehung des bereits nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 7. November 2007, GZ 13 Os 123/07y-6 (ON 34), in Rechtskraft erwachsenen Teils des Urteils des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 14. Juni 2007 (ON 29), der im Urteilspunkt I verfehlt zum Teil wiederholt wurde (RIS-Justiz RS0100041), unter Wiederherstellung der Subsumtionseinheit (§ 29 StGB) des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB (I und II) und der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er (weiters)

II/ (zusammengefasst wiedergegeben) in der Zeit vom 9. April 2007 bis zum 17. April 2007 in Innsbruck und Hall in Tirol mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz in vier detailliert angeführten Fällen Verfügungsberechtigte namentlich genannter Beherbergungsbetriebe durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und darüber, dass sein Konto gedeckt sei, zur Gewährung von Kost, Logis „und anderen Leistungen mittels bargeldlosem Zahlungsverkehr verleitet", wodurch die H***** AG um insgesamt 838,60 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

III/ in Innsbruck und anderen Orten falsche Urkunden, mit dem Vorsatz hergestellt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache und zwar einer falschen Identität gebraucht werden, nämlich 1./ am 5. März 2007 durch Ausfüllen und Unterfertigen eines Gästeblatts des Hotels „D*****" mit dem Namen Engin K*****, geboren am 12. Dezember 1986, wohnhaft in *****;

2./ am 8. April 2007 durch Ausfüllen eines Gästeblatts des Sporthotels „P*****" mit dem Namen Ali, wohnhaft in der Kirchengasse in *****;

3./ am 9. April 2007 durch Ausfüllen und Unterfertigen eines Gästeblatts des Hotels „Hi*****" mit dem Namen V***** A*****, geboren am 1. Jänner 1981, wohnhaft in *****;

4./ am 10. April 2007 durch Ausfüllen eines Gästeblatts des Hotels „C*****" mit dem Geburtsdatum 1. Jänner 1981, wohnhaft in *****;

5./ am 12. April 2007 durch Ausfüllen und Unterfertigen eines Gästeblatts des Hotels „D*****o" mit dem Namen Hasan S*****, geboren am 5. Mai 1981, wohnhaft in *****;

6./ am 14. April 2007 durch Ausfüllen eines Gästeblatts des P***** mit dem Geburtsdatum 5. Mai 1985, wohnhaft in *****;

7./ am 16. April 2007 durch Ausfüllen und Unterfertigen eines Gästeblatts des Hotels „He*****" mit dem Namen V***** H*****, geboren am 5. Mai 1982, wohnhaft in *****;

8./ am 19. April 2007 durch Ausfüllen und Unterfertigen eines Gästeblatts des Hotels „K*****" mit dem Namen Ibrahim H*****, geboren am 12. Dezember 1986, wohnhaft in *****;

9./ am 27. April 2007 durch Ausfüllen und Unterfertigen eines Gästeblatts des „Pa*****" mit dem Namen Devrim S*****, geboren am 16. September 1981, wohnhaft in *****;

10./ am 29. April 2007 durch Ausfüllen und Unterfertigen eines Gästeblatts des Hotels „B*****" mit dem Namen Ibrahim M*****, geboren am 12. Dezember 1986, wohnhaft in *****.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten nominell aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt. Der Einwand (Z 5), es gebe „im Akt keine Anhaltspunkte" dazu, „dass im Moment des jeweiligen Erteilens der Einzugsermächtigung Abbuchung [?] keine Kontodeckung gegeben war", missachtet, dass die Tatrichter die relevanten Konstatierungen, wonach der Angeklagte gegenüber Berechtigten von Beherbergungsbetrieben jeweils die mangelnde Deckung seines Bankkontos verschwiegen und diese über seine Zahlungsfähigkeit getäuscht hat, mängelfrei auf dessen geständige Verantwortung gegründet haben (US 10; S 433 f iVm S 350 f/I).

Weshalb die im Rahmen der Urteilsgründe wiedergegebene „Rechtfertigung" des Angeklagten, das kontoführende Bankinstitut würde die Rechnungen bezahlen und er werde „irgendwann" vom Bankinstitut beansprucht werden (US 10), gegen dessen (zufolge tatrichterlicher Beweiswürdigung als erwiesen angenommene) Täuschung über Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit zur Tatzeit sprechen soll, erklärt die einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) reklamierende Rüge nicht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist zum Schuldspruch II nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Denn sie stellt bloß isoliert auf das Verschweigen mangelnder Kontodeckung ab und lässt die bereits erwähnten Feststellungen zur Täuschung des Angeklagten über seine finanzielle Situation unbeachtet.

Da die Geltendmachung materieller Nichtigkeit stets unter Zugrundelegung des gesamten Urteilssachverhalts zu erfolgen hat, scheitert auch die - erkennbar auf Strafbarkeit nach § 153 StGB abzielende - Behauptung (inhaltlich Z 10), bei Zahlung mit Bankomatkarte würde Betrug ausscheiden. Die Rüge übergeht nämlich jene im zweiten Rechtsgang nunmehr getroffenen Feststellungen, wonach der Kunde bei dem von der H***** AG betriebenen bargeldlosen Zahlungsverkehr durch Verwenden der Bankomatkarte anlässlich der Zahlung die H***** AG bloß zur Einziehung des Rechnungsbetrags ermächtigt, sodass im Fall mangelnder Effektuierbarkeit der Einziehungsermächtigung der Schaden nicht beim kontoführenden Bankinstitut, sondern bei der H***** AG eintritt (US 9). Der Einwand, dass der Angeklagte angesichts seines vollständigen Namens Halil Ibrahim V***** bei Unterfertigen von Gästeblättern mit „V*****" oder „I*****" „objektiv nicht über seine Identität getäuscht" hat und die Forderung nach Feststellungen, ob „A***** und H***** nicht etymologisch dasselbe bedeuten", sind gleichfalls unberechtigt.

Maßgebliches Kriterium einer falschen im Sinn von unechten Urkunde ist die Täuschung über die Identität des Ausstellers, die im Regelfall durch Verwenden eines fremden oder fingierten Namen bewirkt wird. Ausnahmsweise kann aber auch unter Verwendung des eigenen Namens eine unechte Urkunde hergestellt werden. Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Täter zwar mit seinem Namen unterzeichnet, dabei aber gezielt Umstände schafft oder ausnützt, die auf eine andere Person als Aussteller deuten (Kienapfel/Schroll in WK² § 223 [2006] Rz 169, 176).

Dies trifft in jenen Fällen zu, in welchen der Angeklagte nicht nur falsche Geburtsdaten und Anschriften, sondern auch seinen Familiennamen anstelle seiner Vornamen oder unter Verschweigung seines tatsächlichen Familiennamens einen seiner Vornamen als Familiennamen verwendet hat (III/3 und 7) und dadurch - wie vom Erstgericht angeführt - eine andere Person als Aussteller der betreffenden Urkunden vorgeschoben hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch in Ansehung der Schuldsprüche (III/2, 4 und 6) der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) wahrzunehmen:

Zum Schuldspruch III/2 blieb im Urteil unklar, ob der Angeklagte durch „Ausfüllen" des Gästeblatts mit „Ali, Kirchengasse, *****" (also die für jedermann ersichtliche Verwendung bloß eines Vornamens) tatsächlich die Identität einer anderen (sei es fiktiven) Person als Aussteller vorgespiegelt (und demnach eine falsche Urkunde im Sinn des § 223 StGB hergestellt) oder bloß seine eigene Identität durch solcherart unvollständige Angaben verheimlicht hat. In Betreff der Schuldsprüche III/4 und 6 ist dem Urteil nicht zu entnehmen, zufolge welcher besonderen Umstände die wahrheitswidrigen Angaben zu Geburtsdatum und Wohnsitz allein geeignet gewesen sein sollen, einen Irrtum über die Person des Ausstellers hervorzurufen. Entsprechend nachteilige Urteilsannahmen für den Angeklagten zu diesen Schuldvorwürfen sind nach der Aktenlage nicht indiziert. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass die in den übrigen Fällen konstatierte Weitergabe der mit falschen Namen ausgefüllten und unterfertigten Gästeblätter an Berechtigte von Beherbergungsbetrieben (US 8) einen Gebrauch derselben im Sinn des § 223 Abs 2 StGB darstellt (14 Os 46/08h). Infolge stillschweigender Subsidiarität tritt die Strafbarkeit der Herstellung solcher falscher Urkunden nach § 223 Abs 1 StGB hinter jene des Gebrauchs nach § 223 Abs 2 StGB zurück (Kienapfel/Schroll, WK² § 223 [2006] Rz 255). Dem Angeklagten erwuchs durch die Annahme einer Strafbarkeit nach § 223 Abs 1 StGB jedoch kein Nachteil.

Bei der notwendigen Strafneubemessung waren das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen gleicher und verschiedener Art, die einschlägige Vorstrafenbelastung (ON 25) und der rasche Rückfall (S 345/I) als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis, das Alter des Angeklagten von unter 21 Jahren zur Tatzeit und der Umstand zu werten, dass zwei Schuldspruchfakten im Verhältnis des § 31 StGB zur Vorverurteilung zu AZ 22 Hv 151/06i des Landesgerichts Innsbruck stehen.

Ausgehend vom ersten Strafsatz des § 148 StGB bei Anwendung des § 36 StGB (bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) ist mit Blick auf die angeführten Strafzumessungsgründe eine Freiheitsstrafe von vierzehn Monaten tat- und schuldangemessen.

Ungeachtet dieser Sanktion war aus spezialpräventiven Gründen auch der Widerruf der dem Angeklagten mit dem (ebenso über zahlreiche Einmietbetrügereien absprechenden) Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. August 2006, GZ 22 Hv 151/06i-30, hinsichtlich eines zehnmonatigen Strafteils sowie mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 22. November 2006 hinsichtlich des dreizehntägigen Restes des mit diesem Urteil unbedingt ausgesprochenen Strafteils gewährten bedingten Strafnachsichten notwendig.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) war der Angeklagte auf die Strafneubemessung und den Widerrufsbeschluss zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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