7Ob11/08f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Stephanie E*****, geboren am 22. April 2004, Mutter Livia E*****, vertreten durch Dr. Karin Wessely, Rechtsanwältin in Wien, Vater Nyherovwo E*****, vertreten durch Mag. Judith Szabo, Rechtsanwältin in Wien, diese vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Februar 2007, GZ 48 R 29/07f-S-26, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 22. Februar 2006, GZ 3 P 263/04f-S-10, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Besuchsrechtsregelung aufgehoben. Dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
Die minderjährige Stephanie ist die eheliche Tochter der in Ungarn geborenen Livia E***** und des in Nigeria geborenen Nyherovwo E*****, deren Ehe am 15. 9. 2005 geschieden wurde.
Am 30. 11. 2004 erschien der Vater (ungeladen) beim Erstgericht und beantragte, ihm ein Besuchsrecht zu seiner Tochter einzuräumen. Er gab an, derzeit keine Zustellanschrift zu haben. Hiezu wurde im Protokoll festgehalten: „Ich werde binnen 14 Tagen eine Zustellanschrift bekannt geben, ich nehme zur Kenntnis, dass ansonsten die für mich bestimmten Schriftstücke bei Gericht hinterlegt werden".
Das Amt für Jugend und Familie sprach sich gegen ein Besuchsrecht des Vaters aus. Aufgrund des Besuchsrechtsantrags des Vaters sei ein Besuchstermin in der Regionalstelle vereinbart worden. Noch vor diesem Termin sei jedoch der Vater abermals gewalttätig geworden. Er habe die Mutter mit der Faust ins Gesicht geschlagen und sie gemeinsam mit der Tochter in einem Zimmer eingesperrt. Gegen den Vater sei deshalb am 12. 2. 2005 ein weiteres Betretungsverbot verhängt worden. Die Mutter werde nun die Scheidung einreichen und ein Kontaktverbot des Vaters zur Tochter beantragen. Diesem Schreiben war eine Kopie des von der Bundespolizeidirektion Wien verfügten Betretungsverbots angeschlossen. Nach den darin enthaltenen Angaben der Mutter war der Vater „trotz Aufenthaltsverbots noch immer im Land".
Mit einer undatierten Verfügung, die am 17. 5. 2005 abgefertigt wurde, ordnete das Erstgericht die Zustellung der Stellungnahme des Amts für Jugend und Familie an den Vater durch Hinterlegung bei Gericht an. Das Zustellstück wurde nicht behoben.
Am 15. 9. 2005 wurde die Ehe der Eltern aus dem Verschulden des Vaters geschieden. Im Scheidungsurteil wurde festgestellt, dass es bereits am 21. 10. 2004 zu einer Wegweisung des Vaters aus der damaligen gemeinsamen Wohnung und einer Verhängung eines Betretungsverbots gemäß § 38a SPG wegen der Gewalttätigkeiten zwischen den Eltern gekommen sei. Der Vater habe der Mutter den Kinderwagen entrissen, sodass die Mutter an der linken Hand blaue Flecken erlitten habe. Schon vor diesem Vorfall habe er die Mutter gefährlich bedroht und geschlagen. Von den gewalttätigen Angriffen habe sie Hämatome am Arm und am Oberkörper davongetragen. Im Februar 2005 habe ihr der Vater durch Schläge unter anderem das Trommelfell perforiert.
Am 8. 11. 2005 beantragte die Mutter, ihr die Obsorge zuzuerkennen, weil das Kind nun in den Kindergarten komme und der Vater sie nicht von dort abholen solle.
In einem mit dem Datum 8. 11. 2005 versehenen Vermerk hielt das Erstgericht fest: „Adresse Kindesvater G***** 5, 1110 Wien bei N***** (aus C-Akt)".
Mit Beschluss vom 25. 11. 2005 hat das Erstgericht der Mutter vorläufig die alleinige Obsorge für die Minderjährige übertragen und den Beschluss gemäß § 44 Abs 1 AußStrG für vorläufig verbindlich erklärt. Das Erstgericht verfügte die Zustellung dieses Beschlusses an den Vater an die im Vermerk vom 8. 11. 2005 angeführte Adresse. Das Schriftstück wurde nach einem vergeblichen Zustellversuch und Zurücklassung einer Hinterlegungsanzeige beim Postamt 1110 Wien hinterlegt. Ob die Sendung von dort abgeholt wurde, ist aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich.
In seiner weiteren Stellungnahme vom 19. 12. 2005 hielt es das Amt für Jugend und Familie (abermals) sowohl für die Mutter als auch für die Minderjährige besser, wenn die Minderjährige den Vater nicht trifft, damit sich die angespannte Situation beruhigt. Diese Stellungnahme wurde dem Vater wieder an die Adresse G***** 5, 1110 Wien - nun „c/o Augustine N*****" - zugestellt; die Postsendung kam als nicht behoben zurück.
Mit Beschluss vom 22. 2. 2006 (ON S-10) übertrug das Erstgericht die Obsorge (endgültig) der Mutter allein und wies den Besuchsrechtsantrag des Vaters ab. Aus dem „Scheidungs- bzw Wegweiseakt" sei ersichtlich, dass der Vater auch gegenüber der Minderjährigen ein unverantwortliches Verhalten zeige; so habe er den Kinderwagen mit dem Kind darin von der Mutter weggerissen. Die Zustellung dieses Beschlusses an den Vater wurde ebenfalls an die genannte Adresse „c/o Augustine N*****" verfügt. Die Postsendung wurde nach erfolglosem Zustellversuch wieder beim Postamt 1110 Wien hinterlegt (Beginn der Abholfrist 17. 3. 2006). Nach einem Aktenvermerk vom 3. 4. 2006 hat daraufhin Augustine N***** „sehr aufgebracht" beim Erstgericht angerufen und mitgeteilt, dass der Vater nicht mehr „dort" arbeite und seine Adresse unbekannt sei. Auch die den Beschluss ON S-10 enthaltende Postsendung kam als nicht behoben zurück. Nach vergeblichen Melde- und Sozialversicherungsanfragen verfügte das Erstgericht am 23. 5. 2006 die Zustellung der Stellungnahme des Amts für Jugend und Familie und des Beschlusses ON S-10 an den Vater durch Hinterlegung bei Gericht. Die Hinterlegung erfolgte am 26. 5. 2006. Die Postsendung blieb unbehoben.
Der Vater sprach am Amtstag am 19. 12. 2006 ungeladen beim Erstgericht wegen des Besuchsrechts zu seiner Tochter vor. Als seine Wohnadresse gab er nunmehr „1020 Wien, G***** 4" an. Zunächst wurden ihm die Stellungnahme des Amts für Jugend und Familie und der Beschluss ON S-10 ausgehändigt. Daraufhin gab er einen Rekurs gegen diesen Beschluss zu Protokoll. Er brachte vor, dass er die Ehewohnung wegen des Scheidungsverfahrens verlassen habe müssen und „dann" die Adresse G***** 5, 1110 Wien als Zustelladresse angegeben habe. Er habe nur bis Februar 2005 dort gearbeitet. Der Beschluss ON S-10 sei ihm erst jetzt durch die Ausfolgung zugegangen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters hinsichtlich seines Besuchsrechtsantrags Folge und räumte ihm ein wöchentliches Besuchsrecht an jedem Sonntag von 11:00 Uhr bis 14:00 Uhr ein (ON S-26). Aus dem Akt sei nicht ersichtlich, dass der Vater gegenüber der Minderjährigen gewalttätig gewesen sei. Es solle daher der Kontakt zwischen ihm und der Tochter gefördert werden, der für die normale Entwicklung notwendig sei und eine Entfremdung zwischen Kind und Vater verhindern solle. Aus der Sicht des Rekursgerichts könnten die ständigen Konflikte zwischen den Eltern das Wohl der Minderjährigen gefährden, weshalb beiden Elternteilen dringend nahezulegen sei, in der derzeitigen schwierigen Phase vor allem auf die peinlichst genaue Einhaltung der eigenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Besuchsrechts zu achten und für dennoch eintretende Kommunikationsschwierigkeiten ein gewisses Verständnis aufzubringen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.
Gegen die vom Rekursgericht angeordnete Besuchsrechtsregelung erhob die Mutter (fristgerecht) zunächst einen selbst verfassten Revisionsrekurs. Daraufhin wurde sie vom Erstgericht schriftlich über die Anwaltspflicht und die Möglichkeit eines Verfahrenshilfeantrags belehrt, wobei ihr eine 14-tägige Frist gesetzt wurde. Innerhalb dieser Frist überreichte die Mutter einen Vefahrenshilfeantrag, der ihr aber unter Setzung einer weiteren Frist von 14 Tagen zu ergänzenden Angaben zurückgeschickt wurde. Aus einem Aktenvermerk der zuständigen Erstrichterin ergibt sich, dass die Mutter aufgrund des (zweiten) Verbesserungsauftrags beim Erstgericht (zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt) anrief und sich erkundigte, wann sie bezüglich des Verfahrenshilfeformulars vorsprechen könne, da es ihr nicht möglich sei, dieses allein (vollständig) auszufüllen, wobei sie auf den Amtstag am 24. 7. 2007 verwiesen wurde. Am 24. 7. 2007 erschien die Mutter „ladungsgemäß" beim Erstgericht, wo mit ihr das Antragsformular für die Verfahrenshilfe ergänzt wurde. Der Beschluss, mit der ihr die Verfahrenshilfe bewilligt wurde, wurde der bestellten Verfahrenshelferin am 8. 11. 2007 zugestellt, die innerhalb der 14-tägigen Rechtsmittelfrist einen verbesserten und anwaltlich gefertigten außerordentlichen Revisionsrekurs zur Post gab. Der Oberste Gerichtshof stellte dem Vater die Revisionsrekursbeantwortung frei. Der Vater, der inzwischen in der Justizanstalt R***** in Haft ist, beantragte fristgerecht die Verfahrenshilfe im Revisionsrekursverfahren, die ihm mit Beschluss vom 29. 5. 2008 vom Erstgericht antragsgemäß bewilligt wurde. Der für den Vater im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwältin wurden die Gleichschrift des außerordentlichen Revisionsrekurses der Vertreterin der Mutter, Ausfertigungen der erstgerichtlichen Beschlüsse über die vorläufige Obsorgeregelung (ON S-2) und die endgültige Obsorgeregelung und Abweisung des Besuchsrechts des Vaters (ON S-10) sowie eine Ausfertigung des zweitinstanzlichen Beschlusses über den Rekurs des Vaters (ON S-26) am 30. 6. 2008 zugestellt. Am 4. 7. 2008 langte beim Erstgericht die Bekanntgabe ein, dass die für den Vater bestellte Verfahrenshelferin dem Rechtsanwalt Dr. Michael Vallender eine Subsitutionsvollmacht in diesem Verfahren erteilt habe. Der Subsitutionsbevollmächtigte gab am 14. 7. 2008 namens des Vaters eine an das Erstgericht adressierte Revisionsrekursbeantwortung zur Post, die am 17. 7. 2008 beim Erstgericht einlangte und von dort an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet wurde. Beim Obersten Gerichtshof ging der Schriftsatz am 24. 7. 2008 ein.
Die Revisionsrekursbeantwortung ist verspätet: Gemäß § 68 Abs 4 Z 2 AußStrG ist die Revisionsrekursbeantwortung beim Obersten Gerichtshof einzubringen, wenn die Einbringung - wie hier - vom Obersten Gerichtshof freigestellt wurde. Gemäß § 68 Abs 1 AußStrG beträgt die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung 14 Tage. Gemäß § 89 Abs 1 GOG sind zwar die Tage des Postlaufs in die Rechtsmittelfrist nicht einzurechnen. Dies setzt jedoch voraus, dass das Rechtsmittel an das richtige Gericht adressiert ist. Andernfalls ist es nur dann als rechtzeitig anzusehen, wenn es noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht einlangt (RIS-Justiz RS0060177; RS0041584; RS0041608). Die am letzten Tag der Frist zur Post gegebene, unrichtig an das Erstgericht adressierte und erst zehn Tage danach beim Obersten Gerichtshof eingelangte Revisionsrekursbeantwortung ist daher als verspätet zurückzuweisen.
Der Revisionsrekurs der Mutter ist hingegen rechtzeitig. Die (mündliche) Ladung der nach dem zweiten Verbesserungsauftrag telefonisch bei Gericht um Hilfe ansuchenden Mutter kann nur als eine Erstreckung der Verbesserungsfrist für den Verfahrenshilfeantrag beurteilt werden. Auch wenn das Erstgericht nicht in der Lage war aufzuklären, wann die Mutter das Gericht telefonisch um Hilfe gebeten hat, ob dies also innerhalb der offenen (zweiten) Verbesserungsfrist war oder nicht, ist zumindest im Zweifel von der Rechtzeitigkeit des Rekurses der Mutter auszugehen. Denn ein Rechtsmittel hat die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, soweit nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit wirkt zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (RIS-Justiz RS0006965).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist auch zulässig und im Sinn seines Aufhebungsantrags berechtigt.
Zu prüfen ist vorweg die Frage der Rechtzeitigkeit des zu Protokoll gegebenen Rekurses des Vaters gegen den Beschluss ON S-10 des Erstgerichts, dem das Rekursgericht bezüglich des Besuchsrechtsantrags Folge gegeben hat. Im Revisionsrekurs der Mutter wird hiezu ausgeführt, dass die Entscheidung des Rekursgerichts nichtig sei, weil der Rekurs des Vaters verspätet erhoben und der Beschluss des Erstgerichts daher rechtskräftig geworden sei. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es waren weder die Zustellung des Beschlusses ON S-10 an die Adresse eines ehemaligen Arbeitgebers des Vaters samt der Hinterlegung beim Postamt noch die - nach Rücklangen der nicht behobenen Postsendung - angeordnete Hinterlegung bei Gericht rechtswirksam. Dass die genannte Adresse, an der mehrmals Zustellversuche vorgenommen wurden, keine Abgabestelle im Sinn des § 2 Z 4 ZustG war, wird nicht nur durch die Angaben des Vaters aus Anlass der Erhebung seines Protokollarrekurses am 19. 12. 2006, sondern insbesondere auch durch den im Aktenvermerk vom 3. 4. 2006 festgehaltenen Anruf der Augustine N***** belegt. Die gemäß § 17 ZustG vorgenommene Hinterlegung beim Postamt (hier: nach vergeblichem Zustellversuch) ist nicht rechtswirksam.
Gemäß § 8 ZustG hat zwar eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen (Abs 1); wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (Abs 2). Im vorliegenden Besuchsrechts- und Obsorgeverfahren hat der Vater von Anfang an behauptet, nach dem Verlassen der Ehewohnung keine Zustelladresse zu haben. Wie sich aus der einleitenden Wiedergabe des Akteninhalts ergibt, wurde die Adresse „G***** 5, 1110 Wien" von ihm offensichtlich einmal im Zuge des Ehescheidungsverfahrens, niemals aber im vorliegenden Pflegschaftsverfahren angeführt. Das Pflegschaftsgericht hat die Adresse dem Scheidungsakt entnommen und offenbar angenommen, an dieser Adresse auch im Pflegschaftsverfahren Zustellungen an den Vater bewirken zu können. Es kann daher keine Rede davon sein, der Vater habe die von ihm im Pflegschaftsverfahren bekanntgegebene Abgabestelle oder die im Pflegschaftsverfahren mit seinem Wissen zugrundegelegte bisherige Abgabestelle während des Pflegschaftsverfahrens geändert, ohne dies dem Pflegschaftsgericht mitzuteilen.
Das Erstgericht hat vielmehr den Antrag des Vaters aufgenommen, ohne § 10 Abs 3 AußStrG, der die Angabe der Anschrift des Antragstellers als notwendigen Inhalt eines Antrags nennt, zu beachten und den Vater nicht einmal nach einem allfälligen Zustellungsbevollmächtigten nach § 9 ZustG gefragt oder Verbesserungsversuche nach entsprechender Rechtsbelehrung vorgenommen. Es liegt also kein Fall einer Änderung einer Abgabestelle während des Verfahrens vor, sodass die Hinterlegung bei Gericht nach § 8 ZustG unwirksam war. Auch § 10 ZustG (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle durch das Zustellrechtsänderungsgesetz 2007, BGBl I Nr 5/2008) sieht zwar die Möglichkeit vor, ein Schriftstück an eine Partei oder an einen Beteiligten dadurch rechtswirksam zuzustellen, dass es ohne Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt wird. Dies setzt aber voraus, dass sich die betreffende Person nicht nur vorübergehend im Ausland aufhält, dass ihr der Auftrag erteilt wird, innerhalb einer Frist von mindestens zwei Wochen einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, dass sie diesem Auftrag nicht fristgerecht entspricht und dass sie auf die Rechtsfolge der Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde im Auftrag hingewiesen wird. Hier ist allerdings anzunehmen, dass sich der Vater nicht im Ausland aufhielt, sondern in Österreich „untergetaucht" war. Er wurde auch niemals aufgefordert, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, sodass dahingestellt bleiben kann, ob der Hinweis auf die Hinterlegung bei Gericht überhaupt eine ausreichende Belehrung des unvertretenen Vaters über die Rechtsfolge der Nichtbefolgung des Auftrags darstellte. Die Rechtsfolge des § 23 Abs 4 ZustG („das so hinterlegte Dokument gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt") konnte daher weder im Sinn des § 8 noch im Sinn des § 10 ZustG eintreten. Demnach erfolgte die Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses ON S-10 an den Vater rechtswirksam erst mit der Aushändigung anlässlich der Vorsprache des Vaters beim Amtstag 19. 12. 2006, sodass der sogleich zu Protokoll gegebene Rekurs rechtzeitig erhoben wurde.
Zutreffend rügt die Revisionsrekurswerberin allerdings, dass das Rekursgericht ohne weitere Erhebungen abweichend vom Erstgericht und von der Stellungnahme des Amts für Jugend und Familie davon ausging, dass das Kindeswohl durch Einräumung des Besuchsrechts zum Vater nicht gefährdet sei. Zu berücksichtigen ist, dass die Gewalttätigkeiten des Vaters aktenkundig sind. Er hat der Mutter neben weiteren Verletzungen immerhin auch eine Perforation des Trommelfells zugefügt. Auch wenn eine Aggressivität des Vaters gegenüber der Minderjährigen selbst bisher noch nicht aktenkundig wurde, muss in dieser Situation zur Wahrung des Wohls der Minderjährigen die Beziehung zwischen ihr und dem Vater näher abgeklärt werden. Sollte die Einräumung eines Besuchsrechts nach entsprechenden ergänzenden Erhebungen, die sich insbesondere auch mit den momentanen Lebensumständen des Vaters zu befassen haben werden, in Erwägung gezogen werden, wird durch einen Kinderpsychologen zu begutachten sein, welchen Einfluss die Einräumung eines Besuchsrechts auf das Wohl der Minderjährigen erwartungsgemäß im vorliegenden Fall hat. Insbesondere wird auch zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Vaters, die aktenkundig sind, Stellung zu nehmen sein. Da der Beschluss des Erstgerichts über das vom Vater beantragte Besuchsrecht kein Tatsachensubstrat enthält, das zu einer verlässlichen Beurteilung der Besuchsrechtsfrage hinreicht, und das Rekursgericht ohne weitere Erhebungen dem Vater trotz der durchaus plausiblen Bedenken des Amts für Jugend und Familie gegen die Einräumung eines Besuchsrechts dennoch die Möglichkeit eröffnet hat, die Minderjährige einmal wöchentlich für einige Stunden ohne jegliche Auflagen zu sich zu nehmen, sind die Entscheidungen beider Instanzen aufzuheben. Erst nach Durchführung zielführender Erhebungen durch das Erstgericht, die bei neuerlicher Beschlussfassung über den Besuchsrechtsantrag auch in den Sachverhaltsfeststellungen ihren Niederschlag zu finden haben werden, wird beurteilt werden können, ob es zu verantworten ist, dem Vater ein Besuchsrecht einzuräumen und welche Rahmenbedingungen bei Durchführung des Besuchsrechts allenfalls zu beachten sein werden.